§. 42. Uebereinstimmung der Philosophie mei- nes Lieutenants mit der Philosophie des Volks.
Sie hatten diese Tage alle Abende den Lindenber- ger, den Baumwollen Meyer, den Michel, den al- ten Renold, und noch mehrere Bauern von Bon- nal bey sich, und forschten umständlich nach, was auch sie glaubten, das man machen könne, um auf eine dauerhafte, Kind und Kindskinder sicher stellende Art, eine bessere Ordnung im Dorf in allen Stücken einzurichten und festzusetzen; und erstaun- ten, zu sehen, wie die Bauern Stück für Stück mit den Meynungen des Lieutenants übereinkamen, bey den kühnsten Aeußerungen desselben nicht die ge- ringste Verwunderung zeigten, sondern in allen Theilen eintraten, seine Meynungen durch ihre Er- fahrungen zu bekräftigen. -- Das konnte nicht anders, es mußte die Bangigkeit, die den geistli- chen und weltlichen Herren über die Kühnheit des erfahrnen Lieutenants befallen hatte, verschwinden machen -- es that es wirklich -- und führte sie beyde zu einer der ersten Quellen des menschlichen Muths, nemlich zum Glauben, daß alles, was all-
§. 42. Uebereinſtimmung der Philoſophie mei- nes Lieutenants mit der Philoſophie des Volks.
Sie hatten dieſe Tage alle Abende den Lindenber- ger, den Baumwollen Meyer, den Michel, den al- ten Renold, und noch mehrere Bauern von Bon- nal bey ſich, und forſchten umſtaͤndlich nach, was auch ſie glaubten, das man machen koͤnne, um auf eine dauerhafte, Kind und Kindskinder ſicher ſtellende Art, eine beſſere Ordnung im Dorf in allen Stuͤcken einzurichten und feſtzuſetzen; und erſtaun- ten, zu ſehen, wie die Bauern Stuͤck fuͤr Stuͤck mit den Meynungen des Lieutenants uͤbereinkamen, bey den kuͤhnſten Aeußerungen deſſelben nicht die ge- ringſte Verwunderung zeigten, ſondern in allen Theilen eintraten, ſeine Meynungen durch ihre Er- fahrungen zu bekraͤftigen. — Das konnte nicht anders, es mußte die Bangigkeit, die den geiſtli- chen und weltlichen Herren uͤber die Kuͤhnheit des erfahrnen Lieutenants befallen hatte, verſchwinden machen — es that es wirklich — und fuͤhrte ſie beyde zu einer der erſten Quellen des menſchlichen Muths, nemlich zum Glauben, daß alles, was all-
<TEI><text><body><pbfacs="#f0193"n="175"/><divn="1"><head><hirendition="#b">§. 42.<lb/>
Uebereinſtimmung der Philoſophie mei-<lb/>
nes Lieutenants mit der Philoſophie<lb/>
des Volks.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">S</hi>ie hatten dieſe Tage alle Abende den Lindenber-<lb/>
ger, den Baumwollen Meyer, den Michel, den al-<lb/>
ten Renold, und noch mehrere Bauern von Bon-<lb/>
nal bey ſich, und forſchten umſtaͤndlich nach, was<lb/>
auch ſie glaubten, das man machen koͤnne, um<lb/>
auf eine dauerhafte, Kind und Kindskinder ſicher<lb/>ſtellende Art, eine beſſere Ordnung im Dorf in allen<lb/>
Stuͤcken einzurichten und feſtzuſetzen; und erſtaun-<lb/>
ten, zu ſehen, wie die Bauern Stuͤck fuͤr Stuͤck<lb/>
mit den Meynungen des Lieutenants uͤbereinkamen,<lb/>
bey den kuͤhnſten Aeußerungen deſſelben nicht die ge-<lb/>
ringſte Verwunderung zeigten, ſondern in allen<lb/>
Theilen eintraten, ſeine Meynungen durch ihre Er-<lb/>
fahrungen zu bekraͤftigen. — Das konnte nicht<lb/>
anders, es mußte die Bangigkeit, die den geiſtli-<lb/>
chen und weltlichen Herren uͤber die Kuͤhnheit des<lb/>
erfahrnen Lieutenants befallen hatte, verſchwinden<lb/>
machen — es that es wirklich — und fuͤhrte ſie<lb/>
beyde zu einer der erſten Quellen des menſchlichen<lb/>
Muths, nemlich zum Glauben, daß alles, was all-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[175/0193]
§. 42.
Uebereinſtimmung der Philoſophie mei-
nes Lieutenants mit der Philoſophie
des Volks.
Sie hatten dieſe Tage alle Abende den Lindenber-
ger, den Baumwollen Meyer, den Michel, den al-
ten Renold, und noch mehrere Bauern von Bon-
nal bey ſich, und forſchten umſtaͤndlich nach, was
auch ſie glaubten, das man machen koͤnne, um
auf eine dauerhafte, Kind und Kindskinder ſicher
ſtellende Art, eine beſſere Ordnung im Dorf in allen
Stuͤcken einzurichten und feſtzuſetzen; und erſtaun-
ten, zu ſehen, wie die Bauern Stuͤck fuͤr Stuͤck
mit den Meynungen des Lieutenants uͤbereinkamen,
bey den kuͤhnſten Aeußerungen deſſelben nicht die ge-
ringſte Verwunderung zeigten, ſondern in allen
Theilen eintraten, ſeine Meynungen durch ihre Er-
fahrungen zu bekraͤftigen. — Das konnte nicht
anders, es mußte die Bangigkeit, die den geiſtli-
chen und weltlichen Herren uͤber die Kuͤhnheit des
erfahrnen Lieutenants befallen hatte, verſchwinden
machen — es that es wirklich — und fuͤhrte ſie
beyde zu einer der erſten Quellen des menſchlichen
Muths, nemlich zum Glauben, daß alles, was all-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/193>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.