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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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rückgemetzelt dahinkommen, durch die Umwege der
Falschheit, des Betrugs, der Verstellung und ei-
nes hündischen Kriechens zur Befriedigung der Trie-
be zu gelangen, wozu ihnen, durch den offenen ge-
raden Weg der Gewalt zu gelangen, also der Weg
gesperrt wird.

So, sezte er mit Hitze hinzu, ließ man einst
in Staaten für das Kopfgeld Zigeuner, und anders
Volk ihrer Art, ins Land, und verbot ihnen übri-
gens bey Strafe und Ungnade den Bauern Enten
zu stehlen, und andere dergleichen Sachen zu machen.

Dieser Unfug ist noch allenthalben in der Welt;
aber alle Gerechtigkeit, welche unter diesen Umstän-
den in einem Staate möglich, ist denn auch nichts
anders, als eine armselige Nothjagd gegen ver-
wahrlosete und verwilderte Thiermenschen, welche
aber das Geschlecht so wenig ändert, bessert, oder
zahm macht, als die Fallen und Gruben im Wald
den Fuchs, und den Bär und den Wolf anders
machen als sie sind.



Niemand im Land gerecht, aber das halbe
Land ungerecht macht, und denn die Kinder
ihrer eigenen Ungerechtigkeit behandelt, als
wenn sie keine menschliche Natur hätten, und
bey der bürgerlichen Verwahrlosung nicht noth-
wendig verwildern müßten -- eine solche Ge-
rechtigkeit, und keine andere, heißt mein Lieu-
tenant eine Galgen- Rad- und Galeeren-Ge-
rechtigkeit.

ruͤckgemetzelt dahinkommen, durch die Umwege der
Falſchheit, des Betrugs, der Verſtellung und ei-
nes huͤndiſchen Kriechens zur Befriedigung der Trie-
be zu gelangen, wozu ihnen, durch den offenen ge-
raden Weg der Gewalt zu gelangen, alſo der Weg
geſperrt wird.

So, ſezte er mit Hitze hinzu, ließ man einſt
in Staaten fuͤr das Kopfgeld Zigeuner, und anders
Volk ihrer Art, ins Land, und verbot ihnen uͤbri-
gens bey Strafe und Ungnade den Bauern Enten
zu ſtehlen, und andere dergleichen Sachen zu machen.

Dieſer Unfug iſt noch allenthalben in der Welt;
aber alle Gerechtigkeit, welche unter dieſen Umſtaͤn-
den in einem Staate moͤglich, iſt denn auch nichts
anders, als eine armſelige Nothjagd gegen ver-
wahrloſete und verwilderte Thiermenſchen, welche
aber das Geſchlecht ſo wenig aͤndert, beſſert, oder
zahm macht, als die Fallen und Gruben im Wald
den Fuchs, und den Baͤr und den Wolf anders
machen als ſie ſind.



Niemand im Land gerecht, aber das halbe
Land ungerecht macht, und denn die Kinder
ihrer eigenen Ungerechtigkeit behandelt, als
wenn ſie keine menſchliche Natur haͤtten, und
bey der buͤrgerlichen Verwahrloſung nicht noth-
wendig verwildern muͤßten — eine ſolche Ge-
rechtigkeit, und keine andere, heißt mein Lieu-
tenant eine Galgen- Rad- und Galeeren-Ge-
rechtigkeit.
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[173/0191] ruͤckgemetzelt dahinkommen, durch die Umwege der Falſchheit, des Betrugs, der Verſtellung und ei- nes huͤndiſchen Kriechens zur Befriedigung der Trie- be zu gelangen, wozu ihnen, durch den offenen ge- raden Weg der Gewalt zu gelangen, alſo der Weg geſperrt wird. So, ſezte er mit Hitze hinzu, ließ man einſt in Staaten fuͤr das Kopfgeld Zigeuner, und anders Volk ihrer Art, ins Land, und verbot ihnen uͤbri- gens bey Strafe und Ungnade den Bauern Enten zu ſtehlen, und andere dergleichen Sachen zu machen. Dieſer Unfug iſt noch allenthalben in der Welt; aber alle Gerechtigkeit, welche unter dieſen Umſtaͤn- den in einem Staate moͤglich, iſt denn auch nichts anders, als eine armſelige Nothjagd gegen ver- wahrloſete und verwilderte Thiermenſchen, welche aber das Geſchlecht ſo wenig aͤndert, beſſert, oder zahm macht, als die Fallen und Gruben im Wald den Fuchs, und den Baͤr und den Wolf anders machen als ſie ſind. *) *) Niemand im Land gerecht, aber das halbe Land ungerecht macht, und denn die Kinder ihrer eigenen Ungerechtigkeit behandelt, als wenn ſie keine menſchliche Natur haͤtten, und bey der buͤrgerlichen Verwahrloſung nicht noth- wendig verwildern muͤßten — eine ſolche Ge- rechtigkeit, und keine andere, heißt mein Lieu- tenant eine Galgen- Rad- und Galeeren-Ge- rechtigkeit.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/191>, abgerufen am 26.04.2024.