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Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mehr verputzten sie. Das machte ihm viel Kummer, und er verschob deßhalb die Erfüllung seiner Absichten von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, mochten auch die Buben schmeicheln wie sie wollten. Endlich berieth er sich mit einem Geistlichen und vollführte treulich, was ihm Der empfahl. Er kaufte Grund und Boden zusammen, rodete Wälder aus und baute die drei Höfe. An seinem Geburtstage behielt er die drei Söhne nach dem Essen bei sich und sagte ihnen: Jeder von euch erhält ein Gut; dem, der es drei Jahre hindurch am besten bewirthschaftet, zeige ich das Goldbrünnlein, bis dahin kriegt aber keiner einen Kreuzer, der ihn nicht verdient. Da hättest sehen sollen, wie die arbeiteten, nirgends waren die Felder so gut bestellt, wie bei den Nidingern; Rindvieh und Schafe gediehen, daß sie bei der Leonhardskapelle stets den Preis davontrugen. Der dritte Geburtstag brach an, aber der Alte war verschwunden. Statt seiner erschien der Abt von Fiecht und sagte den Buben: Auf euren Vater braucht ihr nicht mehr zu warten, eben so dürft ihr euch keine Mühe geben, das Goldbrünnlein aufzuspüren. Es ist verschüttet für immer. Jeder von euch hat zu leben, wenn er arbeiten will, und ihr seid auch, das muß man bestätigen, die bravsten Bauern vom Thal. So wollte euch der Vater, das ist Gott wohlgefälliger, als Reichthum, der mißbraucht wird. Aber auch an eure und seines Geschlechtes Zukunft hat er redlich gedacht und eine Kirche gestiftet, welche den Nießbrauch gewisser

mehr verputzten sie. Das machte ihm viel Kummer, und er verschob deßhalb die Erfüllung seiner Absichten von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, mochten auch die Buben schmeicheln wie sie wollten. Endlich berieth er sich mit einem Geistlichen und vollführte treulich, was ihm Der empfahl. Er kaufte Grund und Boden zusammen, rodete Wälder aus und baute die drei Höfe. An seinem Geburtstage behielt er die drei Söhne nach dem Essen bei sich und sagte ihnen: Jeder von euch erhält ein Gut; dem, der es drei Jahre hindurch am besten bewirthschaftet, zeige ich das Goldbrünnlein, bis dahin kriegt aber keiner einen Kreuzer, der ihn nicht verdient. Da hättest sehen sollen, wie die arbeiteten, nirgends waren die Felder so gut bestellt, wie bei den Nidingern; Rindvieh und Schafe gediehen, daß sie bei der Leonhardskapelle stets den Preis davontrugen. Der dritte Geburtstag brach an, aber der Alte war verschwunden. Statt seiner erschien der Abt von Fiecht und sagte den Buben: Auf euren Vater braucht ihr nicht mehr zu warten, eben so dürft ihr euch keine Mühe geben, das Goldbrünnlein aufzuspüren. Es ist verschüttet für immer. Jeder von euch hat zu leben, wenn er arbeiten will, und ihr seid auch, das muß man bestätigen, die bravsten Bauern vom Thal. So wollte euch der Vater, das ist Gott wohlgefälliger, als Reichthum, der mißbraucht wird. Aber auch an eure und seines Geschlechtes Zukunft hat er redlich gedacht und eine Kirche gestiftet, welche den Nießbrauch gewisser

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Zitationshilfe: Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/19>, abgerufen am 28.03.2024.