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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Der Knabe sah an ihn hinauf. Zweifel und
Mitleid waren in seinen Augen, und auf seiner
Stirn. Da sagte ihm Therese, siehst izt auch,
wie gut der Onkle ist? willst izt nicht mit ihm zum
Tische? -- O wohl! ich will mit ihm gehen --
erwiederte der Knabe.

Es freute den Alten so, daß er ihn würde
auf den Arm genommen haben, wenn er ihn hätte
tragen können. -- Sie nahmen ihn beyde in die
Mitte, und brachten ihn so zu Tische. Auf dem
Weg sagte der General, es wird wills Gott mit
dem Vetter auch wieder besser werden! -- und
sie trockneten noch vor der Thür alle drey ihre
Augen. --

Sylvia sah den General nicht anderst an, als
ob er ihr unrecht thue, daß er den Knaben so an
der Hand an den Tisch bringe. Er achtete es
nicht, aber der Karl achtete es, und sagte zur
Mamma, da sie ihm das Handtuch umlegte, sie
macht uns schon wieder Augen! Er kehrte ihr auch
bey dem Tisch den Rücken, und da sie ihm ein
Stück Fisch auf den Teller legte, rührte er es
nicht an, und gab, ohne daß es die Mamma merkte,
den Teller dem Klaus fort.

Sylvia sah wieder einen Augenblick gut aus,
das Blut stieg ihr in die Backen (Wangen) da

Der Knabe ſah an ihn hinauf. Zweifel und
Mitleid waren in ſeinen Augen, und auf ſeiner
Stirn. Da ſagte ihm Thereſe, ſiehſt izt auch,
wie gut der Onkle iſt? willſt izt nicht mit ihm zum
Tiſche? — O wohl! ich will mit ihm gehen —
erwiederte der Knabe.

Es freute den Alten ſo, daß er ihn wuͤrde
auf den Arm genommen haben, wenn er ihn haͤtte
tragen koͤnnen. — Sie nahmen ihn beyde in die
Mitte, und brachten ihn ſo zu Tiſche. Auf dem
Weg ſagte der General, es wird wills Gott mit
dem Vetter auch wieder beſſer werden! — und
ſie trockneten noch vor der Thuͤr alle drey ihre
Augen. —

Sylvia ſah den General nicht anderſt an, als
ob er ihr unrecht thue, daß er den Knaben ſo an
der Hand an den Tiſch bringe. Er achtete es
nicht, aber der Karl achtete es, und ſagte zur
Mamma, da ſie ihm das Handtuch umlegte, ſie
macht uns ſchon wieder Augen! Er kehrte ihr auch
bey dem Tiſch den Ruͤcken, und da ſie ihm ein
Stuͤck Fiſch auf den Teller legte, ruͤhrte er es
nicht an, und gab, ohne daß es die Mamma merkte,
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[61/0079] Der Knabe ſah an ihn hinauf. Zweifel und Mitleid waren in ſeinen Augen, und auf ſeiner Stirn. Da ſagte ihm Thereſe, ſiehſt izt auch, wie gut der Onkle iſt? willſt izt nicht mit ihm zum Tiſche? — O wohl! ich will mit ihm gehen — erwiederte der Knabe. Es freute den Alten ſo, daß er ihn wuͤrde auf den Arm genommen haben, wenn er ihn haͤtte tragen koͤnnen. — Sie nahmen ihn beyde in die Mitte, und brachten ihn ſo zu Tiſche. Auf dem Weg ſagte der General, es wird wills Gott mit dem Vetter auch wieder beſſer werden! — und ſie trockneten noch vor der Thuͤr alle drey ihre Augen. — Sylvia ſah den General nicht anderſt an, als ob er ihr unrecht thue, daß er den Knaben ſo an der Hand an den Tiſch bringe. Er achtete es nicht, aber der Karl achtete es, und ſagte zur Mamma, da ſie ihm das Handtuch umlegte, ſie macht uns ſchon wieder Augen! Er kehrte ihr auch bey dem Tiſch den Ruͤcken, und da ſie ihm ein Stuͤck Fiſch auf den Teller legte, ruͤhrte er es nicht an, und gab, ohne daß es die Mamma merkte, den Teller dem Klaus fort. Sylvia ſah wieder einen Augenblick gut aus, das Blut ſtieg ihr in die Backen (Wangen) da

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/79>, abgerufen am 23.04.2024.