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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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vom gesunden Witze, etc.
re Größe ohne Zusatz noch Mißtrauen abzumes-
sen, und seinen eigenen Geschmack so richtig,
als etwa eines andern, zu beurtheilen vermag,
gehört zu den wahrhaften starken Geistern und
Leuten von dem feinsten Geschmacke.
XXX. Ein Gemüth hingegen, das alle seine
Kräfte für sehr hoch und unvergleichlich an-
siehet; des andern aber aus Hochmuth oder
Neid geringe schätzet, hat einen vollkommenen Ge-
schmack der Eigenliebe und des Selbstdünkels.
XXXI. Die den Spott-Geist haben, dün-
ken sich
meistens große Geister und Leute von
dem feinesten Geschmacke
zu seyn, da es doch
öfters sehr elende unbrauchbare Stümper sind.
XXXII. Welche vom Spott-Geiste besessen
sind, taugen zu keinen ernsthaften Verrichtun-
gen, noch zu Säulen des gemeinen Wesens.
Die Religion, Staats-Klugheit, bürgerliche
Gesetze, ja alles wird ihnen lächerlich und kurz-
weilig
vorkommen; welches ihren höchstver-
dorbenen
Geschmack anzeiget.
XXXIII. Wer die Geschicklichkeit, einen an-
dern scharfsinnig anzustechen, denen soliden
Wissenschaften
der Gottes-Gelehrsamkeit,
Rechts-Wissenschaft, Arzeney-Kunst und Welt-
Weisheit vorziehet, der bezeiget selbst damit sei-
nen verdorbenen Geschmack.
XXXIV. Wer da meynet, es reichen alle
Gründe der Vernunft und Schrift nicht zu,

einen von der Gewißheit der Religion zu überzeu-
gen, der verräth seinen verdorbenen Geschmack.
XXXV.
N 2
vom geſunden Witze, ꝛc.
re Groͤße ohne Zuſatz noch Mißtrauen abzumeſ-
ſen, und ſeinen eigenen Geſchmack ſo richtig,
als etwa eines andern, zu beurtheilen vermag,
gehoͤrt zu den wahrhaften ſtarken Geiſtern und
Leuten von dem feinſten Geſchmacke.
XXX. Ein Gemuͤth hingegen, das alle ſeine
Kraͤfte fuͤr ſehr hoch und unvergleichlich an-
ſiehet; des andern aber aus Hochmuth oder
Neid geringe ſchaͤtzet, hat einen vollkommenen Ge-
ſchmack der Eigenliebe und des Selbſtduͤnkels.
XXXI. Die den Spott-Geiſt haben, duͤn-
ken ſich
meiſtens große Geiſter und Leute von
dem feineſten Geſchmacke
zu ſeyn, da es doch
oͤfters ſehr elende unbrauchbare Stuͤmper ſind.
XXXII. Welche vom Spott-Geiſte beſeſſen
ſind, taugen zu keinen ernſthaften Verrichtun-
gen, noch zu Saͤulen des gemeinen Weſens.
Die Religion, Staats-Klugheit, buͤrgerliche
Geſetze, ja alles wird ihnen laͤcherlich und kurz-
weilig
vorkommen; welches ihren hoͤchſtver-
dorbenen
Geſchmack anzeiget.
XXXIII. Wer die Geſchicklichkeit, einen an-
dern ſcharfſinnig anzuſtechen, denen ſoliden
Wiſſenſchaften
der Gottes-Gelehrſamkeit,
Rechts-Wiſſenſchaft, Arzeney-Kunſt und Welt-
Weisheit vorziehet, der bezeiget ſelbſt damit ſei-
nen verdorbenen Geſchmack.
XXXIV. Wer da meynet, es reichen alle
Gruͤnde der Vernunft und Schrift nicht zu,

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gen, der verraͤth ſeinen verdorbenen Geſchmack.
XXXV.
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[195/0203] vom geſunden Witze, ꝛc. re Groͤße ohne Zuſatz noch Mißtrauen abzumeſ- ſen, und ſeinen eigenen Geſchmack ſo richtig, als etwa eines andern, zu beurtheilen vermag, gehoͤrt zu den wahrhaften ſtarken Geiſtern und Leuten von dem feinſten Geſchmacke. XXX. Ein Gemuͤth hingegen, das alle ſeine Kraͤfte fuͤr ſehr hoch und unvergleichlich an- ſiehet; des andern aber aus Hochmuth oder Neid geringe ſchaͤtzet, hat einen vollkommenen Ge- ſchmack der Eigenliebe und des Selbſtduͤnkels. XXXI. Die den Spott-Geiſt haben, duͤn- ken ſich meiſtens große Geiſter und Leute von dem feineſten Geſchmacke zu ſeyn, da es doch oͤfters ſehr elende unbrauchbare Stuͤmper ſind. XXXII. Welche vom Spott-Geiſte beſeſſen ſind, taugen zu keinen ernſthaften Verrichtun- gen, noch zu Saͤulen des gemeinen Weſens. Die Religion, Staats-Klugheit, buͤrgerliche Geſetze, ja alles wird ihnen laͤcherlich und kurz- weilig vorkommen; welches ihren hoͤchſtver- dorbenen Geſchmack anzeiget. XXXIII. Wer die Geſchicklichkeit, einen an- dern ſcharfſinnig anzuſtechen, denen ſoliden Wiſſenſchaften der Gottes-Gelehrſamkeit, Rechts-Wiſſenſchaft, Arzeney-Kunſt und Welt- Weisheit vorziehet, der bezeiget ſelbſt damit ſei- nen verdorbenen Geſchmack. XXXIV. Wer da meynet, es reichen alle Gruͤnde der Vernunft und Schrift nicht zu, einen von der Gewißheit der Religion zu uͤberzeu- gen, der verraͤth ſeinen verdorbenen Geſchmack. XXXV. N 2

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/203>, abgerufen am 27.04.2024.