Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

Bild:
<< vorherige Seite

ppe_336.001
gewesen zu sein. Bei Grimmelshausens Schriften, namentlich ppe_336.002
dem Satyrischen Pilgram, dem Simplizissimus und dem Ewigwährenden ppe_336.003
Kalender, staunt man über die ausgebreitete Gelehrsamkeit und den ppe_336.004
Reichtum an Lesefrüchten, Zitaten und Anspielungen, deren Häufung ppe_336.005
ein Stilmittel des Humoristen ist. Das Rätsel klärt sich auf, indem genau ppe_336.006
dieselben Zusammenstellungen in Kompendien, wie dem "Allgemeinen ppe_336.007
Schauplatz" (Piazza Universale) des Thomas Garzoni zu finden ppe_336.008
sind. Obwohl sich die Benutzung dieses Buches durch Grimmelshausens ppe_336.009
ganze Schriftstellerei hinzieht, ist doch nicht anzunehmen, ppe_336.010
daß er es selbst besaß. Die Zitate sind aufgeteilt auf verschiedene ppe_336.011
Werke, ohne daß jemals dieselbe Stelle wiederholt würde; es ist deshalb ppe_336.012
zu vermuten, daß der Offenburger Regimentsschreiber in den ppe_336.013
Anfängen seiner Selbstbildung das Wissensmagazin, dessen erste deutsche ppe_336.014
Übersetzung 1619 erschienen war, exzerpierte und daß er aus ppe_336.015
dem Zettelkasten seine spätere Schriftstellerei speiste. Die unpersönlichen ppe_336.016
Zusammenstellungen des Italieners haben ihm den Eintritt in ppe_336.017
die literarische Welt eröffnet, und sind für ihn offenbar zu einem entscheidenden ppe_336.018
Bildungserlebnis geworden.

ppe_336.001
gewesen zu sein. Bei Grimmelshausens Schriften, namentlich ppe_336.002
dem Satyrischen Pilgram, dem Simplizissimus und dem Ewigwährenden ppe_336.003
Kalender, staunt man über die ausgebreitete Gelehrsamkeit und den ppe_336.004
Reichtum an Lesefrüchten, Zitaten und Anspielungen, deren Häufung ppe_336.005
ein Stilmittel des Humoristen ist. Das Rätsel klärt sich auf, indem genau ppe_336.006
dieselben Zusammenstellungen in Kompendien, wie dem „Allgemeinen ppe_336.007
Schauplatz“ (Piazza Universale) des Thomas Garzoni zu finden ppe_336.008
sind. Obwohl sich die Benutzung dieses Buches durch Grimmelshausens ppe_336.009
ganze Schriftstellerei hinzieht, ist doch nicht anzunehmen, ppe_336.010
daß er es selbst besaß. Die Zitate sind aufgeteilt auf verschiedene ppe_336.011
Werke, ohne daß jemals dieselbe Stelle wiederholt würde; es ist deshalb ppe_336.012
zu vermuten, daß der Offenburger Regimentsschreiber in den ppe_336.013
Anfängen seiner Selbstbildung das Wissensmagazin, dessen erste deutsche ppe_336.014
Übersetzung 1619 erschienen war, exzerpierte und daß er aus ppe_336.015
dem Zettelkasten seine spätere Schriftstellerei speiste. Die unpersönlichen ppe_336.016
Zusammenstellungen des Italieners haben ihm den Eintritt in ppe_336.017
die literarische Welt eröffnet, und sind für ihn offenbar zu einem entscheidenden ppe_336.018
Bildungserlebnis geworden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0360" n="336"/><lb n="ppe_336.001"/>
gewesen zu sein. Bei Grimmelshausens Schriften, namentlich <lb n="ppe_336.002"/>
dem Satyrischen Pilgram, dem Simplizissimus und dem Ewigwährenden <lb n="ppe_336.003"/>
Kalender, staunt man über die ausgebreitete Gelehrsamkeit und den <lb n="ppe_336.004"/>
Reichtum an Lesefrüchten, Zitaten und Anspielungen, deren Häufung <lb n="ppe_336.005"/>
ein Stilmittel des Humoristen ist. Das Rätsel klärt sich auf, indem genau <lb n="ppe_336.006"/>
dieselben Zusammenstellungen in Kompendien, wie dem &#x201E;Allgemeinen <lb n="ppe_336.007"/>
Schauplatz&#x201C; (Piazza Universale) des Thomas Garzoni zu finden <lb n="ppe_336.008"/>
sind. Obwohl sich die Benutzung dieses Buches durch Grimmelshausens <lb n="ppe_336.009"/>
ganze Schriftstellerei hinzieht, ist doch nicht anzunehmen, <lb n="ppe_336.010"/>
daß er es selbst besaß. Die Zitate sind aufgeteilt auf verschiedene <lb n="ppe_336.011"/>
Werke, ohne daß jemals dieselbe Stelle wiederholt würde; es ist deshalb <lb n="ppe_336.012"/>
zu vermuten, daß der Offenburger Regimentsschreiber in den <lb n="ppe_336.013"/>
Anfängen seiner Selbstbildung das Wissensmagazin, dessen erste deutsche <lb n="ppe_336.014"/>
Übersetzung 1619 erschienen war, exzerpierte und daß er aus <lb n="ppe_336.015"/>
dem Zettelkasten seine spätere Schriftstellerei speiste. Die unpersönlichen <lb n="ppe_336.016"/>
Zusammenstellungen des Italieners haben ihm den Eintritt in <lb n="ppe_336.017"/>
die literarische Welt eröffnet, und sind für ihn offenbar zu einem entscheidenden <lb n="ppe_336.018"/>
Bildungserlebnis geworden.</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0360] ppe_336.001 gewesen zu sein. Bei Grimmelshausens Schriften, namentlich ppe_336.002 dem Satyrischen Pilgram, dem Simplizissimus und dem Ewigwährenden ppe_336.003 Kalender, staunt man über die ausgebreitete Gelehrsamkeit und den ppe_336.004 Reichtum an Lesefrüchten, Zitaten und Anspielungen, deren Häufung ppe_336.005 ein Stilmittel des Humoristen ist. Das Rätsel klärt sich auf, indem genau ppe_336.006 dieselben Zusammenstellungen in Kompendien, wie dem „Allgemeinen ppe_336.007 Schauplatz“ (Piazza Universale) des Thomas Garzoni zu finden ppe_336.008 sind. Obwohl sich die Benutzung dieses Buches durch Grimmelshausens ppe_336.009 ganze Schriftstellerei hinzieht, ist doch nicht anzunehmen, ppe_336.010 daß er es selbst besaß. Die Zitate sind aufgeteilt auf verschiedene ppe_336.011 Werke, ohne daß jemals dieselbe Stelle wiederholt würde; es ist deshalb ppe_336.012 zu vermuten, daß der Offenburger Regimentsschreiber in den ppe_336.013 Anfängen seiner Selbstbildung das Wissensmagazin, dessen erste deutsche ppe_336.014 Übersetzung 1619 erschienen war, exzerpierte und daß er aus ppe_336.015 dem Zettelkasten seine spätere Schriftstellerei speiste. Die unpersönlichen ppe_336.016 Zusammenstellungen des Italieners haben ihm den Eintritt in ppe_336.017 die literarische Welt eröffnet, und sind für ihn offenbar zu einem entscheidenden ppe_336.018 Bildungserlebnis geworden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/360
Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/360>, abgerufen am 18.05.2024.