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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Zwey hundert Maximen
XXXV. Ein epicurischer Mensch, der nicht
überlegt, ob er sich zeitlich und ewig unglückselig
mache, oder nicht, hat von seiner eigenen Wohl-
fahrt den allerverdorbensten Geschmack.
XXXVI. Wer in Sachen, das ewige Wohl
oder Uebel betreffend, nicht mit eigener Empfin-
dung schmecken,
sondern nur andern nachko-
sten
will, der hat einen sehr unsichern und miß-
lingenden Geschmack.
XXXVII. Ein eigensinniger verwöhnter
Geschmack
ist dieser, wenn einer fordert, daß
sich alles nach seinem Kopfe richten, und gerade
so denken
soll, wie er.
XXXVIII. Ein verzärtelter verwerflicher
Geschmack ist der, welchem nur das gefällt, was
mit denen bey weichlicher Auferziehung und Ju-
gend-Hitze eingesogenen sentimens überein-
kömmt; da ihm denn alles zuwider, was solchen
entgegen ist.
XXXIX. Wem in der Erziehung die ankle-
benden Fehler des Verstandes und der verkehrten
Leidenschaften nicht abgewöhnet werden, dessen
verdorbener Geschmack thut dem gemeinen
Wesen desto mehr Schaden, je mehr er äusser-
lichen hohen Stand, Rang und Ansehen hat.
XL. Daher ein Prinz, der von ruchlosen,
schmeichlerischen, lasterhaften Hofmeistern und
Räthen umgeben ist, einen so verdorbenen Ge-
schmack
bekommen kann, daß Land und Leute
darüber ins Verderben gerathen.
XLI. Die genaue Ueberlegung und richtige
Erfin-
Zwey hundert Maximen
XXXV. Ein epicuriſcher Menſch, der nicht
uͤberlegt, ob er ſich zeitlich und ewig ungluͤckſelig
mache, oder nicht, hat von ſeiner eigenen Wohl-
fahrt den allerverdorbenſten Geſchmack.
XXXVI. Wer in Sachen, das ewige Wohl
oder Uebel betreffend, nicht mit eigener Empfin-
dung ſchmecken,
ſondern nur andern nachko-
ſten
will, der hat einen ſehr unſichern und miß-
lingenden Geſchmack.
XXXVII. Ein eigenſinniger verwoͤhnter
Geſchmack
iſt dieſer, wenn einer fordert, daß
ſich alles nach ſeinem Kopfe richten, und gerade
ſo denken
ſoll, wie er.
XXXVIII. Ein verzaͤrtelter verwerflicher
Geſchmack iſt der, welchem nur das gefaͤllt, was
mit denen bey weichlicher Auferziehung und Ju-
gend-Hitze eingeſogenen ſentimens uͤberein-
koͤmmt; da ihm denn alles zuwider, was ſolchen
entgegen iſt.
XXXIX. Wem in der Erziehung die ankle-
benden Fehler des Verſtandes und der verkehrten
Leidenſchaften nicht abgewoͤhnet werden, deſſen
verdorbener Geſchmack thut dem gemeinen
Weſen deſto mehr Schaden, je mehr er aͤuſſer-
lichen hohen Stand, Rang und Anſehen hat.
XL. Daher ein Prinz, der von ruchloſen,
ſchmeichleriſchen, laſterhaften Hofmeiſtern und
Raͤthen umgeben iſt, einen ſo verdorbenen Ge-
ſchmack
bekommen kann, daß Land und Leute
daruͤber ins Verderben gerathen.
XLI. Die genaue Ueberlegung und richtige
Erfin-
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[196/0204] Zwey hundert Maximen XXXV. Ein epicuriſcher Menſch, der nicht uͤberlegt, ob er ſich zeitlich und ewig ungluͤckſelig mache, oder nicht, hat von ſeiner eigenen Wohl- fahrt den allerverdorbenſten Geſchmack. XXXVI. Wer in Sachen, das ewige Wohl oder Uebel betreffend, nicht mit eigener Empfin- dung ſchmecken, ſondern nur andern nachko- ſten will, der hat einen ſehr unſichern und miß- lingenden Geſchmack. XXXVII. Ein eigenſinniger verwoͤhnter Geſchmack iſt dieſer, wenn einer fordert, daß ſich alles nach ſeinem Kopfe richten, und gerade ſo denken ſoll, wie er. XXXVIII. Ein verzaͤrtelter verwerflicher Geſchmack iſt der, welchem nur das gefaͤllt, was mit denen bey weichlicher Auferziehung und Ju- gend-Hitze eingeſogenen ſentimens uͤberein- koͤmmt; da ihm denn alles zuwider, was ſolchen entgegen iſt. XXXIX. Wem in der Erziehung die ankle- benden Fehler des Verſtandes und der verkehrten Leidenſchaften nicht abgewoͤhnet werden, deſſen verdorbener Geſchmack thut dem gemeinen Weſen deſto mehr Schaden, je mehr er aͤuſſer- lichen hohen Stand, Rang und Anſehen hat. XL. Daher ein Prinz, der von ruchloſen, ſchmeichleriſchen, laſterhaften Hofmeiſtern und Raͤthen umgeben iſt, einen ſo verdorbenen Ge- ſchmack bekommen kann, daß Land und Leute daruͤber ins Verderben gerathen. XLI. Die genaue Ueberlegung und richtige Erfin-

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/204>, abgerufen am 28.04.2024.