ppe_335.001 hervor, daß die "Zerstörung Jerusalems", von der wir als letztem ppe_335.002 dramatischen Plan hören, ihn länger beschäftigt hat, als man bisher ppe_335.003 annahm.
ppe_335.004 Bücherentleihungen sind kein Beweis für großen und anhaltenden ppe_335.005 Einfluß. Vielmehr haben wir Werke, die dauernde Wirkung ausübten, ppe_335.006 eher im eigenen Besitz des Dichters zu vermuten. Auch hier fehlt es ppe_335.007 nicht an Orientierung. Wir kennen die beachtenswerten Bücherbestände ppe_335.008 des Hans Sachs, über die er selbst Buch führte; sie umfassen die meisten ppe_335.009 deutschen Übersetzungen antiker Schriftsteller, die damals vorhanden ppe_335.010 waren; Dares Phrygius, Herodot, Justinus, Suetonius und Valerius ppe_335.011 Maximus sind auf dieser Grundlage in 6-12aktigen Tragödien versifiziert ppe_335.012 und dialogisiert worden. Außerdem hat der Nürnberger Schuhmacher ppe_335.013 lateinische Texte, die in keiner deutschen Übersetzung vorlagen, ppe_335.014 wie Reuchlins "Henno", bearbeitet und, da seine eigenen Sprachkenntnisse ppe_335.015 dazu nicht ausreichten, muß man annehmen, daß ihm gelehrte ppe_335.016 Hilfeleistung zur Verfügung stand. Ähnlich haben wir uns wohl ppe_335.017 das Verhältnis Wolframs v. Eschenbach zu seinen französischen Quellen ppe_335.018 zu denken.
ppe_335.019 Je näher wir der Neuzeit kommen, desto reicher ist der Einblick ppe_335.020 in das Handwerkszeug der Dichterwerkstatt. In Darmstadt ließ ppe_335.021 Moscherosch, der auf der Reise starb, seine Bücherei und den von ppe_335.022 ihm selbst angefertigten Katalog zurück. In Frankfurt a. M. ist der ppe_335.023 Bestand der Bibliothek von Goethes Vater bekannt, aus der der Knabe ppe_335.024 Wolfgang seine erste Bildung zog, und in Weimar steht sein eigener ppe_335.025 Besitz noch an Ort und Stelle; Goethes Bücher können samt ihren Benutzungsspuren ppe_335.026 im Weimarer Goethehaus eingesehen werden, solange ppe_335.027 die höchst erwünschte Veröffentlichung des Katalogs noch aussteht. ppe_335.028 Auch Schillers Bibliothek, obwohl aufgelöst, ist nach ihren Titeln bekannt. ppe_335.029 Der Buchbesitz der Romantiker Aug. Wilh. Schlegel, Ludwig ppe_335.030 Tieck, Schleiermacher und Brentano wurde für die Versteigerungen, ppe_335.031 die schon bei Lebzeiten oder nach dem Tode stattfanden, verzeichnet. ppe_335.032 Diese Spuren literarischer Umwelt sind nicht nur für einzelne Feststellungen ppe_335.033 brauchbar, sondern als Ganzes ist jede Bibliothek in ihrer ppe_335.034 Zusammensetzung eine charakteristische Abspiegelung der literarischen ppe_335.035 Physiognomie ihres Besitzers.
ppe_335.036 Wenn in älteren Zeiten die Bücherverzeichnisse von Klöstern, Schulen ppe_335.037 und Sammlern nicht selten sind, so fehlen die Angaben der Benutzer. ppe_335.038 Bei einem Dichter wie Shakespeare ist man daher zur ppe_335.039 indirekten Ermittlung seiner Belesenheit aus allen Zitaten und Anspielungen, ppe_335.040 die in seinen Werken zu finden sind, übergegangen. Indessen ppe_335.041 braucht nicht immer das, was ein Schriftsteller zitiert, ihm bekannt
ppe_335.001 hervor, daß die „Zerstörung Jerusalems“, von der wir als letztem ppe_335.002 dramatischen Plan hören, ihn länger beschäftigt hat, als man bisher ppe_335.003 annahm.
