Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850.Zu meinem Erstaunen vernahm ich von meinem Führer, daß unser heutiges Nachtquartier schon ganz nahe sei. Wir hatten kaum 5 Leguas zurückgelegt; doch sollte nach seiner Behauptung eine weitere Venda, wo wir über Nacht bleiben könnten, gar zu entfernt sein. In der Folge sah ich wohl, daß es ihm nur um die Verlängerung der Reise zu thun war, die ihm ein hübsches Geld einbrachte, da er, außer sehr guter Kost und Futter für die beiden Maulthiere, täglich vier Milreis bekam. Wir blieben also in einer einzeln liegenden Venda, mitten im dichten Walde, bei Herrn Molaß über Nacht. Von der Hitze hatten wir unter Tages sehr viel gelitten -- der Thermometer wies in der Sonne auf 39 Grade. Was einem Reisenden an den Kolonisten und Bewohnern Brasiliens am meisten auffallen muß, sind die Kontraste von Furcht und Muth. Einerseits ist Jedermann, den man auf der Straße sieht, mit Pistolen und langen Messern bewaffnet, als wäre das ganze Land voll Räuber und Mörder, -- andrerseits hausen die Plantagen-Besitzer sorglos ganz allein in Mitte ihrer Masse von Sclaven, und der Reisende übernachtet furchtlos mitten in den undurchdringlichsten Waldungen in einsamen Venden, die weder Gitter vor den Fenstern, noch feste Thüren mit guten Schlössern besitzen. Das Wohnzimmer der Eigenthümer ist noch überdieß von den Gastzimmern weit getrennt und abseit gelegen, und von den Hausleuten (lauter Sclaven) könnte man schon gar keine Hilfe erlangen, da sie in irgend einer Ecke des Stalles oder der Scheuer wohnen. Anfangs bangte mir sehr, so umgeben Zu meinem Erstaunen vernahm ich von meinem Führer, daß unser heutiges Nachtquartier schon ganz nahe sei. Wir hatten kaum 5 Leguas zurückgelegt; doch sollte nach seiner Behauptung eine weitere Venda, wo wir über Nacht bleiben könnten, gar zu entfernt sein. In der Folge sah ich wohl, daß es ihm nur um die Verlängerung der Reise zu thun war, die ihm ein hübsches Geld einbrachte, da er, außer sehr guter Kost und Futter für die beiden Maulthiere, täglich vier Milreis bekam. Wir blieben also in einer einzeln liegenden Venda, mitten im dichten Walde, bei Herrn Molaß über Nacht. Von der Hitze hatten wir unter Tages sehr viel gelitten — der Thermometer wies in der Sonne auf 39 Grade. Was einem Reisenden an den Kolonisten und Bewohnern Brasiliens am meisten auffallen muß, sind die Kontraste von Furcht und Muth. Einerseits ist Jedermann, den man auf der Straße sieht, mit Pistolen und langen Messern bewaffnet, als wäre das ganze Land voll Räuber und Mörder, — andrerseits hausen die Plantagen-Besitzer sorglos ganz allein in Mitte ihrer Masse von Sclaven, und der Reisende übernachtet furchtlos mitten in den undurchdringlichsten Waldungen in einsamen Venden, die weder Gitter vor den Fenstern, noch feste Thüren mit guten Schlössern besitzen. Das Wohnzimmer der Eigenthümer ist noch überdieß von den Gastzimmern weit getrennt und abseit gelegen, und von den Hausleuten (lauter Sclaven) könnte man schon gar keine Hilfe erlangen, da sie in irgend einer Ecke des Stalles oder der Scheuer wohnen. Anfangs bangte mir sehr, so umgeben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0092" n="85"/> <p> Zu meinem Erstaunen vernahm ich von meinem Führer, daß unser heutiges Nachtquartier schon ganz nahe sei. Wir hatten kaum 5 Leguas zurückgelegt; doch sollte nach seiner Behauptung eine weitere Venda, wo wir über Nacht bleiben könnten, gar zu entfernt sein. In der Folge sah ich wohl, daß es ihm nur um die Verlängerung der Reise zu thun war, die ihm ein hübsches Geld einbrachte, da er, außer sehr guter Kost und Futter für die beiden Maulthiere, täglich vier Milreis bekam.</p> <p> Wir blieben also in einer einzeln liegenden Venda, mitten im dichten Walde, bei Herrn Molaß über Nacht.</p> <p> Von der Hitze hatten wir unter Tages sehr viel gelitten — der Thermometer wies in der Sonne auf 39 Grade.</p> <p> Was einem Reisenden an den Kolonisten und Bewohnern Brasiliens am meisten auffallen muß, sind die Kontraste von Furcht und Muth. Einerseits ist Jedermann, den man auf der Straße sieht, mit Pistolen und langen Messern bewaffnet, als wäre das ganze Land voll Räuber und Mörder, — andrerseits hausen die Plantagen-Besitzer sorglos ganz allein in Mitte ihrer Masse von Sclaven, und der Reisende übernachtet furchtlos mitten in den undurchdringlichsten Waldungen in einsamen Venden, die weder Gitter vor den Fenstern, noch feste Thüren mit guten Schlössern besitzen. Das Wohnzimmer der Eigenthümer ist noch überdieß von den Gastzimmern weit getrennt und abseit gelegen, und von den Hausleuten (lauter Sclaven) könnte man schon gar keine Hilfe erlangen, da sie in irgend einer Ecke des Stalles oder der Scheuer wohnen. Anfangs bangte mir sehr, so umgeben </p> </div> </body> </text> </TEI> [85/0092]
Zu meinem Erstaunen vernahm ich von meinem Führer, daß unser heutiges Nachtquartier schon ganz nahe sei. Wir hatten kaum 5 Leguas zurückgelegt; doch sollte nach seiner Behauptung eine weitere Venda, wo wir über Nacht bleiben könnten, gar zu entfernt sein. In der Folge sah ich wohl, daß es ihm nur um die Verlängerung der Reise zu thun war, die ihm ein hübsches Geld einbrachte, da er, außer sehr guter Kost und Futter für die beiden Maulthiere, täglich vier Milreis bekam.
Wir blieben also in einer einzeln liegenden Venda, mitten im dichten Walde, bei Herrn Molaß über Nacht.
Von der Hitze hatten wir unter Tages sehr viel gelitten — der Thermometer wies in der Sonne auf 39 Grade.
Was einem Reisenden an den Kolonisten und Bewohnern Brasiliens am meisten auffallen muß, sind die Kontraste von Furcht und Muth. Einerseits ist Jedermann, den man auf der Straße sieht, mit Pistolen und langen Messern bewaffnet, als wäre das ganze Land voll Räuber und Mörder, — andrerseits hausen die Plantagen-Besitzer sorglos ganz allein in Mitte ihrer Masse von Sclaven, und der Reisende übernachtet furchtlos mitten in den undurchdringlichsten Waldungen in einsamen Venden, die weder Gitter vor den Fenstern, noch feste Thüren mit guten Schlössern besitzen. Das Wohnzimmer der Eigenthümer ist noch überdieß von den Gastzimmern weit getrennt und abseit gelegen, und von den Hausleuten (lauter Sclaven) könnte man schon gar keine Hilfe erlangen, da sie in irgend einer Ecke des Stalles oder der Scheuer wohnen. Anfangs bangte mir sehr, so umgeben
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850/92>, abgerufen am 03.07.2024. |