ihm nichts also zu Herzen gegangen -- er em- pfand das Recht des Kinds, und es war ihm, er sehe den Vetter todt vor seinen Augen -- er fühlte den Schauer des Entsetzens bey dem Ge- danken, er sey daran Schuld; er schwankte hinein, wie wenn ihn seine Beine nicht tragen wollten, hielt die Hand vor den Mund, sein Schluchzen zu hemmen; und winkte wie ein Stum- mer Theresen mit dem Kopf beyseits. --
Dem Karl und der Therese übergieng das Herz, da sie ihn so sahen -- beyde weinten -- beyde stunden an ihn an -- Therese gab ihm die Hand -- und er sagte, giebst du mir sie auch von Herzen? -- Das war sein erstes Wort. -- Ja, gewiß lieber Onkle! zweifelt doch nicht an dem -- erwiederte Therese. --
Ich kann es fast nicht glauben, sagte der Alte, und sezte hinzu, ich hab' in Gottes Namen alles gehört, ich meynte, es tödte mich, so weh that es mir -- aber wenn du mir izt einen Ge- fallen thun willst, so zwing den Knaben nicht zum Tisch, er hat recht, so lang er den erschrecklichen Gedanken hat, ich wolle ihm seinen Vater ins Grab bringen; aber ich will ihm wills Gott zei- gen, daß das nicht ist, und daß mir sein Vater lieb ist. --
ihm nichts alſo zu Herzen gegangen — er em- pfand das Recht des Kinds, und es war ihm, er ſehe den Vetter todt vor ſeinen Augen — er fuͤhlte den Schauer des Entſetzens bey dem Ge- danken, er ſey daran Schuld; er ſchwankte hinein, wie wenn ihn ſeine Beine nicht tragen wollten, hielt die Hand vor den Mund, ſein Schluchzen zu hemmen; und winkte wie ein Stum- mer Thereſen mit dem Kopf beyſeits. —
Dem Karl und der Thereſe uͤbergieng das Herz, da ſie ihn ſo ſahen — beyde weinten — beyde ſtunden an ihn an — Thereſe gab ihm die Hand — und er ſagte, giebſt du mir ſie auch von Herzen? — Das war ſein erſtes Wort. — Ja, gewiß lieber Onkle! zweifelt doch nicht an dem — erwiederte Thereſe. —
Ich kann es faſt nicht glauben, ſagte der Alte, und ſezte hinzu, ich hab' in Gottes Namen alles gehoͤrt, ich meynte, es toͤdte mich, ſo weh that es mir — aber wenn du mir izt einen Ge- fallen thun willſt, ſo zwing den Knaben nicht zum Tiſch, er hat recht, ſo lang er den erſchrecklichen Gedanken hat, ich wolle ihm ſeinen Vater ins Grab bringen; aber ich will ihm wills Gott zei- gen, daß das nicht iſt, und daß mir ſein Vater lieb iſt. —
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0078"n="60"/>
ihm nichts alſo zu Herzen gegangen — er em-<lb/>
pfand das Recht des Kinds, und es war ihm,<lb/>
er ſehe den Vetter todt vor ſeinen Augen — er<lb/>
fuͤhlte den Schauer des Entſetzens bey dem Ge-<lb/>
danken, er ſey daran Schuld; er ſchwankte<lb/>
hinein, wie wenn ihn ſeine Beine nicht tragen<lb/>
wollten, hielt die Hand vor den Mund, ſein<lb/>
Schluchzen zu hemmen; und winkte wie ein Stum-<lb/>
mer Thereſen mit dem Kopf beyſeits. —</p><lb/><p>Dem Karl und der Thereſe uͤbergieng das<lb/>
Herz, da ſie ihn ſo ſahen — beyde weinten —<lb/>
beyde ſtunden an ihn an — Thereſe gab ihm die<lb/>
Hand — und er ſagte, giebſt du mir ſie auch<lb/>
von Herzen? — Das war ſein erſtes Wort. —<lb/>
Ja, gewiß lieber Onkle! zweifelt doch nicht an<lb/>
dem — erwiederte Thereſe. —</p><lb/><p>Ich kann es faſt nicht glauben, ſagte der<lb/>
Alte, und ſezte hinzu, ich hab' in Gottes Namen<lb/>
alles gehoͤrt, ich meynte, es toͤdte mich, ſo weh<lb/>
that es mir — aber wenn du mir izt einen Ge-<lb/>
fallen thun willſt, ſo zwing den Knaben nicht zum<lb/>
Tiſch, er hat recht, ſo lang er den erſchrecklichen<lb/>
Gedanken hat, ich wolle ihm ſeinen Vater ins<lb/>
Grab bringen; aber ich will ihm wills Gott zei-<lb/>
gen, daß das nicht iſt, und daß mir ſein Vater<lb/>
lieb iſt. —</p><lb/></div></body></text></TEI>
[60/0078]
ihm nichts alſo zu Herzen gegangen — er em-
pfand das Recht des Kinds, und es war ihm,
er ſehe den Vetter todt vor ſeinen Augen — er
fuͤhlte den Schauer des Entſetzens bey dem Ge-
danken, er ſey daran Schuld; er ſchwankte
hinein, wie wenn ihn ſeine Beine nicht tragen
wollten, hielt die Hand vor den Mund, ſein
Schluchzen zu hemmen; und winkte wie ein Stum-
mer Thereſen mit dem Kopf beyſeits. —
Dem Karl und der Thereſe uͤbergieng das
Herz, da ſie ihn ſo ſahen — beyde weinten —
beyde ſtunden an ihn an — Thereſe gab ihm die
Hand — und er ſagte, giebſt du mir ſie auch
von Herzen? — Das war ſein erſtes Wort. —
Ja, gewiß lieber Onkle! zweifelt doch nicht an
dem — erwiederte Thereſe. —
Ich kann es faſt nicht glauben, ſagte der
Alte, und ſezte hinzu, ich hab' in Gottes Namen
alles gehoͤrt, ich meynte, es toͤdte mich, ſo weh
that es mir — aber wenn du mir izt einen Ge-
fallen thun willſt, ſo zwing den Knaben nicht zum
Tiſch, er hat recht, ſo lang er den erſchrecklichen
Gedanken hat, ich wolle ihm ſeinen Vater ins
Grab bringen; aber ich will ihm wills Gott zei-
gen, daß das nicht iſt, und daß mir ſein Vater
lieb iſt. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/78>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.