wahren Gottesdiensts mit Erfolg obzuliegen, der Verwahrlosung der Menschen vorzukommen, die Qualen der Leiden abzulenken, und den Träumer- sinn ihres Lebens durch weisen Einfluß auf ihr bür- gerliches Leben zu entkräften. --
So lang es so ist, und das Volk beym schwär- rischen, unerleuchteten Priester für sich mehr findet, als bey dem, der ihm beweisen kann, daß der an- dere schwärmt, so bleibt das Volk natürlich auf der Seiten des leztern. -- Auch lassen die Priester des Aberglaubens die guten Männer, die nach Weis- heit fragen, mit sichtbarer Verachtung reden, was sie nur wollen, und bleiben indessen Meister des Volks, und derer, die sie zu ihrem Volk machen. --
So ist es -- die Männer, die nach Weisheit fragen, verstehen sich nicht das Volk zu führen, und ihren Reformationsgeist ansteckend zu machen, wie der Aberglaube, und das ist ein großer Fehler. --
1520 war es nicht so; der Reformationsgeist war damals ansteckender als der Aberglaube, weil er wohlthätiger war als dieser, und die einzelnen Menschen im Lande auffallend an Leib und Seele weiter brachte, als sie unter der Mönchs-Huth nicht kommen konnten.
Der damalige Reformationsgeist belebte die Kräfte des Verstands, er erhöhete das Streben nach
V 3
wahren Gottesdienſts mit Erfolg obzuliegen, der Verwahrloſung der Menſchen vorzukommen, die Qualen der Leiden abzulenken, und den Traͤumer- ſinn ihres Lebens durch weiſen Einfluß auf ihr buͤr- gerliches Leben zu entkraͤften. —
So lang es ſo iſt, und das Volk beym ſchwaͤr- riſchen, unerleuchteten Prieſter fuͤr ſich mehr findet, als bey dem, der ihm beweiſen kann, daß der an- dere ſchwaͤrmt, ſo bleibt das Volk natuͤrlich auf der Seiten des leztern. — Auch laſſen die Prieſter des Aberglaubens die guten Maͤnner, die nach Weis- heit fragen, mit ſichtbarer Verachtung reden, was ſie nur wollen, und bleiben indeſſen Meiſter des Volks, und derer, die ſie zu ihrem Volk machen. —
So iſt es — die Maͤnner, die nach Weisheit fragen, verſtehen ſich nicht das Volk zu fuͤhren, und ihren Reformationsgeiſt anſteckend zu machen, wie der Aberglaube, und das iſt ein großer Fehler. —
1520 war es nicht ſo; der Reformationsgeiſt war damals anſteckender als der Aberglaube, weil er wohlthaͤtiger war als dieſer, und die einzelnen Menſchen im Lande auffallend an Leib und Seele weiter brachte, als ſie unter der Moͤnchs-Huth nicht kommen konnten.
Der damalige Reformationsgeiſt belebte die Kraͤfte des Verſtands, er erhoͤhete das Streben nach
V 3
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wahren Gottesdienſts mit Erfolg obzuliegen, der
Verwahrloſung der Menſchen vorzukommen, die
Qualen der Leiden abzulenken, und den Traͤumer-
ſinn ihres Lebens durch weiſen Einfluß auf ihr buͤr-
gerliches Leben zu entkraͤften. —
So lang es ſo iſt, und das Volk beym ſchwaͤr-
riſchen, unerleuchteten Prieſter fuͤr ſich mehr findet,
als bey dem, der ihm beweiſen kann, daß der an-
dere ſchwaͤrmt, ſo bleibt das Volk natuͤrlich auf der
Seiten des leztern. — Auch laſſen die Prieſter des
Aberglaubens die guten Maͤnner, die nach Weis-
heit fragen, mit ſichtbarer Verachtung reden, was
ſie nur wollen, und bleiben indeſſen Meiſter des
Volks, und derer, die ſie zu ihrem Volk machen. —
So iſt es — die Maͤnner, die nach Weisheit
fragen, verſtehen ſich nicht das Volk zu fuͤhren,
und ihren Reformationsgeiſt anſteckend zu machen,
wie der Aberglaube, und das iſt ein großer Fehler. —
1520 war es nicht ſo; der Reformationsgeiſt
war damals anſteckender als der Aberglaube, weil
er wohlthaͤtiger war als dieſer, und die einzelnen
Menſchen im Lande auffallend an Leib und Seele
weiter brachte, als ſie unter der Moͤnchs-Huth
nicht kommen konnten.
Der damalige Reformationsgeiſt belebte die
Kraͤfte des Verſtands, er erhoͤhete das Streben nach
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/359>, abgerufen am 24.11.2024.
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