ppe_239.001 wenn am Schluß der "Medea" der ungetreue Jason zur härtesten ppe_239.002 Strafe, zu der des Weiterlebens, verurteilt wird. Die ganzen Fragen ppe_239.003 der tragischen Schuld und der poetischen Gerechtigkeit bedeuten ppe_239.004 weniger ästhetische als weltanschauliche Postulate, bei denen Wirkung ppe_239.005 und Erfolg auch vom Einvernehmen mit den herrschenden Anschauungen ppe_239.006 eines Kulturkreises und eines Zeitalters, eines Volkes und einer ppe_239.007 das Publikum bildenden Gesellschaftsschicht nicht unabhängig sind.
ppe_239.008 b) Problemstellung
ppe_239.009 Der bisherige Weg der Analyse führt bereits an mehreren Stellen ppe_239.010 auf den Begriff des Problems als Kern der Dichtung hin: sowohl bei ppe_239.011 der Fabel und ihren Motiven als bei den Charakteren und ihrer ppe_239.012 Psychologie erwies sich die Problemstellung als das Verbindungsglied ppe_239.013 der Kette, in der diese Elemente mit der das Ganze beherrschenden ppe_239.014 Idee verknüpft sind. Jedes Problem bedeutet eine Fragestellung, die ppe_239.015 in der Idee ihre Beantwortung finden muß, und eine Idee kann ppe_239.016 zur dichterischen Gestaltung gelangen nur in der Lösung von ppe_239.017 Problemen. Wenn der dichterischen Idee selbst eine Polarität zugeschrieben ppe_239.018 wird, wie es durch Ermatinger geschieht, so weist diese ppe_239.019 Spannung entgegengesetzter Begriffe vielmehr auf ein zugrunde ppe_239.020 liegendes Problem, das nach Lösung verlangt, zurück. Wenn andere ppe_239.021 wiederum in Freiheit und Unsterblichkeit keine Ideen, sondern ppe_239.022 Probleme sehen wollen, so rechtfertigt sich dieser Brauch nur, solange ppe_239.023 Antithesen wie zwingende Notwendigkeit oder ewiger Tod der ppe_239.024 Freiheit und Unsterblichkeit gegenüberstehen. Von den Problemen ppe_239.025 gilt, was Jaspers als "antinomische Struktur des Daseins" an den sogenannten ppe_239.026 "Grenzsituationen" aufgezeigt: "In jedem der Fälle: Kampf, ppe_239.027 Tod, Zufall, Schuld liegt eine Antinomie zugrunde. Kampf und gegenseitige ppe_239.028 Hilfe, Leben und Tod, Zufall und Sinn, Schuld und Entsündigungsbewußtsein ppe_239.029 sind aneinander gebunden; das eine existiert nicht ppe_239.030 ohne das andere." Immer liegt im Problem ein Entweder-Oder, gleichviel ppe_239.031 ob es sich um Fragen praktischer Lebensgestaltung oder theoretischer ppe_239.032 Erkenntnis, um ethische Grundsätze, Menschendeutung, ppe_239.033 letzte weltanschauliche Entscheidungen oder metaphysische Wahrheiten ppe_239.034 handelt.
ppe_239.035 Die Problemspannung kann das Erlebnis des Dichters gewesen sein, ppe_239.036 von dem die Aneignung des ganzen Stoffes und die ganze Konzeption ppe_239.037 des Werkes ihren Ausgang nahm. Wenn beispielsweise Rousseaus ppe_239.038 Denkwürdigkeiten den Plutarch rühmten, weil er nur große Tugendhafte ppe_239.039 oder erhabene Verbrecher darstellte, und in diesem Zusammenhang
ppe_239.001 wenn am Schluß der „Medea“ der ungetreue Jason zur härtesten ppe_239.002 Strafe, zu der des Weiterlebens, verurteilt wird. Die ganzen Fragen ppe_239.003 der tragischen Schuld und der poetischen Gerechtigkeit bedeuten ppe_239.004 weniger ästhetische als weltanschauliche Postulate, bei denen Wirkung ppe_239.005 und Erfolg auch vom Einvernehmen mit den herrschenden Anschauungen ppe_239.006 eines Kulturkreises und eines Zeitalters, eines Volkes und einer ppe_239.007 das Publikum bildenden Gesellschaftsschicht nicht unabhängig sind.
