Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

des Naturlebens solche Meister und Vorbilder zu
werden. --

Allenthalben, wo es immer so ist, und wo im-
mer das wirkliche Resultat der Gesezgebung im Ein-
fluß habenden Menschen also aussieht und auffällt,
da ist Sicherheit der Personen und des Eigen-
thums, Freyheit und Gerechtigkeit eine Chimäre,
weil unter diesen Umständen das Volk, das ist, so
viel als alles was auf zwey Beinen geht -- zu einem
Gesindel wird, das auf der einen Seite seine Sin-
nen und Gedanken und sein ganzes Bestreben da-
hin lenkt, auch, wie seine Obern, von der ver-
haßten Kette loszukommen, und wie sie auch wie
im Wald zu leben, und dabey, wo möglich, noch
bey ihrem Waldleben andere zweybeinigte Geschöpfe
zu ihrer Bedienung, zu ihrer Kommlichkeit und
ihrem Schutz unter sich zu haben. -- Und denn
aber auf der andern Seite von einer unter diesen
Umständen allerhöchst wichtigen und allerhöchst
nothdürftigen Galgen-Rad- und Galeeren-Gerech-
tigkeit *) zurückgeschreckt, zurückgebunden, und zu-



*) Anmerkung. Pardon! der Lieutenant
heißt eine Galgen-Rad- und Galeeren-Gerech-
tigkeit nicht eine solche, die Galgen und Rad
braucht, sondern eine, die sie darum brau-
chen muß, weil sie das Volk verwahrloset,
und selber zu dem macht, wofür sie ihn hin-
tennach straft -- eine solche Gerechtigkeit, die

des Naturlebens ſolche Meiſter und Vorbilder zu
werden. —

Allenthalben, wo es immer ſo iſt, und wo im-
mer das wirkliche Reſultat der Geſezgebung im Ein-
fluß habenden Menſchen alſo ausſieht und auffaͤllt,
da iſt Sicherheit der Perſonen und des Eigen-
thums, Freyheit und Gerechtigkeit eine Chimaͤre,
weil unter dieſen Umſtaͤnden das Volk, das iſt, ſo
viel als alles was auf zwey Beinen geht — zu einem
Geſindel wird, das auf der einen Seite ſeine Sin-
nen und Gedanken und ſein ganzes Beſtreben da-
hin lenkt, auch, wie ſeine Obern, von der ver-
haßten Kette loszukommen, und wie ſie auch wie
im Wald zu leben, und dabey, wo moͤglich, noch
bey ihrem Waldleben andere zweybeinigte Geſchoͤpfe
zu ihrer Bedienung, zu ihrer Kommlichkeit und
ihrem Schutz unter ſich zu haben. — Und denn
aber auf der andern Seite von einer unter dieſen
Umſtaͤnden allerhoͤchſt wichtigen und allerhoͤchſt
nothduͤrftigen Galgen-Rad- und Galeeren-Gerech-
tigkeit *) zuruͤckgeſchreckt, zuruͤckgebunden, und zu-



