Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

schen und seinem Kopf so übel fahrt, als eine
unrichtige Erklärung, an die er glaubt.

Auch sahen die Bonnaler, die jezt neben der
Liebe zum Sich-nicht-angreifen zu müssen,
diese Sonnenerklärung wie ihren Catechismus
in Kopf gefaßt, vergeblich mit ihren Augen die
neue Hausordnung alle Tage mehr Fuß grei-
fen und mehr Bestand zeigen.

Doch dämpfte ihnen ein Lindenberger die
Hize, mit deren diese Sonnen in ihren Köpfen
brannten. -- Er war noch ein Neuling im
Wiederspruch gegen seine Bonnaler, die Träu-
merschelmereyen mit gleicher Hize liebten. --
Und es waren viele Wochen, ehe er dem Lieu-
tenant, wie ich schon erzählt, unter die Hände
kam. Aber er fand dieses Gleichniß doch jezt
schon nicht stichhaltend, und antwortete ihm
das erste mal darauf: die Schul, und das
Wirthshaus, und das Baumwollenspinnen lasse
sich so wenig mit Erscheinungen am Himmel
vergleichen, als sich ein Kalberbraten mit ei-
ner Krautsuppe vergleichen lasse.

Aber die ganze Schärstube wiedersprach ihm
das, und sagte: es vergleiche sich gar wohl,
eines sey so unerhört als das andere.

Er erwiederte ihnen: am einten Ort und in
einem Kopf sey etwas unerhört, das in einem
andern Ort und in einem andern Kopf gar
wohl erhört und völlig im Brauch sey: z. Er.

A a 3

ſchen und ſeinem Kopf ſo uͤbel fahrt, als eine
unrichtige Erklaͤrung, an die er glaubt.

Auch ſahen die Bonnaler, die jezt neben der
Liebe zum Sich-nicht-angreifen zu muͤſſen,
dieſe Sonnenerklaͤrung wie ihren Catechismus
in Kopf gefaßt, vergeblich mit ihren Augen die
neue Hausordnung alle Tage mehr Fuß grei-
fen und mehr Beſtand zeigen.

Doch daͤmpfte ihnen ein Lindenberger die
Hize, mit deren dieſe Sonnen in ihren Koͤpfen
brannten. — Er war noch ein Neuling im
Wiederſpruch gegen ſeine Bonnaler, die Traͤu-
merſchelmereyen mit gleicher Hize liebten. —
Und es waren viele Wochen, ehe er dem Lieu-
tenant, wie ich ſchon erzaͤhlt, unter die Haͤnde
kam. Aber er fand dieſes Gleichniß doch jezt
ſchon nicht ſtichhaltend, und antwortete ihm
das erſte mal darauf: die Schul, und das
Wirthshaus, und das Baumwollenſpinnen laſſe
ſich ſo wenig mit Erſcheinungen am Himmel
vergleichen, als ſich ein Kalberbraten mit ei-
ner Krautſuppe vergleichen laſſe.

Aber die ganze Schaͤrſtube wiederſprach ihm
das, und ſagte: es vergleiche ſich gar wohl,
eines ſey ſo unerhoͤrt als das andere.

Er erwiederte ihnen: am einten Ort und in
einem Kopf ſey etwas unerhoͤrt, das in einem
andern Ort und in einem andern Kopf gar
wohl erhoͤrt und voͤllig im Brauch ſey: z. Er.