ppe_335.004 Bücherentleihungen sind kein Beweis für großen und anhaltenden ppe_335.005 Einfluß. Vielmehr haben wir Werke, die dauernde Wirkung ausübten, ppe_335.006 eher im eigenen Besitz des Dichters zu vermuten. Auch hier fehlt es ppe_335.007 nicht an Orientierung. Wir kennen die beachtenswerten Bücherbestände ppe_335.008 des Hans Sachs, über die er selbst Buch führte; sie umfassen die meisten ppe_335.009 deutschen Übersetzungen antiker Schriftsteller, die damals vorhanden ppe_335.010 waren; Dares Phrygius, Herodot, Justinus, Suetonius und Valerius ppe_335.011 Maximus sind auf dieser Grundlage in 6–12aktigen Tragödien versifiziert ppe_335.012 und dialogisiert worden. Außerdem hat der Nürnberger Schuhmacher ppe_335.013 lateinische Texte, die in keiner deutschen Übersetzung vorlagen, ppe_335.014 wie Reuchlins „Henno“, bearbeitet und, da seine eigenen Sprachkenntnisse ppe_335.015 dazu nicht ausreichten, muß man annehmen, daß ihm gelehrte ppe_335.016 Hilfeleistung zur Verfügung stand. Ähnlich haben wir uns wohl ppe_335.017 das Verhältnis Wolframs v. Eschenbach zu seinen französischen Quellen ppe_335.018 zu denken.
ppe_335.019 Je näher wir der Neuzeit kommen, desto reicher ist der Einblick ppe_335.020 in das Handwerkszeug der Dichterwerkstatt. In Darmstadt ließ ppe_335.021 Moscherosch, der auf der Reise starb, seine Bücherei und den von ppe_335.022 ihm selbst angefertigten Katalog zurück. In Frankfurt a. M. ist der ppe_335.023 Bestand der Bibliothek von Goethes Vater bekannt, aus der der Knabe ppe_335.024 Wolfgang seine erste Bildung zog, und in Weimar steht sein eigener ppe_335.025 Besitz noch an Ort und Stelle; Goethes Bücher können samt ihren Benutzungsspuren ppe_335.026 im Weimarer Goethehaus eingesehen werden, solange ppe_335.027 die höchst erwünschte Veröffentlichung des Katalogs noch aussteht. ppe_335.028 Auch Schillers Bibliothek, obwohl aufgelöst, ist nach ihren Titeln bekannt. ppe_335.029 Der Buchbesitz der Romantiker Aug. Wilh. Schlegel, Ludwig ppe_335.030 Tieck, Schleiermacher und Brentano wurde für die Versteigerungen, ppe_335.031 die schon bei Lebzeiten oder nach dem Tode stattfanden, verzeichnet. ppe_335.032 Diese Spuren literarischer Umwelt sind nicht nur für einzelne Feststellungen ppe_335.033 brauchbar, sondern als Ganzes ist jede Bibliothek in ihrer ppe_335.034 Zusammensetzung eine charakteristische Abspiegelung der literarischen ppe_335.035 Physiognomie ihres Besitzers.
ppe_335.036 Wenn in älteren Zeiten die Bücherverzeichnisse von Klöstern, Schulen ppe_335.037 und Sammlern nicht selten sind, so fehlen die Angaben der Benutzer. ppe_335.038 Bei einem Dichter wie Shakespeare ist man daher zur ppe_335.039 indirekten Ermittlung seiner Belesenheit aus allen Zitaten und Anspielungen, ppe_335.040 die in seinen Werken zu finden sind, übergegangen. Indessen ppe_335.041 braucht nicht immer das, was ein Schriftsteller zitiert, ihm bekannt
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/359>, abgerufen am 23.11.2024.
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