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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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Kürschner sagt nämlich a. a. O. p. 134:

"Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Erscheinungen
an enthaupteten Amphibien, welches von keinem der Beobach¬
ter so hervorgehoben wurde, wie es hervorgehoben zu werden
verdient, ist es, dass die Bewegungen auf Reize con¬
stant erfolgen
."

Abgesehen von dem oben Erörterten ist es schon nicht un¬
wahrscheinlich, dass der mächtige Eingriff der Operation die
allgemeine Erregbarkeit in den Nervenfunctionen so sehr stei¬
gert, dass jede Empfindung eine Bewegung auslöst. Wir müssen
indessen behaupten, dass die Lehre in der apodiktischen Weise,
wie sie Kürschner aufstellt, nicht zulässig ist. Er giebt selbst
Bedingungen an, die beobachtet werden sollen, damit die Be¬
wegung constant eintrete. Wenn die Bewegung ausbleibt, sucht
er die Ursache in dem nicht adäquaten Reize. Woher weiss er
aber, dass er gerade Hierin und nicht in dem Willen des Thie¬
res gesucht werden muss? --

Nasse erwidert gegen die Behauptung:

"Die Unfähigkeit, den Eindrücken Widerstand zu leisten,
die Leichtigkeit, affizirt zu werden, kurz die Reizempfänglichkeit
wird in den Theilen, die dem Einflusse des Gehirns entzogen
sind, eine Zeit lang erhöht, und diese Erhöhung hat dann An¬
theil an den Erscheinungen, denen man den Namen der reflec¬
tirten gegeben hat." (A. a. O. p. 261.) -- -- --

"Hiermit vereinigt sich denn zu gleichem Beweise das Er¬
gebniss meiner Versuche, denen zu Folge der Theil, dem der
Gehirneinfluss entzogen worden, bei einer geringeren Metall¬
differenz Zuckungen giebt, als der noch unter jenem Einfluss
stehende.

"Durch diese erhöhte Reizempfänglichkeit werden nun an
den geköpften Thieren objectiv geringe Einwirkungen beträchtlich
aufregend." (A. a. O. p. 262.)

Wenn es also wahr wäre, dass ein Thier, das unverletzt
ist, nicht so leicht auf äussere Reize reagirt als ein solches,
dem das Gehirn genommen ist, so bewiese Das höchstens, dass

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Kürschner sagt nämlich a. a. O. p. 134:

„Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Erscheinungen
an enthaupteten Amphibien, welches von keinem der Beobach¬
ter so hervorgehoben wurde, wie es hervorgehoben zu werden
verdient, ist es, dass die Bewegungen auf Reize con¬
stant erfolgen
.“

Abgesehen von dem oben Erörterten ist es schon nicht un¬
wahrscheinlich, dass der mächtige Eingriff der Operation die
allgemeine Erregbarkeit in den Nervenfunctionen so sehr stei¬
gert, dass jede Empfindung eine Bewegung auslöst. Wir müssen
indessen behaupten, dass die Lehre in der apodiktischen Weise,
wie sie Kürschner aufstellt, nicht zulässig ist. Er giebt selbst
Bedingungen an, die beobachtet werden sollen, damit die Be¬
wegung constant eintrete. Wenn die Bewegung ausbleibt, sucht
er die Ursache in dem nicht adäquaten Reize. Woher weiss er
aber, dass er gerade Hierin und nicht in dem Willen des Thie¬
res gesucht werden muss? —

Nasse erwidert gegen die Behauptung:

„Die Unfähigkeit, den Eindrücken Widerstand zu leisten,
die Leichtigkeit, affizirt zu werden, kurz die Reizempfänglichkeit
wird in den Theilen, die dem Einflusse des Gehirns entzogen
sind, eine Zeit lang erhöht, und diese Erhöhung hat dann An¬
theil an den Erscheinungen, denen man den Namen der reflec¬
tirten gegeben hat.“ (A. a. O. p. 261.) — — —

„Hiermit vereinigt sich denn zu gleichem Beweise das Er¬
gebniss meiner Versuche, denen zu Folge der Theil, dem der
Gehirneinfluss entzogen worden, bei einer geringeren Metall¬
differenz Zuckungen giebt, als der noch unter jenem Einfluss
stehende.

„Durch diese erhöhte Reizempfänglichkeit werden nun an
den geköpften Thieren objectiv geringe Einwirkungen beträchtlich
aufregend.“ (A. a. O. p. 262.)

Wenn es also wahr wäre, dass ein Thier, das unverletzt
ist, nicht so leicht auf äussere Reize reagirt als ein solches,
dem das Gehirn genommen ist, so bewiese Das höchstens, dass

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[51/0073] Kürschner sagt nämlich a. a. O. p. 134: „Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Erscheinungen an enthaupteten Amphibien, welches von keinem der Beobach¬ ter so hervorgehoben wurde, wie es hervorgehoben zu werden verdient, ist es, dass die Bewegungen auf Reize con¬ stant erfolgen.“ Abgesehen von dem oben Erörterten ist es schon nicht un¬ wahrscheinlich, dass der mächtige Eingriff der Operation die allgemeine Erregbarkeit in den Nervenfunctionen so sehr stei¬ gert, dass jede Empfindung eine Bewegung auslöst. Wir müssen indessen behaupten, dass die Lehre in der apodiktischen Weise, wie sie Kürschner aufstellt, nicht zulässig ist. Er giebt selbst Bedingungen an, die beobachtet werden sollen, damit die Be¬ wegung constant eintrete. Wenn die Bewegung ausbleibt, sucht er die Ursache in dem nicht adäquaten Reize. Woher weiss er aber, dass er gerade Hierin und nicht in dem Willen des Thie¬ res gesucht werden muss? — Nasse erwidert gegen die Behauptung: „Die Unfähigkeit, den Eindrücken Widerstand zu leisten, die Leichtigkeit, affizirt zu werden, kurz die Reizempfänglichkeit wird in den Theilen, die dem Einflusse des Gehirns entzogen sind, eine Zeit lang erhöht, und diese Erhöhung hat dann An¬ theil an den Erscheinungen, denen man den Namen der reflec¬ tirten gegeben hat.“ (A. a. O. p. 261.) — — — „Hiermit vereinigt sich denn zu gleichem Beweise das Er¬ gebniss meiner Versuche, denen zu Folge der Theil, dem der Gehirneinfluss entzogen worden, bei einer geringeren Metall¬ differenz Zuckungen giebt, als der noch unter jenem Einfluss stehende. „Durch diese erhöhte Reizempfänglichkeit werden nun an den geköpften Thieren objectiv geringe Einwirkungen beträchtlich aufregend.“ (A. a. O. p. 262.) Wenn es also wahr wäre, dass ein Thier, das unverletzt ist, nicht so leicht auf äussere Reize reagirt als ein solches, dem das Gehirn genommen ist, so bewiese Das höchstens, dass 4 *

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/73>, abgerufen am 22.11.2024.