Worte, die Erscheinung macht den Eindruck des tiefsten Schmerzes in dem leidenden Menschen oder Thiere. Wer ein¬ mal diese Bewegungen bei einer unverletzten Salamandra ma¬ culata, die man dem Schmerze des Feuers aussetzt, gesehen hat und dieselben Bewegungen sodann auch bei der enthaup¬ teten oder blossen Rumpfstücken unter denselben Verhältnissen in ganz derselben Weise eintreten sieht, dem möchte es doch in der That ungemein schwierig sein, sich selbst einreden zu wollen, dass er eine nicht empfindende Masse vor sich sehe. Dass ich hier ohne Vorurtheil rede, dürfte ein Ausspruch be¬ zeugen, den selbst Grainger gethan hat, obgleich seine An¬ sicht fast noch über die von Marshall Hall hinausgeht, indem er sagt, "dass jene Bewegungen des Beckens und Schwanzes in der That das Ansehen haben, als wänden sich die Theile unter heftigem Schmerze". (Grainger, On the structure and functions of the spinal cord. p. 57.)
Die bisher betrachteten Phänomene Enthaupteter sind in¬ dessen nicht allein an Fischen und Amphibien, sondern ebenso, wenn auch in weniger auffallender Weise, bei Vögeln und Säugethieren, ja selbst beim Menschen beobachtet.
Nach den Berichten verschiedener Beobachter sollen Vögel nach der Enthauptung noch geflogen sein. K. Boerhaave erzählt eine interessante hierher bezügliche Thatsache:
"Toto prius collo galli junioris robusti a capite ad truncum deplumato, inclusi illum caveae sine ullo omnino pabulo, saepe interim eodem spargendo in distante loco; cum ita per duode¬ cim horas famelicum satis irritatum crederem, curavi uno mo¬ mento aperiri caveam, ex qua avidum escam accipiendi, celeri¬ terque ad hanc accurentem excepi cultro rasorio bene firmato et optime scindente ita, ut uno ictu caput a collo descinderem; quid fit? animal impetu incitatum absque capite eadem celeri¬ tate percurrit spatium per rectam lineam viginti et trium pedum circiter rhenolandiacorum, et credo ulterius cucurisset, nisi in obstaculum irruisset, unde lapsum diutissime convellebatur alas, pedesque movens". (Kaau Boerhaave, Impetum faciens. p.262.)
Worte, die Erscheinung macht den Eindruck des tiefsten Schmerzes in dem leidenden Menschen oder Thiere. Wer ein¬ mal diese Bewegungen bei einer unverletzten Salamandra ma¬ culata, die man dem Schmerze des Feuers aussetzt, gesehen hat und dieselben Bewegungen sodann auch bei der enthaup¬ teten oder blossen Rumpfstücken unter denselben Verhältnissen in ganz derselben Weise eintreten sieht, dem möchte es doch in der That ungemein schwierig sein, sich selbst einreden zu wollen, dass er eine nicht empfindende Masse vor sich sehe. Dass ich hier ohne Vorurtheil rede, dürfte ein Ausspruch be¬ zeugen, den selbst Grainger gethan hat, obgleich seine An¬ sicht fast noch über die von Marshall Hall hinausgeht, indem er sagt, „dass jene Bewegungen des Beckens und Schwanzes in der That das Ansehen haben, als wänden sich die Theile unter heftigem Schmerze“. (Grainger, On the structure and functions of the spinal cord. p. 57.)
Die bisher betrachteten Phänomene Enthaupteter sind in¬ dessen nicht allein an Fischen und Amphibien, sondern ebenso, wenn auch in weniger auffallender Weise, bei Vögeln und Säugethieren, ja selbst beim Menschen beobachtet.
Nach den Berichten verschiedener Beobachter sollen Vögel nach der Enthauptung noch geflogen sein. K. Boerhaave erzählt eine interessante hierher bezügliche Thatsache:
„Toto prius collo galli junioris robusti a capite ad truncum deplumato, inclusi illum caveae sine ullo omnino pabulo, saepe interim eodem spargendo in distante loco; cum ita per duode¬ cim horas famelicum satis irritatum crederem, curavi uno mo¬ mento aperiri caveam, ex qua avidum escam accipiendi, celeri¬ terque ad hanc accurentem excepi cultro rasorio bene firmato et optime scindente ita, ut uno ictu caput a collo descinderem; quid fit? animal impetu incitatum absque capite eadem celeri¬ tate percurrit spatium per rectam lineam viginti et trium pedum circiter rhenolandiacorum, et credo ulterius cucurisset, nisi in obstaculum irruisset, unde lapsum diutissime convellebatur alas, pedesque movens“. (Kaau Boerhaave, Impetum faciens. p.262.)
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Worte, die Erscheinung macht den Eindruck des tiefsten
Schmerzes in dem leidenden Menschen oder Thiere. Wer ein¬
mal diese Bewegungen bei einer unverletzten Salamandra ma¬
culata, die man dem Schmerze des Feuers aussetzt, gesehen
hat und dieselben Bewegungen sodann auch bei der enthaup¬
teten oder blossen Rumpfstücken unter denselben Verhältnissen
in ganz derselben Weise eintreten sieht, dem möchte es doch
in der That ungemein schwierig sein, sich selbst einreden zu
wollen, dass er eine nicht empfindende Masse vor sich sehe.
Dass ich hier ohne Vorurtheil rede, dürfte ein Ausspruch be¬
zeugen, den selbst Grainger gethan hat, obgleich seine An¬
sicht fast noch über die von Marshall Hall hinausgeht, indem
er sagt, „dass jene Bewegungen des Beckens und Schwanzes
in der That das Ansehen haben, als wänden sich die Theile
unter heftigem Schmerze“. (Grainger, On the structure and
functions of the spinal cord. p. 57.)
Die bisher betrachteten Phänomene Enthaupteter sind in¬
dessen nicht allein an Fischen und Amphibien, sondern ebenso,
wenn auch in weniger auffallender Weise, bei Vögeln und
Säugethieren, ja selbst beim Menschen beobachtet.
Nach den Berichten verschiedener Beobachter sollen Vögel
nach der Enthauptung noch geflogen sein. K. Boerhaave
erzählt eine interessante hierher bezügliche Thatsache:
„Toto prius collo galli junioris robusti a capite ad truncum
deplumato, inclusi illum caveae sine ullo omnino pabulo, saepe
interim eodem spargendo in distante loco; cum ita per duode¬
cim horas famelicum satis irritatum crederem, curavi uno mo¬
mento aperiri caveam, ex qua avidum escam accipiendi, celeri¬
terque ad hanc accurentem excepi cultro rasorio bene firmato
et optime scindente ita, ut uno ictu caput a collo descinderem;
quid fit? animal impetu incitatum absque capite eadem celeri¬
tate percurrit spatium per rectam lineam viginti et trium pedum
circiter rhenolandiacorum, et credo ulterius cucurisset, nisi in
obstaculum irruisset, unde lapsum diutissime convellebatur alas,
pedesque movens“. (Kaau Boerhaave, Impetum faciens. p.262.)
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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/47>, abgerufen am 16.07.2024.
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