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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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trotzdem bedeutet der Name als bewußte Synthese, als Prototyp des ppe_482.002
archaischen Epikers eine unauflösbare Einheit. Der Typus hat die ppe_482.003
Individuen verschlungen.

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Aber ist ein Dichter überhaupt als Einzelner zu betrachten? In ppe_482.005
einer neuartige Ausblicke eröffnenden Erörterung literaturwissenschaftlicher ppe_482.006
Aufgaben und Gegenstände ist diese Frage kürzlich verneint ppe_482.007
worden. Der Dichter könne als solcher überhaupt niemals ein ppe_482.008
Einzelner sein, da ja schon seine Sprache allen, an die er sich wendet, ppe_482.009
als ein Gemeingut gehöre. Deshalb könne er auch nicht einem einzelnen ppe_482.010
Vorgänger verpflichtet sein. Der Schweizer Emil Staiger will ppe_482.011
mit dieser Begründung den ärgerlichen Begriff des "Erlernten" aus ppe_482.012
der Schererschen Poetik und aus der Welt schaffen. Die Sprache ist ppe_482.013
dafür allerdings nicht das glücklichste Beispiel, denn gerade sie ist ppe_482.014
zum Erlernten zu rechnen. Erlernt nicht bei einem Einzelnen, sondern ppe_482.015
durch Hineinwachsen in eine Gemeinschaft, die das Sprachvermögen ppe_482.016
unzähliger Vorgänger vermittelt. Selbst der eigene Sprachschöpfungstrieb ppe_482.017
des Kindes wird durch die Gemeinschaft in Familie ppe_482.018
und Schule zunächst reguliert und eingeschränkt, ja oft erstickt, und ppe_482.019
erst in einem weit späteren Lebensalter bricht der eigenwüchsige Charakter ppe_482.020
wieder durch. Er ist dabei oftmals entbunden durch einen einzelnen ppe_482.021
Vorgänger, dessen Richtung eingeschlagen wird, vielleicht ppe_482.022
nur vorübergehend, solange das Erlebnis dieser Erscheinung einen ppe_482.023
mächtigen Einfluß ausübt, oder dauernd, wenn in dem Vorgänger ein ppe_482.024
innerlich verwandter Typus angetroffen wurde. Wenn das Erlernte ppe_482.025
so verstanden wird, dürfte man ihm seinen Anteil, auch wenn er geringer ppe_482.026
wäre als Scherer meinte, nicht streitig machen. Das erkennt ppe_482.027
Staiger auch an, aber er scheut weiter nicht die Paradoxie, daß das ppe_482.028
Frühere erst von der Höhe aus als Vorstufe verständlich werden ppe_482.029
könne. Ohne weiteres mag das für die Sprachgeschichte gelten, da ja ppe_482.030
jede Etymologie eine Frage nach den Vorstufen ist, um aus ihnen ppe_482.031
den gegenwärtigen Wortsinn zu erklären. Auch für die Literaturgeschichte ppe_482.032
ist es keine ganz neue Fragestellung, bezeichnete doch ppe_482.033
schon vor vielen Jahren in Vorahnung volksbiologisch-organischer ppe_482.034
Literaturbetrachtung Wilhelm v. Scholz die Erscheinung Johann ppe_482.035
Christian Günthers als ersten Versuch der Natur, einen Goethe hervorzubringen.

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Ebenso dürfte Immanuel Pyra als verfrühter Versuch, Klopstock ppe_482.038
hervorzubringen, aufgefaßt werden oder Johann Elias Schlegel als ppe_482.039
erster Anlauf des meißnischen Stammes, schon in der vorausgehenden ppe_482.040
Generation zu einem Lessing zu gelangen. Lessing selbst hat sich in ppe_482.041
der "Hamburgischen Dramaturgie" auf die Übereinstimmung berufen,

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archaischen Epikers eine unauflösbare Einheit. Der Typus hat die ppe_482.003
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Christian Günthers als ersten Versuch der Natur, einen Goethe hervorzubringen.