*) Anmerkung. Pardon! der Lieutenant
heißt eine Galgen-Rad- und Galeeren-Gerech-
tigkeit nicht eine ſolche, die Galgen und Rad
braucht, ſondern eine, die ſie darum brau-
chen muß, weil ſie das Volk verwahrloſet,
und ſelber zu dem macht, wofuͤr ſie ihn hin-
tennach ſtraft — eine ſolche Gerechtigkeit, die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0190" n="172"/>
des Naturlebens &#x017F;olche Mei&#x017F;ter und Vorbilder zu<lb/>
werden. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Allenthalben, wo es immer &#x017F;o i&#x017F;t, und wo im-<lb/>
mer das wirkliche Re&#x017F;ultat der Ge&#x017F;ezgebung im Ein-<lb/>
fluß habenden Men&#x017F;chen al&#x017F;o aus&#x017F;ieht und auffa&#x0364;llt,<lb/>
da i&#x017F;t Sicherheit der Per&#x017F;onen und des Eigen-<lb/>
thums, Freyheit und Gerechtigkeit eine Chima&#x0364;re,<lb/>
weil unter die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden das Volk, das i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
viel als alles was auf zwey Beinen geht &#x2014; zu einem<lb/>
Ge&#x017F;indel wird, das auf der einen Seite &#x017F;eine Sin-<lb/>
nen und Gedanken und &#x017F;ein ganzes Be&#x017F;treben da-<lb/>
hin lenkt, auch, wie &#x017F;eine Obern, von der ver-<lb/>
haßten Kette loszukommen, und wie &#x017F;ie auch wie<lb/>
im Wald zu leben, und dabey, wo mo&#x0364;glich, noch<lb/>
bey ihrem Waldleben andere zweybeinigte Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe<lb/>
zu ihrer Bedienung, zu ihrer Kommlichkeit und<lb/>
ihrem Schutz unter &#x017F;ich zu haben. &#x2014; Und denn<lb/>
aber auf der andern Seite von einer unter die&#x017F;en<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden allerho&#x0364;ch&#x017F;t wichtigen und allerho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
nothdu&#x0364;rftigen Galgen-Rad- und Galeeren-Gerech-<lb/>
tigkeit <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>. Pardon! der Lieutenant<lb/>
heißt eine Galgen-Rad- und Galeeren-Gerech-<lb/>
tigkeit nicht eine &#x017F;olche, die Galgen und Rad<lb/>
braucht, &#x017F;ondern eine, die &#x017F;ie <hi rendition="#g">darum</hi> brau-<lb/>
chen <hi rendition="#g">muß</hi>, weil &#x017F;ie das Volk verwahrlo&#x017F;et,<lb/>
und &#x017F;elber zu dem macht, wofu&#x0364;r &#x017F;ie ihn hin-<lb/>
tennach &#x017F;traft &#x2014; eine &#x017F;olche Gerechtigkeit, die</note> zuru&#x0364;ckge&#x017F;chreckt, zuru&#x0364;ckgebunden, und zu-<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0190] des Naturlebens ſolche Meiſter und Vorbilder zu werden. — Allenthalben, wo es immer ſo iſt, und wo im- mer das wirkliche Reſultat der Geſezgebung im Ein- fluß habenden Menſchen alſo ausſieht und auffaͤllt, da iſt Sicherheit der Perſonen und des Eigen- thums, Freyheit und Gerechtigkeit eine Chimaͤre, weil unter dieſen Umſtaͤnden das Volk, das iſt, ſo viel als alles was auf zwey Beinen geht — zu einem Geſindel wird, das auf der einen Seite ſeine Sin- nen und Gedanken und ſein ganzes Beſtreben da- hin lenkt, auch, wie ſeine Obern, von der ver- haßten Kette loszukommen, und wie ſie auch wie im Wald zu leben, und dabey, wo moͤglich, noch bey ihrem Waldleben andere zweybeinigte Geſchoͤpfe zu ihrer Bedienung, zu ihrer Kommlichkeit und ihrem Schutz unter ſich zu haben. — Und denn aber auf der andern Seite von einer unter dieſen Umſtaͤnden allerhoͤchſt wichtigen und allerhoͤchſt nothduͤrftigen Galgen-Rad- und Galeeren-Gerech- tigkeit *) zuruͤckgeſchreckt, zuruͤckgebunden, und zu- *) Anmerkung. Pardon! der Lieutenant heißt eine Galgen-Rad- und Galeeren-Gerech- tigkeit nicht eine ſolche, die Galgen und Rad braucht, ſondern eine, die ſie darum brau- chen muß, weil ſie das Volk verwahrloſet, und ſelber zu dem macht, wofuͤr ſie ihn hin- tennach ſtraft — eine ſolche Gerechtigkeit, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/190
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/190>, abgerufen am 26.04.2024.