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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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als diese beyde schon am andern Morgen ihres dasi-
gen Aufenthalts, so französisch neben ihn auf beyden
Seiten absaßen, daß das halbe Saamenzeug ab der
Bank in Boden fallen mußte.

Der Karl, der seiner Lebtag kein Bauernweib
in einem fremden Hause so auf einer Bank die
voll Zeug war, absitzen gesehen, machte ihnen Au-
gen, wie er auch seiner Lebtag noch keiner Bauern
Frau gemacht -- und das Maul war ihm schon
mehr als halb offen, als er sah, daß ihm der
Rollenberger winkte. -- Er that es wieder zu, und
gieng, ohne ein Wort zu sagen, fort -- aber man
sahe ihm an, daß es ihm weh that -- er ward
roth. -- Sylvia lachte spöttisch über sein Roth-
werden gegen Aglee; sagte dann zum Rollenberger,
was er ihn auch lehre, es dünke sie, er wisse so
nichts.

Betroffen über diese Frage antwortete dieser,
er hoffe, wenn sie sich eine Weile hier aufhalten,
so werden sie es dann selber sehen. --

Sie erwiederte, ob er auch eine Bibliothek
habe? und wo er studiere?

Nicht gewohnt, also gefragt zu werden; und
unwissend, wo diese Fragen hinlangen, schwieg er
einen Augenblick still, dann antwortete er ihr steif

als dieſe beyde ſchon am andern Morgen ihres daſi-
gen Aufenthalts, ſo franzoͤſiſch neben ihn auf beyden
Seiten abſaßen, daß das halbe Saamenzeug ab der
Bank in Boden fallen mußte.

Der Karl, der ſeiner Lebtag kein Bauernweib
in einem fremden Hauſe ſo auf einer Bank die
voll Zeug war, abſitzen geſehen, machte ihnen Au-
gen, wie er auch ſeiner Lebtag noch keiner Bauern
Frau gemacht — und das Maul war ihm ſchon
mehr als halb offen, als er ſah, daß ihm der
Rollenberger winkte. — Er that es wieder zu, und
gieng, ohne ein Wort zu ſagen, fort — aber man
ſahe ihm an, daß es ihm weh that — er ward
roth. — Sylvia lachte ſpoͤttiſch uͤber ſein Roth-
werden gegen Aglee; ſagte dann zum Rollenberger,
was er ihn auch lehre, es duͤnke ſie, er wiſſe ſo
nichts.

Betroffen uͤber dieſe Frage antwortete dieſer,
er hoffe, wenn ſie ſich eine Weile hier aufhalten,
ſo werden ſie es dann ſelber ſehen. —

Sie erwiederte, ob er auch eine Bibliothek
habe? und wo er ſtudiere?

Nicht gewohnt, alſo gefragt zu werden; und
unwiſſend, wo dieſe Fragen hinlangen, ſchwieg er
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[6/0024] als dieſe beyde ſchon am andern Morgen ihres daſi- gen Aufenthalts, ſo franzoͤſiſch neben ihn auf beyden Seiten abſaßen, daß das halbe Saamenzeug ab der Bank in Boden fallen mußte. Der Karl, der ſeiner Lebtag kein Bauernweib in einem fremden Hauſe ſo auf einer Bank die voll Zeug war, abſitzen geſehen, machte ihnen Au- gen, wie er auch ſeiner Lebtag noch keiner Bauern Frau gemacht — und das Maul war ihm ſchon mehr als halb offen, als er ſah, daß ihm der Rollenberger winkte. — Er that es wieder zu, und gieng, ohne ein Wort zu ſagen, fort — aber man ſahe ihm an, daß es ihm weh that — er ward roth. — Sylvia lachte ſpoͤttiſch uͤber ſein Roth- werden gegen Aglee; ſagte dann zum Rollenberger, was er ihn auch lehre, es duͤnke ſie, er wiſſe ſo nichts. Betroffen uͤber dieſe Frage antwortete dieſer, er hoffe, wenn ſie ſich eine Weile hier aufhalten, ſo werden ſie es dann ſelber ſehen. — Sie erwiederte, ob er auch eine Bibliothek habe? und wo er ſtudiere? Nicht gewohnt, alſo gefragt zu werden; und unwiſſend, wo dieſe Fragen hinlangen, ſchwieg er einen Augenblick ſtill, dann antwortete er ihr ſteif

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/24>, abgerufen am 24.11.2024.