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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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wohnt gewesen. -- Auch sollte man alles thun,
daß die Dorfjugend unter sich zusammen hielte,
und fremde Leute, die keine Heurathsabsichten hät-
ten, nicht leicht mit einer Tochter aus einem Dorf
unter 4 Augen zur Red kommen könnten -- und
die Amtmanns-Söhne, Pfarrers-Söhne, Schrei-
ber, und dergleichen Leute, mit Ernst und von
Obrigkeits wegen den Bauerstöchtern drey Schritt
vom Leib halten; und es der Dorfjugend nicht
übel nehmen, wann sie zu Zeiten einen dergleichen
Herren im Brunnen abkühlen würde.

Sie behaupteten, es gehe keiner und stehle den
Zehenden von einem Acker, mit Gefahr, dafür ge-
henkt zu werden, wenn er machen könne, daß der
Acker mit samt dem Zehnden von Rechtswegen sein
werde; und so sey es auch mit den Töchtern, wenn
sie nemlich das auch machen können; wenn sie es
aber nicht können, und nicht dazu erzogen werden,
so stürzen sie sich ja dann Schaarenweis über die-
sen Punkt in ein Elend, daß ihnen besser wäre, sie
würden auch gehenkt, sie wären dannzumal doch
der Noth los, meynten die Bauern in Bonnal.

Ich lasse sie in ihrer rohen Sprache fort reden,
ich habe es probiert sie zu ändern, aber ich kann
sie nicht besser machen; sie sagten, wenn da gehol-
fen wäre, so würden hundert und hundert Umstän-
de, über die man izt großes Geschrey mache, weg-

wohnt geweſen. — Auch ſollte man alles thun,
daß die Dorfjugend unter ſich zuſammen hielte,
und fremde Leute, die keine Heurathsabſichten haͤt-
ten, nicht leicht mit einer Tochter aus einem Dorf
unter 4 Augen zur Red kommen koͤnnten — und
die Amtmanns-Soͤhne, Pfarrers-Soͤhne, Schrei-
ber, und dergleichen Leute, mit Ernſt und von
Obrigkeits wegen den Bauerstoͤchtern drey Schritt
vom Leib halten; und es der Dorfjugend nicht
uͤbel nehmen, wann ſie zu Zeiten einen dergleichen
Herren im Brunnen abkuͤhlen wuͤrde.

Sie behaupteten, es gehe keiner und ſtehle den
Zehenden von einem Acker, mit Gefahr, dafuͤr ge-
henkt zu werden, wenn er machen koͤnne, daß der
Acker mit ſamt dem Zehnden von Rechtswegen ſein
werde; und ſo ſey es auch mit den Toͤchtern, wenn
ſie nemlich das auch machen koͤnnen; wenn ſie es
aber nicht koͤnnen, und nicht dazu erzogen werden,
ſo ſtuͤrzen ſie ſich ja dann Schaarenweis uͤber die-
ſen Punkt in ein Elend, daß ihnen beſſer waͤre, ſie
wuͤrden auch gehenkt, ſie waͤren dannzumal doch
der Noth los, meynten die Bauern in Bonnal.

Ich laſſe ſie in ihrer rohen Sprache fort reden,
ich habe es probiert ſie zu aͤndern, aber ich kann
ſie nicht beſſer machen; ſie ſagten, wenn da gehol-
fen waͤre, ſo wuͤrden hundert und hundert Umſtaͤn-
de, uͤber die man izt großes Geſchrey mache, weg-

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[188/0206] wohnt geweſen. — Auch ſollte man alles thun, daß die Dorfjugend unter ſich zuſammen hielte, und fremde Leute, die keine Heurathsabſichten haͤt- ten, nicht leicht mit einer Tochter aus einem Dorf unter 4 Augen zur Red kommen koͤnnten — und die Amtmanns-Soͤhne, Pfarrers-Soͤhne, Schrei- ber, und dergleichen Leute, mit Ernſt und von Obrigkeits wegen den Bauerstoͤchtern drey Schritt vom Leib halten; und es der Dorfjugend nicht uͤbel nehmen, wann ſie zu Zeiten einen dergleichen Herren im Brunnen abkuͤhlen wuͤrde. Sie behaupteten, es gehe keiner und ſtehle den Zehenden von einem Acker, mit Gefahr, dafuͤr ge- henkt zu werden, wenn er machen koͤnne, daß der Acker mit ſamt dem Zehnden von Rechtswegen ſein werde; und ſo ſey es auch mit den Toͤchtern, wenn ſie nemlich das auch machen koͤnnen; wenn ſie es aber nicht koͤnnen, und nicht dazu erzogen werden, ſo ſtuͤrzen ſie ſich ja dann Schaarenweis uͤber die- ſen Punkt in ein Elend, daß ihnen beſſer waͤre, ſie wuͤrden auch gehenkt, ſie waͤren dannzumal doch der Noth los, meynten die Bauern in Bonnal. Ich laſſe ſie in ihrer rohen Sprache fort reden, ich habe es probiert ſie zu aͤndern, aber ich kann ſie nicht beſſer machen; ſie ſagten, wenn da gehol- fen waͤre, ſo wuͤrden hundert und hundert Umſtaͤn- de, uͤber die man izt großes Geſchrey mache, weg-

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/206>, abgerufen am 28.03.2024.