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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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dessen Original du an Hals und Augen dem schlim-
men großen Kopf gleich fandest, den Füeßli in
Lavaters Physiognomie gezeichnet -- neben diesen
kommst izt du -- du gute Seele! gerade vor ihm
vorüber. -- Was wirst du wohl auch -- so ge-
rade vor diesem Kopf vorüber auf dieser Wand
machen? -- Und was wird der Herzog denken,
wenn er diesen Kontrast -- der wahrlich eine große
Satire auf seine Regierung ist -- fühlen wird,
wie er ihn gewiß fühlen wird! -- Die Zeit wird
es lehren. Freund! man redt izt von dir bey
Hof; und wie natürlich hasset dich der Mann
schon, dem alles zuwider, was den Herzog an das
Menschengeschlecht erinnert. Er sagt laut: dieser
Gedanke sey ihm nicht gesund; und doch wird er
ihm anrathen, seinen Gelust zu erfüllen, deine Anstal-
ten selber zu sehen; aber ich werde es noch lang
hintertreiben. Wenn je ein Mittel ist, aus allem
was du gethan, geschwind wieder Nichts zu ma-
chen; so ist es dieses, daß der Herzog eine Lan-
dessache daraus mache, ehe du sie als deine Pri-
vatsache vollendest. Das könnte Helidor wün-
schen, aber die Freude muß ihm nicht werden,
dein Portrait auf diesem Wege von dem grauem
Gobelin herabzubringen, auf dem er sich so wohl
gefällt allein zu hangen. Wärest du doch nur schon
dort! du verdienst es mehr als Niemand -- Du
lebst in deiner Unschuld wie ein Kind -- und

deſſen Original du an Hals und Augen dem ſchlim-
men großen Kopf gleich fandeſt, den Fuͤeßli in
Lavaters Phyſiognomie gezeichnet — neben dieſen
kommſt izt du — du gute Seele! gerade vor ihm
voruͤber. — Was wirſt du wohl auch — ſo ge-
rade vor dieſem Kopf voruͤber auf dieſer Wand
machen? — Und was wird der Herzog denken,
wenn er dieſen Kontraſt — der wahrlich eine große
Satire auf ſeine Regierung iſt — fuͤhlen wird,
wie er ihn gewiß fuͤhlen wird! — Die Zeit wird
es lehren. Freund! man redt izt von dir bey
Hof; und wie natuͤrlich haſſet dich der Mann
ſchon, dem alles zuwider, was den Herzog an das
Menſchengeſchlecht erinnert. Er ſagt laut: dieſer
Gedanke ſey ihm nicht geſund; und doch wird er
ihm anrathen, ſeinen Geluſt zu erfuͤllen, deine Anſtal-
ten ſelber zu ſehen; aber ich werde es noch lang
hintertreiben. Wenn je ein Mittel iſt, aus allem
was du gethan, geſchwind wieder Nichts zu ma-
chen; ſo iſt es dieſes, daß der Herzog eine Lan-
desſache daraus mache, ehe du ſie als deine Pri-
vatſache vollendeſt. Das koͤnnte Helidor wuͤn-
ſchen, aber die Freude muß ihm nicht werden,
dein Portrait auf dieſem Wege von dem grauem
Gobelin herabzubringen, auf dem er ſich ſo wohl
gefaͤllt allein zu hangen. Waͤreſt du doch nur ſchon
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[2/0020] deſſen Original du an Hals und Augen dem ſchlim- men großen Kopf gleich fandeſt, den Fuͤeßli in Lavaters Phyſiognomie gezeichnet — neben dieſen kommſt izt du — du gute Seele! gerade vor ihm voruͤber. — Was wirſt du wohl auch — ſo ge- rade vor dieſem Kopf voruͤber auf dieſer Wand machen? — Und was wird der Herzog denken, wenn er dieſen Kontraſt — der wahrlich eine große Satire auf ſeine Regierung iſt — fuͤhlen wird, wie er ihn gewiß fuͤhlen wird! — Die Zeit wird es lehren. Freund! man redt izt von dir bey Hof; und wie natuͤrlich haſſet dich der Mann ſchon, dem alles zuwider, was den Herzog an das Menſchengeſchlecht erinnert. Er ſagt laut: dieſer Gedanke ſey ihm nicht geſund; und doch wird er ihm anrathen, ſeinen Geluſt zu erfuͤllen, deine Anſtal- ten ſelber zu ſehen; aber ich werde es noch lang hintertreiben. Wenn je ein Mittel iſt, aus allem was du gethan, geſchwind wieder Nichts zu ma- chen; ſo iſt es dieſes, daß der Herzog eine Lan- desſache daraus mache, ehe du ſie als deine Pri- vatſache vollendeſt. Das koͤnnte Helidor wuͤn- ſchen, aber die Freude muß ihm nicht werden, dein Portrait auf dieſem Wege von dem grauem Gobelin herabzubringen, auf dem er ſich ſo wohl gefaͤllt allein zu hangen. Waͤreſt du doch nur ſchon dort! du verdienſt es mehr als Niemand — Du lebſt in deiner Unſchuld wie ein Kind — und

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/20>, abgerufen am 29.03.2024.