zu ahnden, noch zu verstehen, wohin die Seelen- stimmung, welche die Art und Weise ihrer Glau- bensform beym Volk hervorbringen, dasselbe füh- ren könnte. --
Das Geheimnis der Abgötterey sizt auf einem heiligen Dreyfuß, und mitten, in dem es den Men- schen für alles, was es ihm entreißt, stockblind macht, giebt es ihm Luchsaugen für das was er sehen muß, um anhänglich zu bleiben, und schließt sich immer von allen Seiten an viel Auffallendes, dem Menschensinn und dem Volksgefühl Auffallen- des, Wahres und Gutes an -- und es liegt in unserer Natur, die verwahrlosete und leidende, so wie die träumende Menschheit, wirft sich so lange in die Arme der gegen die Leidenden immer Theil nehmend, gegen die Verwahrloseten immer sorg- fältig erscheinenden Abgötterey, so lang ihr nicht entgegen gesezt wird, was mehr Realität hat, als eine zwar so geheißene vernünftige Religionslehre, die aber nichts weiter leistet, als daß sie mit gro- ßem Gepränge eine mehrere Richtigkeit in den Aus- drücken über Glaubens-Meynungen, die das Volk richtig oder unrichtig gleich nicht versteht, zum We- sen der gottesdienstlichen Verehrung macht, und in- dessen durch das schwerfällige Schleppen des Heer- wagens dieser Worterklärungen den Priestern dieses neuen Diensts, Zeit, Aufmerksamkeit und See- lenstimmung raubt, den wesentlichen Pflichten des
zu ahnden, noch zu verſtehen, wohin die Seelen- ſtimmung, welche die Art und Weiſe ihrer Glau- bensform beym Volk hervorbringen, daſſelbe fuͤh- ren koͤnnte. —
Das Geheimnis der Abgoͤtterey ſizt auf einem heiligen Dreyfuß, und mitten, in dem es den Men- ſchen fuͤr alles, was es ihm entreißt, ſtockblind macht, giebt es ihm Luchsaugen fuͤr das was er ſehen muß, um anhaͤnglich zu bleiben, und ſchließt ſich immer von allen Seiten an viel Auffallendes, dem Menſchenſinn und dem Volksgefuͤhl Auffallen- des, Wahres und Gutes an — und es liegt in unſerer Natur, die verwahrloſete und leidende, ſo wie die traͤumende Menſchheit, wirft ſich ſo lange in die Arme der gegen die Leidenden immer Theil nehmend, gegen die Verwahrloſeten immer ſorg- faͤltig erſcheinenden Abgoͤtterey, ſo lang ihr nicht entgegen geſezt wird, was mehr Realitaͤt hat, als eine zwar ſo geheißene vernuͤnftige Religionslehre, die aber nichts weiter leiſtet, als daß ſie mit gro- ßem Gepraͤnge eine mehrere Richtigkeit in den Aus- druͤcken uͤber Glaubens-Meynungen, die das Volk richtig oder unrichtig gleich nicht verſteht, zum We- ſen der gottesdienſtlichen Verehrung macht, und in- deſſen durch das ſchwerfaͤllige Schleppen des Heer- wagens dieſer Worterklaͤrungen den Prieſtern dieſes neuen Dienſts, Zeit, Aufmerkſamkeit und See- lenſtimmung raubt, den weſentlichen Pflichten des
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zu ahnden, noch zu verſtehen, wohin die Seelen-
ſtimmung, welche die Art und Weiſe ihrer Glau-
bensform beym Volk hervorbringen, daſſelbe fuͤh-
ren koͤnnte. —
Das Geheimnis der Abgoͤtterey ſizt auf einem
heiligen Dreyfuß, und mitten, in dem es den Men-
ſchen fuͤr alles, was es ihm entreißt, ſtockblind
macht, giebt es ihm Luchsaugen fuͤr das was er
ſehen muß, um anhaͤnglich zu bleiben, und ſchließt
ſich immer von allen Seiten an viel Auffallendes,
dem Menſchenſinn und dem Volksgefuͤhl Auffallen-
des, Wahres und Gutes an — und es liegt in
unſerer Natur, die verwahrloſete und leidende, ſo
wie die traͤumende Menſchheit, wirft ſich ſo lange
in die Arme der gegen die Leidenden immer Theil
nehmend, gegen die Verwahrloſeten immer ſorg-
faͤltig erſcheinenden Abgoͤtterey, ſo lang ihr nicht
entgegen geſezt wird, was mehr Realitaͤt hat, als
eine zwar ſo geheißene vernuͤnftige Religionslehre,
die aber nichts weiter leiſtet, als daß ſie mit gro-
ßem Gepraͤnge eine mehrere Richtigkeit in den Aus-
druͤcken uͤber Glaubens-Meynungen, die das Volk
richtig oder unrichtig gleich nicht verſteht, zum We-
ſen der gottesdienſtlichen Verehrung macht, und in-
deſſen durch das ſchwerfaͤllige Schleppen des Heer-
wagens dieſer Worterklaͤrungen den Prieſtern dieſes
neuen Dienſts, Zeit, Aufmerkſamkeit und See-
lenſtimmung raubt, den weſentlichen Pflichten des
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/358>, abgerufen am 24.11.2024.
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