Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.An dem Ufer des Ganges erwartete uns ein herrlich geschmücktes Boot, am jenseitigen Ufer ein Palankin. Bald befanden wir uns am Eingange des Palastes, dessen Thorweg hoch und majestätisch ist. Ich hoffte im Innern durch den Anblick großer Höfe, schöner Bauten überrascht zu werden, sah aber nur unregelmäßige Höfe und kleine unsymmetrische Gebäude ohne allen Geschmack und Luxus. In einem der Höfe befand sich zu ebener Erde eine einfache Säulenhalle, welche als Empfangssaal diente. Diese Halle war mit europäischen Möbeln, mit Glaslustres und Lampen ganz überfüllt, an den Wänden hingen erbärmliche Bildchen in Glas und Rahmen. Im Hofe wimmelte es von Dienerschaft, die uns mit großer Aufmerksamkeit betrachtete. Nun erschien der Prinz in Begleitung seines Bruders, einiger Gesellschafter und Diener; letztere waren von den Gesellschaftern kaum zu unterscheiden. Die beiden Prinzen waren sehr reich gekleidet: sie hatten weite Hosen, lange Unter- und kurze Ober-Kleider, alles von golddurchwirktem Atlas. Der Aeltere (35 Jahre alt) trug ein golddurchwirktes Seidenkäppchen, dessen Rand mit Diamanten besetzt war, an den Fingern hatte er einige große Brillant-Ringe, seine seidenen Schuhe waren mit schönen Goldstickereien überdeckt. Sein Bruder ein Jüngling von neunzehn Jahren, den er an Kindesstatt angenommen hatte *), trug einen weißen Turban mit, *) Wenn einem Hindu kein Knabe geboren wird, nimmt er einen aus der Verwandtschaft an Kindesstatt an, damit dieser bei dem Leichenbegängnisse des Adoptiv-Vaters die Pflichten eines Sohnes erfüllt.
An dem Ufer des Ganges erwartete uns ein herrlich geschmücktes Boot, am jenseitigen Ufer ein Palankin. Bald befanden wir uns am Eingange des Palastes, dessen Thorweg hoch und majestätisch ist. Ich hoffte im Innern durch den Anblick großer Höfe, schöner Bauten überrascht zu werden, sah aber nur unregelmäßige Höfe und kleine unsymmetrische Gebäude ohne allen Geschmack und Luxus. In einem der Höfe befand sich zu ebener Erde eine einfache Säulenhalle, welche als Empfangssaal diente. Diese Halle war mit europäischen Möbeln, mit Glaslustres und Lampen ganz überfüllt, an den Wänden hingen erbärmliche Bildchen in Glas und Rahmen. Im Hofe wimmelte es von Dienerschaft, die uns mit großer Aufmerksamkeit betrachtete. Nun erschien der Prinz in Begleitung seines Bruders, einiger Gesellschafter und Diener; letztere waren von den Gesellschaftern kaum zu unterscheiden. Die beiden Prinzen waren sehr reich gekleidet: sie hatten weite Hosen, lange Unter- und kurze Ober-Kleider, alles von golddurchwirktem Atlas. Der Aeltere (35 Jahre alt) trug ein golddurchwirktes Seidenkäppchen, dessen Rand mit Diamanten besetzt war, an den Fingern hatte er einige große Brillant-Ringe, seine seidenen Schuhe waren mit schönen Goldstickereien überdeckt. Sein Bruder ein Jüngling von neunzehn Jahren, den er an Kindesstatt angenommen hatte *), trug einen weißen Turban mit, *) Wenn einem Hindu kein Knabe geboren wird, nimmt er einen aus der Verwandtschaft an Kindesstatt an, damit dieser bei dem Leichenbegängnisse des Adoptiv-Vaters die Pflichten eines Sohnes erfüllt.
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An dem Ufer des Ganges erwartete uns ein herrlich geschmücktes Boot, am jenseitigen Ufer ein Palankin. Bald befanden wir uns am Eingange des Palastes, dessen Thorweg hoch und majestätisch ist. Ich hoffte im Innern durch den Anblick großer Höfe, schöner Bauten überrascht zu werden, sah aber nur unregelmäßige Höfe und kleine unsymmetrische Gebäude ohne allen Geschmack und Luxus. In einem der Höfe befand sich zu ebener Erde eine einfache Säulenhalle, welche als Empfangssaal diente. Diese Halle war mit europäischen Möbeln, mit Glaslustres und Lampen ganz überfüllt, an den Wänden hingen erbärmliche Bildchen in Glas und Rahmen. Im Hofe wimmelte es von Dienerschaft, die uns mit großer Aufmerksamkeit betrachtete. Nun erschien der Prinz in Begleitung seines Bruders, einiger Gesellschafter und Diener; letztere waren von den Gesellschaftern kaum zu unterscheiden.
Die beiden Prinzen waren sehr reich gekleidet: sie hatten weite Hosen, lange Unter- und kurze Ober-Kleider, alles von golddurchwirktem Atlas. Der Aeltere (35 Jahre alt) trug ein golddurchwirktes Seidenkäppchen, dessen Rand mit Diamanten besetzt war, an den Fingern hatte er einige große Brillant-Ringe, seine seidenen Schuhe waren mit schönen Goldstickereien überdeckt. Sein Bruder ein Jüngling von neunzehn Jahren, den er an Kindesstatt angenommen hatte *), trug einen weißen Turban mit,
*) Wenn einem Hindu kein Knabe geboren wird, nimmt er einen aus der Verwandtschaft an Kindesstatt an, damit dieser bei dem Leichenbegängnisse des Adoptiv-Vaters die Pflichten eines Sohnes erfüllt.
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/184>, abgerufen am 16.07.2024. |