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[482/0506] ppe_482.001 trotzdem bedeutet der Name als bewußte Synthese, als Prototyp des ppe_482.002 archaischen Epikers eine unauflösbare Einheit. Der Typus hat die ppe_482.003 Individuen verschlungen. ppe_482.004 Aber ist ein Dichter überhaupt als Einzelner zu betrachten? In ppe_482.005 einer neuartige Ausblicke eröffnenden Erörterung literaturwissenschaftlicher ppe_482.006 Aufgaben und Gegenstände ist diese Frage kürzlich verneint ppe_482.007 worden. Der Dichter könne als solcher überhaupt niemals ein ppe_482.008 Einzelner sein, da ja schon seine Sprache allen, an die er sich wendet, ppe_482.009 als ein Gemeingut gehöre. Deshalb könne er auch nicht einem einzelnen ppe_482.010 Vorgänger verpflichtet sein. Der Schweizer Emil Staiger will ppe_482.011 mit dieser Begründung den ärgerlichen Begriff des „Erlernten“ aus ppe_482.012 der Schererschen Poetik und aus der Welt schaffen. Die Sprache ist ppe_482.013 dafür allerdings nicht das glücklichste Beispiel, denn gerade sie ist ppe_482.014 zum Erlernten zu rechnen. Erlernt nicht bei einem Einzelnen, sondern ppe_482.015 durch Hineinwachsen in eine Gemeinschaft, die das Sprachvermögen ppe_482.016 unzähliger Vorgänger vermittelt. Selbst der eigene Sprachschöpfungstrieb ppe_482.017 des Kindes wird durch die Gemeinschaft in Familie ppe_482.018 und Schule zunächst reguliert und eingeschränkt, ja oft erstickt, und ppe_482.019 erst in einem weit späteren Lebensalter bricht der eigenwüchsige Charakter ppe_482.020 wieder durch. Er ist dabei oftmals entbunden durch einen einzelnen ppe_482.021 Vorgänger, dessen Richtung eingeschlagen wird, vielleicht ppe_482.022 nur vorübergehend, solange das Erlebnis dieser Erscheinung einen ppe_482.023 mächtigen Einfluß ausübt, oder dauernd, wenn in dem Vorgänger ein ppe_482.024 innerlich verwandter Typus angetroffen wurde. Wenn das Erlernte ppe_482.025 so verstanden wird, dürfte man ihm seinen Anteil, auch wenn er geringer ppe_482.026 wäre als Scherer meinte, nicht streitig machen. Das erkennt ppe_482.027 Staiger auch an, aber er scheut weiter nicht die Paradoxie, daß das ppe_482.028 Frühere erst von der Höhe aus als Vorstufe verständlich werden ppe_482.029 könne. Ohne weiteres mag das für die Sprachgeschichte gelten, da ja ppe_482.030 jede Etymologie eine Frage nach den Vorstufen ist, um aus ihnen ppe_482.031 den gegenwärtigen Wortsinn zu erklären. Auch für die Literaturgeschichte ppe_482.032 ist es keine ganz neue Fragestellung, bezeichnete doch ppe_482.033 schon vor vielen Jahren in Vorahnung volksbiologisch-organischer ppe_482.034 Literaturbetrachtung Wilhelm v. Scholz die Erscheinung Johann ppe_482.035 Christian Günthers als ersten Versuch der Natur, einen Goethe hervorzubringen. ppe_482.036 ppe_482.037 Ebenso dürfte Immanuel Pyra als verfrühter Versuch, Klopstock ppe_482.038 hervorzubringen, aufgefaßt werden oder Johann Elias Schlegel als ppe_482.039 erster Anlauf des meißnischen Stammes, schon in der vorausgehenden ppe_482.040 Generation zu einem Lessing zu gelangen. Lessing selbst hat sich in ppe_482.041 der „Hamburgischen Dramaturgie“ auf die Übereinstimmung berufen,

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/506>, abgerufen am 22.11.2024.