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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Vergleichung kriechender Thiere
Poeten, folglich bey der edlen Froschmäusler-
Gesellschaft
in gar besonderm Werthe. Denn
je tiefer einer sich daselbst herunter setzet, und
sich, so zu sagen, an Nichtigkeit der Gedanken
selber übertrifft,
je näher kömmt er den beyden
Ober-Meistern, Hans Sachsen und dem Frosch-
mäuseler. Eine solche poetische Laus war Are-
tinus
in seinen Zoddel-Gedichten. Denn wenn
er anfing Zoten zu reissen, konnte er so wenig
sich wieder heraus finden, als eine Laus, die sich
einmal in den Grind eingefressen.

§ 14. Beynahe in gleichem Range stehen
mit vorhergehenden die poetischen Mist-Käfer,
welche auch sonst, nach Art der Vögel, Mist-
Finken
und Finken-Ritter genennet werden.
Sie wühlen mit ihrer Poesie in dem Schlam-
me; sie nehmen das Maul fein voll, und reden
platt weg vom Hintertheil, vom Priapo, von
der weiblichen Schaam etc. so deutsch, als ichs
nicht nachsagen darf, weil ich sonst aus der mir
zugedachten Stellage von kriechenden Thierlein
schreiten und in ein fremd Gehege gehen würde.
Sie steigen bis in die heimlichsten Gemächer,
ja bis in die Schorsteine derer Frauenzimmer,
und bringen lauter rustige Fäuste mit zurück.
Wie nun ein Feueressekehrer in die Esse kriechen
muß; also kriechen auch die poetischen Mist-
Käfer
an solche Oerter, wovon man sonst gerne
das Auge abwendet. Wagen sich diese krie-
chende Poeten mit ihren dreisten Einfällen bis
in die Liebes-Cabinetter großer Herren: So

legen

Vergleichung kriechender Thiere
Poeten, folglich bey der edlen Froſchmaͤusler-
Geſellſchaft
in gar beſonderm Werthe. Denn
je tiefer einer ſich daſelbſt herunter ſetzet, und
ſich, ſo zu ſagen, an Nichtigkeit der Gedanken
ſelber uͤbertrifft,
je naͤher koͤmmt er den beyden
Ober-Meiſtern, Hans Sachſen und dem Froſch-
maͤuſeler. Eine ſolche poetiſche Laus war Are-
tinus
in ſeinen Zoddel-Gedichten. Denn wenn
er anfing Zoten zu reiſſen, konnte er ſo wenig
ſich wieder heraus finden, als eine Laus, die ſich
einmal in den Grind eingefreſſen.

§ 14. Beynahe in gleichem Range ſtehen
mit vorhergehenden die poetiſchen Miſt-Kaͤfer,
welche auch ſonſt, nach Art der Voͤgel, Miſt-
Finken
und Finken-Ritter genennet werden.
Sie wuͤhlen mit ihrer Poeſie in dem Schlam-
me; ſie nehmen das Maul fein voll, und reden
platt weg vom Hintertheil, vom Priapo, von
der weiblichen Schaam ꝛc. ſo deutſch, als ichs
nicht nachſagen darf, weil ich ſonſt aus der mir
zugedachten Stellage von kriechenden Thierlein
ſchreiten und in ein fremd Gehege gehen wuͤrde.
Sie ſteigen bis in die heimlichſten Gemaͤcher,
ja bis in die Schorſteine derer Frauenzimmer,
und bringen lauter ruſtige Faͤuſte mit zuruͤck.
Wie nun ein Feuereſſekehrer in die Eſſe kriechen
muß; alſo kriechen auch die poetiſchen Miſt-
Kaͤfer
an ſolche Oerter, wovon man ſonſt gerne
das Auge abwendet. Wagen ſich dieſe krie-
chende Poeten mit ihren dreiſten Einfaͤllen bis
in die Liebes-Cabinetter großer Herren: So

legen
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[52/0060] Vergleichung kriechender Thiere Poeten, folglich bey der edlen Froſchmaͤusler- Geſellſchaft in gar beſonderm Werthe. Denn je tiefer einer ſich daſelbſt herunter ſetzet, und ſich, ſo zu ſagen, an Nichtigkeit der Gedanken ſelber uͤbertrifft, je naͤher koͤmmt er den beyden Ober-Meiſtern, Hans Sachſen und dem Froſch- maͤuſeler. Eine ſolche poetiſche Laus war Are- tinus in ſeinen Zoddel-Gedichten. Denn wenn er anfing Zoten zu reiſſen, konnte er ſo wenig ſich wieder heraus finden, als eine Laus, die ſich einmal in den Grind eingefreſſen. § 14. Beynahe in gleichem Range ſtehen mit vorhergehenden die poetiſchen Miſt-Kaͤfer, welche auch ſonſt, nach Art der Voͤgel, Miſt- Finken und Finken-Ritter genennet werden. Sie wuͤhlen mit ihrer Poeſie in dem Schlam- me; ſie nehmen das Maul fein voll, und reden platt weg vom Hintertheil, vom Priapo, von der weiblichen Schaam ꝛc. ſo deutſch, als ichs nicht nachſagen darf, weil ich ſonſt aus der mir zugedachten Stellage von kriechenden Thierlein ſchreiten und in ein fremd Gehege gehen wuͤrde. Sie ſteigen bis in die heimlichſten Gemaͤcher, ja bis in die Schorſteine derer Frauenzimmer, und bringen lauter ruſtige Faͤuſte mit zuruͤck. Wie nun ein Feuereſſekehrer in die Eſſe kriechen muß; alſo kriechen auch die poetiſchen Miſt- Kaͤfer an ſolche Oerter, wovon man ſonſt gerne das Auge abwendet. Wagen ſich dieſe krie- chende Poeten mit ihren dreiſten Einfaͤllen bis in die Liebes-Cabinetter großer Herren: So legen

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/60>, abgerufen am 27.04.2024.