Das Herz war der Meyerin so voll -- sie sezte sich nieder, wie wenn sie krank wäre, und sagte leise und schnaufend -- wie eine kurzathmende Frau, die gar bange hat -- zur Gertrud, du! ich habe mich in Gottes Namen entschlossen, ich will ihn nehmen. --
Diese verstund es vom Sonnenwirth, und antwortete mit einem Gemisch von Unwillen und Wehmuth, ich hätte dir das nicht zugetraut. --
Ae -- was hättest du mir nicht zugetraut? sagte die Meyerin, die nicht wußte, was sie meynte. --
Daß du den Mantel so nach dem Wind hän- gen würdest, erwiederte diese. --
Meyerin. Ae -- wie häng ich den Mantel nach dem Wind? -- Hast nicht verstanden was ich sage? oder was steckt dir im Kopfe? --
Gertrud. (Noch immer im Irrthum) Du machst so viel Fragen -- ich wüßte nicht, auf wel- che ich dir lieber antworten möchte. --
Meyerin. So bist du mir noch nie begeg- net -- was ist das? --
Gertrud. Es thut mir auch weh, daß du just, weil der Junker krank ist, das thust, und so einsmals den Sonnenwirth nimmst. --
Izt verstund sie die Meyerin, schwieg einen Augenblick, und sagte dann lächelnd: izt redest du
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Das Herz war der Meyerin ſo voll — ſie ſezte ſich nieder, wie wenn ſie krank waͤre, und ſagte leiſe und ſchnaufend — wie eine kurzathmende Frau, die gar bange hat — zur Gertrud, du! ich habe mich in Gottes Namen entſchloſſen, ich will ihn nehmen. —
Dieſe verſtund es vom Sonnenwirth, und antwortete mit einem Gemiſch von Unwillen und Wehmuth, ich haͤtte dir das nicht zugetraut. —
Ae — was haͤtteſt du mir nicht zugetraut? ſagte die Meyerin, die nicht wußte, was ſie meynte. —
Daß du den Mantel ſo nach dem Wind haͤn- gen wuͤrdeſt, erwiederte dieſe. —
Meyerin. Ae — wie haͤng ich den Mantel nach dem Wind? — Haſt nicht verſtanden was ich ſage? oder was ſteckt dir im Kopfe? —
Gertrud. (Noch immer im Irrthum) Du machſt ſo viel Fragen — ich wuͤßte nicht, auf wel- che ich dir lieber antworten moͤchte. —
Meyerin. So biſt du mir noch nie begeg- net — was iſt das? —
Gertrud. Es thut mir auch weh, daß du juſt, weil der Junker krank iſt, das thuſt, und ſo einsmals den Sonnenwirth nimmſt. —
Izt verſtund ſie die Meyerin, ſchwieg einen Augenblick, und ſagte dann laͤchelnd: izt redeſt du
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Das Herz war der Meyerin ſo voll — ſie ſezte
ſich nieder, wie wenn ſie krank waͤre, und ſagte leiſe
und ſchnaufend — wie eine kurzathmende Frau,
die gar bange hat — zur Gertrud, du! ich habe
mich in Gottes Namen entſchloſſen, ich will ihn
nehmen. —
Dieſe verſtund es vom Sonnenwirth, und
antwortete mit einem Gemiſch von Unwillen und
Wehmuth, ich haͤtte dir das nicht zugetraut. —
Ae — was haͤtteſt du mir nicht zugetraut?
ſagte die Meyerin, die nicht wußte, was ſie meynte. —
Daß du den Mantel ſo nach dem Wind haͤn-
gen wuͤrdeſt, erwiederte dieſe. —
Meyerin. Ae — wie haͤng ich den Mantel
nach dem Wind? — Haſt nicht verſtanden was ich
ſage? oder was ſteckt dir im Kopfe? —
Gertrud. (Noch immer im Irrthum) Du
machſt ſo viel Fragen — ich wuͤßte nicht, auf wel-
che ich dir lieber antworten moͤchte. —
Meyerin. So biſt du mir noch nie begeg-
net — was iſt das? —
Gertrud. Es thut mir auch weh, daß du
juſt, weil der Junker krank iſt, das thuſt, und ſo
einsmals den Sonnenwirth nimmſt. —
Izt verſtund ſie die Meyerin, ſchwieg einen
Augenblick, und ſagte dann laͤchelnd: izt redeſt du
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/133>, abgerufen am 16.02.2025.
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