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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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4. Glaube

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"Das letzte der Persönlichkeit ist immer ein Glauben; aus ihm fließt ppe_452.003
jede ihrer Äußerungen." Mit diesen Worten begründete Paul Ernst ppe_452.004
den Titel "Ein Credo" für die Sammlung seiner Bekenntnisse. Die ppe_452.005
Daseinsganzheit des Dichters, die sich als seine Existenz offenbart, ppe_452.006
hat ihren Kern im Glauben an sich selbst, in dem das Verhältnis des ppe_452.007
Ich zu Gott und Welt eingeschlossen ist. Rilke in den "Geschichten ppe_452.008
vom lieben Gott" und im Drama "Das tägliche Leben" hat die Auffassung, ppe_452.009
daß hinter allem Dichten eigentlich ein einziger großer ppe_452.010
Dichter sei -- Gott. Jedes Heraustreten der Persönlichkeit ist bestimmt ppe_452.011
durch die Stellung zum Universum und vereint Selbstbewußtsein ppe_452.012
mit demütiger Einordnung in das Ganze. Diese Haltung gelangt ppe_452.013
aber erst auf Grund innerer Erfahrung und als Ertrag eines Lebens ppe_452.014
zu entwicklungsgeschichtlicher Ausprägung.

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a) Echtheit

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Die religiöse Verfassung des Menschen ist ein im Erleben entwickeltes ppe_452.017
dispositionelles Erbteil: in rassischen Anlagen sind die Typen des ppe_452.018
immanenten oder transzendenten Mystikers, des Ekstatikers, des Quietisten, ppe_452.019
des Fatalisten, des Rationalisten, des nordischen Gottsuchertums ppe_452.020
und der orientalischen Erlösungssehnsucht begründet, und aus ppe_452.021
der Seelenstruktur der Rassen und Völker sind die Glaubenslehren ppe_452.022
hervorgegangen, deren Tradition die religiöse Seelenstruktur des Einzelnen ppe_452.023
in ihrem Werden formen hilft. Während das Eigengesetz des ppe_452.024
Charakters auch ohne bewußte Erziehung sich aus angeborener Anlage ppe_452.025
herausbilden könnte, bedarf der Glaube bestimmter Vorstellungsformen, ppe_452.026
zu denen nur Gemeinschaft und Erziehung hinführen. Jede ppe_452.027
Untersuchung und Darstellung einer religiösen Existenz wird daher ppe_452.028
die Umwelt der Kindheit und Jugend, die Glaubenshaltung der Eltern, ppe_452.029
den Geist der Schule, die maßgebenden Einflüsse bestimmender Persönlichkeiten, ppe_452.030
die Autorität der Kirche und die Vermittlung ihrer damals ppe_452.031
geltenden Lehre in Betracht ziehen müssen. Man wird bei ppe_452.032
Luther den Geist der Eisenacher Schule und den des Augustiner- ppe_452.033
Ordens, bei Wieland wie bei Schleiermacher und Hardenberg die ppe_452.034
pietistische Atmosphäre ihrer Jugendbildung, bei Adalbert Stifter die ppe_452.035
der Klosterschule, bei Annette v. Droste-Hülshoff das theologische ppe_452.036
Gesamtbild des damaligen Katholizismus heranziehen müssen, um ppe_452.037
den Unterbau der Glaubensanschauungen zu finden, der auch bei späteren ppe_452.038
Wandlungen oft noch in untilgbaren Spuren sichtbar bleibt. ppe_452.039
Von einer Echtheit des Glaubensbekenntnisses kann indessen erst

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Luther den Geist der Eisenacher Schule und den des Augustiner- ppe_452.033
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/476>, abgerufen am 22.11.2024.