ppe_423.001 und Ausführung fallen dann zusammen, indem das Bewußtsein ppe_423.002 ohne Reflexion die aus dem Unterbewußtsein auftauchenden Gaben ppe_423.003 entgegennimmt.
ppe_423.004 Ein Ringen zwischen Unbewußtem und Bewußtem, das zueinander ppe_423.005 nicht finden kann, geht der zweiten Stufe der fieberhaften, schmerzvollen, ppe_423.006 chaotischen Konzeption voraus. Einzelne Momente des werdenden ppe_423.007 Werkes stellen sich der Phantasie bereits in visionärer Deutlichkeit ppe_423.008 dar, ohne daß ein planmäßiger Zusammenhang zwischen ppe_423.009 ihnen zustande käme. In dieser Weise glaubten die Stürmer und ppe_423.010 Dränger das Schaffen des Naturgenies Shakespeare als schöne Raritäten ppe_423.011 auf dem Jahrmarkt des Lebens zu verstehen, als eine Reihe von ppe_423.012 Guckkastenbildern, wie Goethes Rede zum Shakespearetag ausmalt: ppe_423.013 "Seine Plane sind, nach dem gemeinen Stil zu reden, keine Plane, ppe_423.014 aber seine Stücke drehen sich alle um den geheimen Punkt (den noch ppe_423.015 kein Philosoph gesehen und bestimmt hat), in dem das Eigentümliche ppe_423.016 unseres Ichs, die prätendierte Freiheit unseres Wollens mit dem ppe_423.017 notwendigen Gang des Ganzen zusammenstößt."
ppe_423.018 Der junge Goethe charakterisiert damit seine eigene Schaffensweise, ppe_423.019 die in der dramatisierten "Geschichte Gottfriedens v. Berlichingen" ppe_423.020 abgerissene Einzelauftritte locker aneinanderfädelte, so ppe_423.021 wie sie den Anfang des "Ewigen Juden" als "ersten Fetzen" hinwarf ppe_423.022 und auch die Szenen des "Urfaust" nicht nach ihrer inneren Folge ppe_423.023 ausarbeitete. Ein Besucher Frankfurts, dem das Genie in das Werden ppe_423.024 seiner gewaltigsten Dichtung Einblick gewährte, bekam kein zusammenhängendes ppe_423.025 Manuskript zu sehen, geschweige denn einen aufgezeichneten ppe_423.026 Plan, sondern beobachtete nur, wie der Dichter aus ppe_423.027 einem Papiersack lauter einzelne Blätter, Zettel und Schnitzel ausstreute, ppe_423.028 aus denen er vorlas. Das auf Postpapier geschriebene Manuskript, ppe_423.029 das 1775 nach Weimar mitgebracht wurde und dem Inhalt ppe_423.030 nach durch die Abschrift des Fräulein v. Göchhausen bekannt ist, ppe_423.031 stellt also gar nicht den eigentlichen "Urfaust" dar. Den wirklichen ppe_423.032 Urzustand versuchte Gustav Roethes überscharfsinnige Untersuchung ppe_423.033 durch Auflösung in lauter Fetzen zu gewinnen, die er nach Form- ppe_423.034 und Stilkriterien datierte und innerhalb von drei Schaffensperioden ppe_423.035 unterbrachte. Die naturalistische Prosa sollte vorangehen. In Widerspruch ppe_423.036 dazu meinte Schuchardt die ältesten Knittelvers-Partien der ppe_423.037 akademischen Satire bereits in die Leipziger Zeit versetzen zu dürfen.
ppe_423.038 Goethe selbst glaubte kurz vor seinem Tode sich zu erinnern, daß ppe_423.039 die Konzeption "jugendlich" (d. h. in himmelstürmender Improvisation) ppe_423.040 und "von vorne herein klar, die ganze Reihenfolge hin weniger ppe_423.041 ausführlich vorlag". Es scheint demnach, daß er zunächst nur die
ppe_423.001 und Ausführung fallen dann zusammen, indem das Bewußtsein ppe_423.002 ohne Reflexion die aus dem Unterbewußtsein auftauchenden Gaben ppe_423.003 entgegennimmt.
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ppe_423.018 Der junge Goethe charakterisiert damit seine eigene Schaffensweise, ppe_423.019 die in der dramatisierten „Geschichte Gottfriedens v. Berlichingen“ ppe_423.020 abgerissene Einzelauftritte locker aneinanderfädelte, so ppe_423.021 wie sie den Anfang des „Ewigen Juden“ als „ersten Fetzen“ hinwarf ppe_423.022 und auch die Szenen des „Urfaust“ nicht nach ihrer inneren Folge ppe_423.023 ausarbeitete. Ein Besucher Frankfurts, dem das Genie in das Werden ppe_423.024 seiner gewaltigsten Dichtung Einblick gewährte, bekam kein zusammenhängendes ppe_423.025 Manuskript zu sehen, geschweige denn einen aufgezeichneten ppe_423.026 Plan, sondern beobachtete nur, wie der Dichter aus ppe_423.027 einem Papiersack lauter einzelne Blätter, Zettel und Schnitzel ausstreute, ppe_423.028 aus denen er vorlas. Das auf Postpapier geschriebene Manuskript, ppe_423.029 das 1775 nach Weimar mitgebracht wurde und dem Inhalt ppe_423.030 nach durch die Abschrift des Fräulein v. Göchhausen bekannt ist, ppe_423.031 stellt also gar nicht den eigentlichen „Urfaust“ dar. Den wirklichen ppe_423.032 Urzustand versuchte Gustav Roethes überscharfsinnige Untersuchung ppe_423.033 durch Auflösung in lauter Fetzen zu gewinnen, die er nach Form- ppe_423.034 und Stilkriterien datierte und innerhalb von drei Schaffensperioden ppe_423.035 unterbrachte. Die naturalistische Prosa sollte vorangehen. In Widerspruch ppe_423.036 dazu meinte Schuchardt die ältesten Knittelvers-Partien der ppe_423.037 akademischen Satire bereits in die Leipziger Zeit versetzen zu dürfen.
ppe_423.038 Goethe selbst glaubte kurz vor seinem Tode sich zu erinnern, daß ppe_423.039 die Konzeption „jugendlich“ (d. h. in himmelstürmender Improvisation) ppe_423.040 und „von vorne herein klar, die ganze Reihenfolge hin weniger ppe_423.041 ausführlich vorlag“. Es scheint demnach, daß er zunächst nur die
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/447>, abgerufen am 22.11.2024.
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