Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

zet, springt über Tisch und Bänk an's Fenster
und nimmt da die Hand vor's Maul vor La-
chen.

Das ist ein wilder, sagte da die Meyerin. --
Nicht so gar, sagte die Gertrud, rief dem
Buben wieder -- er kam im Augenblik --
und sie sagte ihm: steh mir jezt da still, du
weissest, es giebt Staub in der Stube, wenn
man so darinn herumspringt.

Ich hab es jezt vergessen; es hat mich auch
so gefreut, daß mein Garn recht ist, sagte
der Bub und stuhnd still an ihrer Hand wie ein
Schaaf.

Da gieng sie noch in die Nebenkammer,
brachte des Rudis kleines Bübelj an ihrem
Arm heraus und gab es der Meyerin.

Sie tragt's alle Tag, wenn's schön Wetter
ist, und die andern zu ihr kommen und spin-
nen, auch mit ihr heim, legt's wenn es schla-
fen will, mit ihrem Grittelj in die Nebenkam-
mer ins Beth.

Jezt war es eben erwacht und hatte die
ganze volle Farbe des gesunden Saug-Kinds
das eben aus dem Schlaf kommt; es schüt-
telte sich, ranggelte auf der Meyerin Arm und
riebe sich die Augen, bis es recht erwachet,
da war es gar freundlich mit ihr; sie machte
ihm mit ihrem Finger so über die Lippen herauf
und herunter, daß es tönte; das dünkte ihns

D 2

zet, ſpringt uͤber Tiſch und Baͤnk an’s Fenſter
und nimmt da die Hand vor’s Maul vor La-
chen.

Das iſt ein wilder, ſagte da die Meyerin. —
Nicht ſo gar, ſagte die Gertrud, rief dem
Buben wieder — er kam im Augenblik —
und ſie ſagte ihm: ſteh mir jezt da ſtill, du
weiſſeſt, es giebt Staub in der Stube, wenn
man ſo darinn herumſpringt.

Ich hab es jezt vergeſſen; es hat mich auch
ſo gefreut, daß mein Garn recht iſt, ſagte
der Bub und ſtuhnd ſtill an ihrer Hand wie ein
Schaaf.

Da gieng ſie noch in die Nebenkammer,
brachte des Rudis kleines Buͤbelj an ihrem
Arm heraus und gab es der Meyerin.

Sie tragt’s alle Tag, wenn’s ſchoͤn Wetter
iſt, und die andern zu ihr kommen und ſpin-
nen, auch mit ihr heim, legt’s wenn es ſchla-
fen will, mit ihrem Grittelj in die Nebenkam-
mer ins Beth.

Jezt war es eben erwacht und hatte die
ganze volle Farbe des geſunden Saug-Kinds
das eben aus dem Schlaf kommt; es ſchuͤt-
telte ſich, ranggelte auf der Meyerin Arm und
riebe ſich die Augen, bis es recht erwachet,
da war es gar freundlich mit ihr; ſie machte
ihm mit ihrem Finger ſo uͤber die Lippen herauf
und herunter, daß es toͤnte; das duͤnkte ihns

D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="51"/>
zet, &#x017F;pringt u&#x0364;ber Ti&#x017F;ch und Ba&#x0364;nk an&#x2019;s Fen&#x017F;ter<lb/>
und nimmt da die Hand vor&#x2019;s Maul vor La-<lb/>
chen.</p><lb/>
        <p>Das i&#x017F;t ein wilder, &#x017F;agte da die Meyerin. &#x2014;<lb/>
Nicht &#x017F;o gar, &#x017F;agte die Gertrud, rief dem<lb/>
Buben wieder &#x2014; er kam im Augenblik &#x2014;<lb/>
und &#x017F;ie &#x017F;agte ihm: &#x017F;teh mir jezt da &#x017F;till, du<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t, es giebt Staub in der Stube, wenn<lb/>
man &#x017F;o darinn herum&#x017F;pringt.</p><lb/>
        <p>Ich hab es jezt verge&#x017F;&#x017F;en; es hat mich auch<lb/>
&#x017F;o gefreut, daß mein Garn recht i&#x017F;t, &#x017F;agte<lb/>
der Bub und &#x017F;tuhnd &#x017F;till an ihrer Hand wie ein<lb/>
Schaaf.</p><lb/>
        <p>Da gieng &#x017F;ie noch in die Nebenkammer,<lb/>
brachte des Rudis kleines Bu&#x0364;belj an ihrem<lb/>
Arm heraus und gab es der Meyerin.</p><lb/>
        <p>Sie tragt&#x2019;s alle Tag, wenn&#x2019;s &#x017F;cho&#x0364;n Wetter<lb/>
i&#x017F;t, und die andern zu ihr kommen und &#x017F;pin-<lb/>
nen, auch mit ihr heim, legt&#x2019;s wenn es &#x017F;chla-<lb/>
fen will, mit ihrem Grittelj in die Nebenkam-<lb/>
mer ins Beth.</p><lb/>
        <p>Jezt war es eben erwacht und hatte die<lb/>
ganze volle Farbe des ge&#x017F;unden Saug-Kinds<lb/>
das eben aus dem Schlaf kommt; es &#x017F;chu&#x0364;t-<lb/>
telte &#x017F;ich, ranggelte auf der Meyerin Arm und<lb/>
riebe &#x017F;ich die Augen, bis es recht erwachet,<lb/>
da war es gar freundlich mit ihr; &#x017F;ie machte<lb/>
ihm mit ihrem Finger &#x017F;o u&#x0364;ber die Lippen herauf<lb/>
und herunter, daß es to&#x0364;nte; das du&#x0364;nkte ihns<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0073] zet, ſpringt uͤber Tiſch und Baͤnk an’s Fenſter und nimmt da die Hand vor’s Maul vor La- chen. Das iſt ein wilder, ſagte da die Meyerin. — Nicht ſo gar, ſagte die Gertrud, rief dem Buben wieder — er kam im Augenblik — und ſie ſagte ihm: ſteh mir jezt da ſtill, du weiſſeſt, es giebt Staub in der Stube, wenn man ſo darinn herumſpringt. Ich hab es jezt vergeſſen; es hat mich auch ſo gefreut, daß mein Garn recht iſt, ſagte der Bub und ſtuhnd ſtill an ihrer Hand wie ein Schaaf. Da gieng ſie noch in die Nebenkammer, brachte des Rudis kleines Buͤbelj an ihrem Arm heraus und gab es der Meyerin. Sie tragt’s alle Tag, wenn’s ſchoͤn Wetter iſt, und die andern zu ihr kommen und ſpin- nen, auch mit ihr heim, legt’s wenn es ſchla- fen will, mit ihrem Grittelj in die Nebenkam- mer ins Beth. Jezt war es eben erwacht und hatte die ganze volle Farbe des geſunden Saug-Kinds das eben aus dem Schlaf kommt; es ſchuͤt- telte ſich, ranggelte auf der Meyerin Arm und riebe ſich die Augen, bis es recht erwachet, da war es gar freundlich mit ihr; ſie machte ihm mit ihrem Finger ſo uͤber die Lippen herauf und herunter, daß es toͤnte; das duͤnkte ihns D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/73
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/73>, abgerufen am 23.11.2024.