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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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Da es Deshalb nicht erwiesen ist, dass eine Rückenmarks¬
hälfte nicht sympathisire, so verliert der oben gegebene Ein¬
wand alles Gewicht, indem noch bemerkt werden muss, dass
keine sichere Beobachtungen vorliegen, dass bei Hemiplektischen
von anästhesirten Stellen aus Reflexbewegung veranlasst wer¬
den kann. --

Doch blieben uns noch einige Bemerkungen über die Be¬
wegungen der Acephalen übrig.

Marshall Hall hält auch diese Bewegungen für unwillkür¬
liche, d. h. für reflectorisch erregte, weil das Schreien der
hirnlosen Kinder dem Crouptone gleiche (a. a. O. p. 20).

Nasse (a. a. O. p. 281) bemerkt in Betreff der Aehnlich¬
keit des Schreiens solcher Kinder mit dem Croupton, dass kein
Beobachter Derartiges berichte, und überdies Damit nicht dar¬
gethan wäre, was dargethan werden soll.

Grainger (a. a. O. p. 76 u. 77) bringt das belustigende
Argument, dass hirnlose Kinder zwar schrieen, aber keine Thrä¬
nen vergössen, was auf die reflectorische Natur des Schreiens
deute.

Nasse bemerkt hierauf, dass das Schreien der Thiere auch
nicht mit Thränen verknüpft sei, ohne deshalb excito-motorischer
Natur zu sein.

Ich erwähne noch, dass Blödsinnigen meistens ebenfalls die
Thränen versagt sind, indem sie bei Züchtigungen nur ein thie¬
risches Geschrei ausstossen, während sich bei Rückkehr der
sensorischen Gesundheit empfundene Schmerzen auch wieder
durch Thränen offenbaren. -- --

Hiermit verlassen wir dieses Capitel, in der Ueberzeugung,
dass kein Moment vorhanden ist, welches die Physiologen be¬
rechtigen konnte, die Bewegungen Enthaupteter in der apodik¬
tischen Weise für reflectorische zu erklären, wie es noch heute
aller Orten geschieht.


Da es Deshalb nicht erwiesen ist, dass eine Rückenmarks¬
hälfte nicht sympathisire, so verliert der oben gegebene Ein¬
wand alles Gewicht, indem noch bemerkt werden muss, dass
keine sichere Beobachtungen vorliegen, dass bei Hemiplektischen
von anästhesirten Stellen aus Reflexbewegung veranlasst wer¬
den kann. —

Doch blieben uns noch einige Bemerkungen über die Be¬
wegungen der Acephalen übrig.

Marshall Hall hält auch diese Bewegungen für unwillkür¬
liche, d. h. für reflectorisch erregte, weil das Schreien der
hirnlosen Kinder dem Crouptone gleiche (a. a. O. p. 20).

Nasse (a. a. O. p. 281) bemerkt in Betreff der Aehnlich¬
keit des Schreiens solcher Kinder mit dem Croupton, dass kein
Beobachter Derartiges berichte, und überdies Damit nicht dar¬
gethan wäre, was dargethan werden soll.

Grainger (a. a. O. p. 76 u. 77) bringt das belustigende
Argument, dass hirnlose Kinder zwar schrieen, aber keine Thrä¬
nen vergössen, was auf die reflectorische Natur des Schreiens
deute.

Nasse bemerkt hierauf, dass das Schreien der Thiere auch
nicht mit Thränen verknüpft sei, ohne deshalb excito-motorischer
Natur zu sein.

Ich erwähne noch, dass Blödsinnigen meistens ebenfalls die
Thränen versagt sind, indem sie bei Züchtigungen nur ein thie¬
risches Geschrei ausstossen, während sich bei Rückkehr der
sensorischen Gesundheit empfundene Schmerzen auch wieder
durch Thränen offenbaren. — —

Hiermit verlassen wir dieses Capitel, in der Ueberzeugung,
dass kein Moment vorhanden ist, welches die Physiologen be¬
rechtigen konnte, die Bewegungen Enthaupteter in der apodik¬
tischen Weise für reflectorische zu erklären, wie es noch heute
aller Orten geschieht.


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[61/0083] Da es Deshalb nicht erwiesen ist, dass eine Rückenmarks¬ hälfte nicht sympathisire, so verliert der oben gegebene Ein¬ wand alles Gewicht, indem noch bemerkt werden muss, dass keine sichere Beobachtungen vorliegen, dass bei Hemiplektischen von anästhesirten Stellen aus Reflexbewegung veranlasst wer¬ den kann. — Doch blieben uns noch einige Bemerkungen über die Be¬ wegungen der Acephalen übrig. Marshall Hall hält auch diese Bewegungen für unwillkür¬ liche, d. h. für reflectorisch erregte, weil das Schreien der hirnlosen Kinder dem Crouptone gleiche (a. a. O. p. 20). Nasse (a. a. O. p. 281) bemerkt in Betreff der Aehnlich¬ keit des Schreiens solcher Kinder mit dem Croupton, dass kein Beobachter Derartiges berichte, und überdies Damit nicht dar¬ gethan wäre, was dargethan werden soll. Grainger (a. a. O. p. 76 u. 77) bringt das belustigende Argument, dass hirnlose Kinder zwar schrieen, aber keine Thrä¬ nen vergössen, was auf die reflectorische Natur des Schreiens deute. Nasse bemerkt hierauf, dass das Schreien der Thiere auch nicht mit Thränen verknüpft sei, ohne deshalb excito-motorischer Natur zu sein. Ich erwähne noch, dass Blödsinnigen meistens ebenfalls die Thränen versagt sind, indem sie bei Züchtigungen nur ein thie¬ risches Geschrei ausstossen, während sich bei Rückkehr der sensorischen Gesundheit empfundene Schmerzen auch wieder durch Thränen offenbaren. — — Hiermit verlassen wir dieses Capitel, in der Ueberzeugung, dass kein Moment vorhanden ist, welches die Physiologen be¬ rechtigen konnte, die Bewegungen Enthaupteter in der apodik¬ tischen Weise für reflectorische zu erklären, wie es noch heute aller Orten geschieht.

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/83>, abgerufen am 02.05.2024.