ppe_239.008 b) Problemstellung
ppe_239.009 Der bisherige Weg der Analyse führt bereits an mehreren Stellen ppe_239.010 auf den Begriff des Problems als Kern der Dichtung hin: sowohl bei ppe_239.011 der Fabel und ihren Motiven als bei den Charakteren und ihrer ppe_239.012 Psychologie erwies sich die Problemstellung als das Verbindungsglied ppe_239.013 der Kette, in der diese Elemente mit der das Ganze beherrschenden ppe_239.014 Idee verknüpft sind. Jedes Problem bedeutet eine Fragestellung, die ppe_239.015 in der Idee ihre Beantwortung finden muß, und eine Idee kann ppe_239.016 zur dichterischen Gestaltung gelangen nur in der Lösung von ppe_239.017 Problemen. Wenn der dichterischen Idee selbst eine Polarität zugeschrieben ppe_239.018 wird, wie es durch Ermatinger geschieht, so weist diese ppe_239.019 Spannung entgegengesetzter Begriffe vielmehr auf ein zugrunde ppe_239.020 liegendes Problem, das nach Lösung verlangt, zurück. Wenn andere ppe_239.021 wiederum in Freiheit und Unsterblichkeit keine Ideen, sondern ppe_239.022 Probleme sehen wollen, so rechtfertigt sich dieser Brauch nur, solange ppe_239.023 Antithesen wie zwingende Notwendigkeit oder ewiger Tod der ppe_239.024 Freiheit und Unsterblichkeit gegenüberstehen. Von den Problemen ppe_239.025 gilt, was Jaspers als „antinomische Struktur des Daseins“ an den sogenannten ppe_239.026 „Grenzsituationen“ aufgezeigt: „In jedem der Fälle: Kampf, ppe_239.027 Tod, Zufall, Schuld liegt eine Antinomie zugrunde. Kampf und gegenseitige ppe_239.028 Hilfe, Leben und Tod, Zufall und Sinn, Schuld und Entsündigungsbewußtsein ppe_239.029 sind aneinander gebunden; das eine existiert nicht ppe_239.030 ohne das andere.“ Immer liegt im Problem ein Entweder-Oder, gleichviel ppe_239.031 ob es sich um Fragen praktischer Lebensgestaltung oder theoretischer ppe_239.032 Erkenntnis, um ethische Grundsätze, Menschendeutung, ppe_239.033 letzte weltanschauliche Entscheidungen oder metaphysische Wahrheiten ppe_239.034 handelt.
ppe_239.035 Die Problemspannung kann das Erlebnis des Dichters gewesen sein, ppe_239.036 von dem die Aneignung des ganzen Stoffes und die ganze Konzeption ppe_239.037 des Werkes ihren Ausgang nahm. Wenn beispielsweise Rousseaus ppe_239.038 Denkwürdigkeiten den Plutarch rühmten, weil er nur große Tugendhafte ppe_239.039 oder erhabene Verbrecher darstellte, und in diesem Zusammenhang
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eines Kulturkreises und eines Zeitalters, eines Volkes und einer ppe_239.007
das Publikum bildenden Gesellschaftsschicht nicht unabhängig sind.
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b) Problemstellung ppe_239.009
Der bisherige Weg der Analyse führt bereits an mehreren Stellen ppe_239.010
auf den Begriff des Problems als Kern der Dichtung hin: sowohl bei ppe_239.011
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/263>, abgerufen am 25.11.2024.
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