A a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0395" n="373"/>
&#x017F;chen und &#x017F;einem Kopf &#x017F;o u&#x0364;bel fahrt, als eine<lb/>
unrichtige Erkla&#x0364;rung, an die er glaubt.</p><lb/>
        <p>Auch &#x017F;ahen die Bonnaler, die jezt neben der<lb/>
Liebe zum Sich-nicht-angreifen zu mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
die&#x017F;e Sonnenerkla&#x0364;rung wie ihren Catechismus<lb/>
in Kopf gefaßt, vergeblich mit ihren Augen die<lb/>
neue Hausordnung alle Tage mehr Fuß grei-<lb/>
fen und mehr Be&#x017F;tand zeigen.</p><lb/>
        <p>Doch da&#x0364;mpfte ihnen ein Lindenberger die<lb/>
Hize, mit deren die&#x017F;e Sonnen in ihren Ko&#x0364;pfen<lb/>
brannten. &#x2014; Er war noch ein Neuling im<lb/>
Wieder&#x017F;pruch gegen &#x017F;eine Bonnaler, die Tra&#x0364;u-<lb/>
mer&#x017F;chelmereyen mit gleicher Hize liebten. &#x2014;<lb/>
Und es waren viele Wochen, ehe er dem Lieu-<lb/>
tenant, wie ich &#x017F;chon erza&#x0364;hlt, unter die Ha&#x0364;nde<lb/>
kam. Aber er fand die&#x017F;es Gleichniß doch jezt<lb/>
&#x017F;chon nicht &#x017F;tichhaltend, und antwortete ihm<lb/>
das er&#x017F;te mal darauf: die Schul, und das<lb/>
Wirthshaus, und das Baumwollen&#x017F;pinnen la&#x017F;&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o wenig mit Er&#x017F;cheinungen am Himmel<lb/>
vergleichen, als &#x017F;ich ein Kalberbraten mit ei-<lb/>
ner Kraut&#x017F;uppe vergleichen la&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Aber die ganze Scha&#x0364;r&#x017F;tube wieder&#x017F;prach ihm<lb/>
das, und &#x017F;agte: es vergleiche &#x017F;ich gar wohl,<lb/>
eines &#x017F;ey &#x017F;o unerho&#x0364;rt als das andere.</p><lb/>
        <p>Er erwiederte ihnen: am einten Ort und in<lb/>
einem Kopf &#x017F;ey etwas unerho&#x0364;rt, das in einem<lb/>
andern Ort und in einem andern Kopf gar<lb/>
wohl erho&#x0364;rt und vo&#x0364;llig im Brauch &#x017F;ey: z. Er.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0395] ſchen und ſeinem Kopf ſo uͤbel fahrt, als eine unrichtige Erklaͤrung, an die er glaubt. Auch ſahen die Bonnaler, die jezt neben der Liebe zum Sich-nicht-angreifen zu muͤſſen, dieſe Sonnenerklaͤrung wie ihren Catechismus in Kopf gefaßt, vergeblich mit ihren Augen die neue Hausordnung alle Tage mehr Fuß grei- fen und mehr Beſtand zeigen. Doch daͤmpfte ihnen ein Lindenberger die Hize, mit deren dieſe Sonnen in ihren Koͤpfen brannten. — Er war noch ein Neuling im Wiederſpruch gegen ſeine Bonnaler, die Traͤu- merſchelmereyen mit gleicher Hize liebten. — Und es waren viele Wochen, ehe er dem Lieu- tenant, wie ich ſchon erzaͤhlt, unter die Haͤnde kam. Aber er fand dieſes Gleichniß doch jezt ſchon nicht ſtichhaltend, und antwortete ihm das erſte mal darauf: die Schul, und das Wirthshaus, und das Baumwollenſpinnen laſſe ſich ſo wenig mit Erſcheinungen am Himmel vergleichen, als ſich ein Kalberbraten mit ei- ner Krautſuppe vergleichen laſſe. Aber die ganze Schaͤrſtube wiederſprach ihm das, und ſagte: es vergleiche ſich gar wohl, eines ſey ſo unerhoͤrt als das andere. Er erwiederte ihnen: am einten Ort und in einem Kopf ſey etwas unerhoͤrt, das in einem andern Ort und in einem andern Kopf gar wohl erhoͤrt und voͤllig im Brauch ſey: z. Er. A a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/395
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/395>, abgerufen am 12.05.2024.