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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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sich auch bewegen, wahrscheinlich in Folge von traumartigen
Empfindungen und Vorstellungen". (Volkmann, Artikel: Ge¬
hirn in Wagners Handwörterbuch. p. 581.)

Es ist nun interessant genug, wenn auch natürlich und
nothwendig, dass die analogen Beobachtungen beim Menschen
sich in derselben Weise darstellen, wie wir Dies bisher bei den
Thieren gesehen haben.

Leider sind die Untersuchungen an enthaupteten Verbre¬
chern entweder unverbürgt oder ohne Resultat. Haller, wel¬
cher Einiges hierüber berichtet, fügt hinzu:

"Haec ab hominibus philosophicis oportuerat testimonium
habere". (Haller, Elementa physiologiae. Tom. IV. p. 393. --
Siehe auch: Legallois, Oeuvres. Tom. I. p. 42.)

Nur eine Beobachtung aus der neueren Zeit ist mit der
notwendigen Sorgfalt von Bischof am Raubmörder Zink
nach der Enthauptung angestellt, aber ohne ein Resultat zu
liefern. Denn es zeigten sich keine Bewegungen auf Reize.
(Müller's Archiv. 1838. p. 486.)

Klein hat ausserdem eine interessante Beobachtung mit¬
getheilt, die an einer enthaupteten, schwerathmig gewesenen
Frau gemacht wurde. (Harless, Jahrbücher der deutschen
Medicin und Chirurgie. Bd. III. p. 37.) Nach Trennung des
Kopfes vom Rumpfe waren noch fünf Minuten lang deutliche
Athmungsbewegungen zu sehen, obgleich das Schwert zwischen
dem zweiten und dritten Wirbel hindurch gegangen war. Da
nun der Respirationsmechanismus in der Medulla oblongata ge¬
legen, und an Schwerathmigkeit Leidende notorisch durch
Willensimpuls respiriren, so könnte hier wohl an eine solche
Ursache der Bewegungen gedacht werden.

Wir müssen bei der geringen Zahl der Beobachtungen an
enthaupteten Menschen unsere Kenntnisse aus der Geschichte
der zufälligen Hirnverletzungen und Missbildungen ergänzen.
Gegen jene lässt sich indessen der Einwand machen, dass nicht
eine einzige mit der Genauigkeit angestellt ist, um sicher zu
stellen, dass kein Gehirntheil mehr vorhanden war.

sich auch bewegen, wahrscheinlich in Folge von traumartigen
Empfindungen und Vorstellungen“. (Volkmann, Artikel: Ge¬
hirn in Wagners Handwörterbuch. p. 581.)

Es ist nun interessant genug, wenn auch natürlich und
nothwendig, dass die analogen Beobachtungen beim Menschen
sich in derselben Weise darstellen, wie wir Dies bisher bei den
Thieren gesehen haben.

Leider sind die Untersuchungen an enthaupteten Verbre¬
chern entweder unverbürgt oder ohne Resultat. Haller, wel¬
cher Einiges hierüber berichtet, fügt hinzu:

„Haec ab hominibus philosophicis oportuerat testimonium
habere“. (Haller, Elementa physiologiae. Tom. IV. p. 393. —
Siehe auch: Legallois, Oeuvres. Tom. I. p. 42.)

Nur eine Beobachtung aus der neueren Zeit ist mit der
notwendigen Sorgfalt von Bischof am Raubmörder Zink
nach der Enthauptung angestellt, aber ohne ein Resultat zu
liefern. Denn es zeigten sich keine Bewegungen auf Reize.
(Müller's Archiv. 1838. p. 486.)

Klein hat ausserdem eine interessante Beobachtung mit¬
getheilt, die an einer enthaupteten, schwerathmig gewesenen
Frau gemacht wurde. (Harless, Jahrbücher der deutschen
Medicin und Chirurgie. Bd. III. p. 37.) Nach Trennung des
Kopfes vom Rumpfe waren noch fünf Minuten lang deutliche
Athmungsbewegungen zu sehen, obgleich das Schwert zwischen
dem zweiten und dritten Wirbel hindurch gegangen war. Da
nun der Respirationsmechanismus in der Medulla oblongata ge¬
legen, und an Schwerathmigkeit Leidende notorisch durch
Willensimpuls respiriren, so könnte hier wohl an eine solche
Ursache der Bewegungen gedacht werden.

Wir müssen bei der geringen Zahl der Beobachtungen an
enthaupteten Menschen unsere Kenntnisse aus der Geschichte
der zufälligen Hirnverletzungen und Missbildungen ergänzen.
Gegen jene lässt sich indessen der Einwand machen, dass nicht
eine einzige mit der Genauigkeit angestellt ist, um sicher zu
stellen, dass kein Gehirntheil mehr vorhanden war.

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[27/0049] sich auch bewegen, wahrscheinlich in Folge von traumartigen Empfindungen und Vorstellungen“. (Volkmann, Artikel: Ge¬ hirn in Wagners Handwörterbuch. p. 581.) Es ist nun interessant genug, wenn auch natürlich und nothwendig, dass die analogen Beobachtungen beim Menschen sich in derselben Weise darstellen, wie wir Dies bisher bei den Thieren gesehen haben. Leider sind die Untersuchungen an enthaupteten Verbre¬ chern entweder unverbürgt oder ohne Resultat. Haller, wel¬ cher Einiges hierüber berichtet, fügt hinzu: „Haec ab hominibus philosophicis oportuerat testimonium habere“. (Haller, Elementa physiologiae. Tom. IV. p. 393. — Siehe auch: Legallois, Oeuvres. Tom. I. p. 42.) Nur eine Beobachtung aus der neueren Zeit ist mit der notwendigen Sorgfalt von Bischof am Raubmörder Zink nach der Enthauptung angestellt, aber ohne ein Resultat zu liefern. Denn es zeigten sich keine Bewegungen auf Reize. (Müller's Archiv. 1838. p. 486.) Klein hat ausserdem eine interessante Beobachtung mit¬ getheilt, die an einer enthaupteten, schwerathmig gewesenen Frau gemacht wurde. (Harless, Jahrbücher der deutschen Medicin und Chirurgie. Bd. III. p. 37.) Nach Trennung des Kopfes vom Rumpfe waren noch fünf Minuten lang deutliche Athmungsbewegungen zu sehen, obgleich das Schwert zwischen dem zweiten und dritten Wirbel hindurch gegangen war. Da nun der Respirationsmechanismus in der Medulla oblongata ge¬ legen, und an Schwerathmigkeit Leidende notorisch durch Willensimpuls respiriren, so könnte hier wohl an eine solche Ursache der Bewegungen gedacht werden. Wir müssen bei der geringen Zahl der Beobachtungen an enthaupteten Menschen unsere Kenntnisse aus der Geschichte der zufälligen Hirnverletzungen und Missbildungen ergänzen. Gegen jene lässt sich indessen der Einwand machen, dass nicht eine einzige mit der Genauigkeit angestellt ist, um sicher zu stellen, dass kein Gehirntheil mehr vorhanden war.

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/49>, abgerufen am 26.04.2024.