Du wirst dann wohl anderst reden, wann der Papa todt ist, erwiederte der Knab -- und setzte hinzu -- sie machen es ihm wie dem Michel. Ich weiß schon, was er gestern gesagt hat -- und warum es mir also ist.
Was hat er denn gesagt, erwiederte Therese? -- und Karl -- ich hab' es dir nicht wollen sa- gen, aber ich muß es izt doch sagen. --
Er hat im Bette einmal über das andere ge- sagt, -- sie bringen mich ins Grab -- sie bringen mich noch ins Grab. -- Du hast es nicht gehört, du bist nicht nahe genug bey ihm gewesen, und er hat es nur so halb laut gesagt.
Hat er das gesagt -- hast du das gehört? -- frug Therese mit leiser Stimme. --
Ja -- er hat es gewiß gesagt, antwortete der Knabe, und sezte hinzu -- ich habe geglaubt, ich müsse mich zu tod weinen, und die ganze Nacht konnte ich kein Auge zuschließen, und meynte im- mer, ich höre es ihn noch einmal sagen. --
Izt sahen sie einander an. Das Drücken der Wehmuth beschloß ihre Lippen, machte ihre Augen naß, und preßte ihren Athem. -- So sahen sie schweigend einander an, als die Thür aufgieng und der General vor ihnen stund.
Die Thüre war vorher schon halb offen. -- Er hatte alle Worte gehört -- in seinem Leben war
Du wirſt dann wohl anderſt reden, wann der Papa todt iſt, erwiederte der Knab — und ſetzte hinzu — ſie machen es ihm wie dem Michel. Ich weiß ſchon, was er geſtern geſagt hat — und warum es mir alſo iſt.
Was hat er denn geſagt, erwiederte Thereſe? — und Karl — ich hab' es dir nicht wollen ſa- gen, aber ich muß es izt doch ſagen. —
Er hat im Bette einmal uͤber das andere ge- ſagt, — ſie bringen mich ins Grab — ſie bringen mich noch ins Grab. — Du haſt es nicht gehoͤrt, du biſt nicht nahe genug bey ihm geweſen, und er hat es nur ſo halb laut geſagt.
Hat er das geſagt — haſt du das gehoͤrt? — frug Thereſe mit leiſer Stimme. —
Ja — er hat es gewiß geſagt, antwortete der Knabe, und ſezte hinzu — ich habe geglaubt, ich muͤſſe mich zu tod weinen, und die ganze Nacht konnte ich kein Auge zuſchließen, und meynte im- mer, ich hoͤre es ihn noch einmal ſagen. —
Izt ſahen ſie einander an. Das Druͤcken der Wehmuth beſchloß ihre Lippen, machte ihre Augen naß, und preßte ihren Athem. — So ſahen ſie ſchweigend einander an, als die Thuͤr aufgieng und der General vor ihnen ſtund.
Die Thuͤre war vorher ſchon halb offen. — Er hatte alle Worte gehoͤrt — in ſeinem Leben war
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0077"n="59"/><p>Du wirſt dann wohl anderſt reden, wann der<lb/>
Papa todt iſt, erwiederte der Knab — und ſetzte<lb/>
hinzu —ſie machen es ihm wie dem Michel. Ich<lb/>
weiß ſchon, was er geſtern geſagt hat — und warum<lb/>
es mir alſo iſt.</p><lb/><p>Was hat er denn geſagt, erwiederte Thereſe?<lb/>— und Karl — ich hab' es dir nicht wollen ſa-<lb/>
gen, aber ich muß es izt doch ſagen. —</p><lb/><p>Er hat im Bette einmal uͤber das andere ge-<lb/>ſagt, —ſie bringen mich ins Grab —ſie bringen<lb/>
mich noch ins Grab. — Du haſt es nicht gehoͤrt,<lb/>
du biſt nicht nahe genug bey ihm geweſen, und er<lb/>
hat es nur ſo halb laut geſagt.</p><lb/><p>Hat er das geſagt — haſt du das gehoͤrt? —<lb/>
frug Thereſe mit leiſer Stimme. —</p><lb/><p>Ja — er hat es gewiß geſagt, antwortete der<lb/>
Knabe, und ſezte hinzu — ich habe geglaubt, ich<lb/>
muͤſſe mich zu tod weinen, und die ganze Nacht<lb/>
konnte ich kein Auge zuſchließen, und meynte im-<lb/>
mer, ich hoͤre es ihn noch einmal ſagen. —</p><lb/><p>Izt ſahen ſie einander an. Das Druͤcken der<lb/>
Wehmuth beſchloß ihre Lippen, machte ihre Augen<lb/>
naß, und preßte ihren Athem. — So ſahen ſie<lb/>ſchweigend einander an, als die Thuͤr aufgieng und<lb/>
der General vor ihnen ſtund.</p><lb/><p>Die Thuͤre war vorher ſchon halb offen. —<lb/>
Er hatte alle Worte gehoͤrt — in ſeinem Leben war<lb/></p></div></body></text></TEI>
[59/0077]
Du wirſt dann wohl anderſt reden, wann der
Papa todt iſt, erwiederte der Knab — und ſetzte
hinzu — ſie machen es ihm wie dem Michel. Ich
weiß ſchon, was er geſtern geſagt hat — und warum
es mir alſo iſt.
Was hat er denn geſagt, erwiederte Thereſe?
— und Karl — ich hab' es dir nicht wollen ſa-
gen, aber ich muß es izt doch ſagen. —
Er hat im Bette einmal uͤber das andere ge-
ſagt, — ſie bringen mich ins Grab — ſie bringen
mich noch ins Grab. — Du haſt es nicht gehoͤrt,
du biſt nicht nahe genug bey ihm geweſen, und er
hat es nur ſo halb laut geſagt.
Hat er das geſagt — haſt du das gehoͤrt? —
frug Thereſe mit leiſer Stimme. —
Ja — er hat es gewiß geſagt, antwortete der
Knabe, und ſezte hinzu — ich habe geglaubt, ich
muͤſſe mich zu tod weinen, und die ganze Nacht
konnte ich kein Auge zuſchließen, und meynte im-
mer, ich hoͤre es ihn noch einmal ſagen. —
Izt ſahen ſie einander an. Das Druͤcken der
Wehmuth beſchloß ihre Lippen, machte ihre Augen
naß, und preßte ihren Athem. — So ſahen ſie
ſchweigend einander an, als die Thuͤr aufgieng und
der General vor ihnen ſtund.
Die Thuͤre war vorher ſchon halb offen. —
Er hatte alle Worte gehoͤrt — in ſeinem Leben war
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/77>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.