Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.vom gesunden Witze, etc. Erfindung, was die Natur einem jeden Wesen,Stande und Sache für einen Character beyge- legt habe, kann einem in vielen Dingen, so weit die menschliche Einsicht gehet, zu einem unbe- trüglichen Geschmacke verhelfen. XLII. Also, wer überzeuget ist, daß Gott, nach seinem allerrichtigsten Verstande, ohnmög- lich irren, und, nach seiner vollkommensten Treue, ohnmöglich etwas Falsches für wahr, und was Böses für gut ausgeben, mithin uns ohnmöglich betrügen könne, der wird einen in- nigsten Geschmack an dem finden, was Gott entweder in die Natur eingepräget, oder beson- ders geoffenbaret hat. XLIII. So sehr demnach die Geheimnisse der Natur und göttlichen Offenbarung den na- türlichen Geschmack weit übersteigen: So ein ehrerbietiges Vergnügen wird doch derjenige daran finden, der einen rechten Geschmack von der Religion hat. XLIV. Wer hingegen die Maxime im Kopfe hat, alles zu verwerfen, was er nicht deutlich einsiehet, der hat einen sehr verderbten Ge- schmack, und ist ein ohnfehlbarer Narr, wenn er in hohen Würden stehet, oder macht sich selbst unglücklich, wenn er von Höhern dependiren muß. Denn die werden öfters sagen: Sic vo- lo, sic iubeo. Jch will keinen Raisonneur, sondern bereitwilligen Gehorsam haben. XLV. Doch verrathen auch die Höhern ih- ren verderbten Geschmack des Hochmuths, wenn N 3
vom geſunden Witze, ꝛc. Erfindung, was die Natur einem jeden Weſen,Stande und Sache fuͤr einen Character beyge- legt habe, kann einem in vielen Dingen, ſo weit die menſchliche Einſicht gehet, zu einem unbe- truͤglichen Geſchmacke verhelfen. XLII. Alſo, wer uͤberzeuget iſt, daß Gott, nach ſeinem allerrichtigſten Verſtande, ohnmoͤg- lich irren, und, nach ſeiner vollkommenſten Treue, ohnmoͤglich etwas Falſches fuͤr wahr, und was Boͤſes fuͤr gut ausgeben, mithin uns ohnmoͤglich betruͤgen koͤnne, der wird einen in- nigſten Geſchmack an dem finden, was Gott entweder in die Natur eingepraͤget, oder beſon- ders geoffenbaret hat. XLIII. So ſehr demnach die Geheimniſſe der Natur und goͤttlichen Offenbarung den na- tuͤrlichen Geſchmack weit uͤberſteigen: So ein ehrerbietiges Vergnuͤgen wird doch derjenige daran finden, der einen rechten Geſchmack von der Religion hat. XLIV. Wer hingegen die Maxime im Kopfe hat, alles zu verwerfen, was er nicht deutlich einſiehet, der hat einen ſehr verderbten Ge- ſchmack, und iſt ein ohnfehlbarer Narr, wenn er in hohen Wuͤrden ſtehet, oder macht ſich ſelbſt ungluͤcklich, wenn er von Hoͤhern dependiren muß. Denn die werden oͤfters ſagen: Sic vo- lo, ſic iubeo. Jch will keinen Raiſonneur, ſondern bereitwilligen Gehorſam haben. XLV. Doch verrathen auch die Hoͤhern ih- ren verderbten Geſchmack des Hochmuths, wenn N 3
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vom geſunden Witze, ꝛc.
Erfindung, was die Natur einem jeden Weſen,
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legt habe, kann einem in vielen Dingen, ſo weit
die menſchliche Einſicht gehet, zu einem unbe-
truͤglichen Geſchmacke verhelfen.
XLII. Alſo, wer uͤberzeuget iſt, daß Gott,
nach ſeinem allerrichtigſten Verſtande, ohnmoͤg-
lich irren, und, nach ſeiner vollkommenſten
Treue, ohnmoͤglich etwas Falſches fuͤr wahr,
und was Boͤſes fuͤr gut ausgeben, mithin uns
ohnmoͤglich betruͤgen koͤnne, der wird einen in-
nigſten Geſchmack an dem finden, was Gott
entweder in die Natur eingepraͤget, oder beſon-
ders geoffenbaret hat.
XLIII. So ſehr demnach die Geheimniſſe
der Natur und goͤttlichen Offenbarung den na-
tuͤrlichen Geſchmack weit uͤberſteigen: So ein
ehrerbietiges Vergnuͤgen wird doch derjenige
daran finden, der einen rechten Geſchmack von
der Religion hat.
XLIV. Wer hingegen die Maxime im Kopfe
hat, alles zu verwerfen, was er nicht deutlich
einſiehet, der hat einen ſehr verderbten Ge-
ſchmack, und iſt ein ohnfehlbarer Narr, wenn
er in hohen Wuͤrden ſtehet, oder macht ſich ſelbſt
ungluͤcklich, wenn er von Hoͤhern dependiren
muß. Denn die werden oͤfters ſagen: Sic vo-
lo, ſic iubeo. Jch will keinen Raiſonneur,
ſondern bereitwilligen Gehorſam haben.
XLV. Doch verrathen auch die Hoͤhern ih-
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