Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Das ist so lang die Welt steht, das Wort
gewesen, womit dumme und schlaue Leuthe
Hand in Hand einander geholfen, den Bogen
abzuspannen, wenn etwas Gutes, das man
mit den Menschen machen wollte, nicht in ih-
ren Kram diente; -- und es ist kein Wort in
der Welt, womit man sicherer unter der Deke
alles hindern, und dem Menschen in allem was
er Gutes thun sollte, die Augen ausbohren kann,
als dieses.

Der andere Grund ist der gleiche, aber auf
eine andere Manier. Es brachte ihn ein Mann,
der die Wassersucht hatte, und in seiner Krank-
heit Jahre lang Zeit hatte, hinter dem Ofen
allem nachzusinnen. Dieser verglich das ganze
Wesen der Lufterscheinung zu den Zeiten ihrer
Großväter, da einmal drey Sonnen mit ein-
ander am Himmel geschienen, aber in einer
Viertelstunde darauf wieder zu einer einzigen
geworden.

Diese Erklärung behagte ihnen so wohl, und
machte sie ihre liebe Meynung so vernünftig
finden, daß sie glaubten und sagten: sieben
Pfarrer mit einander könnten es ihnen nicht
besser erklären.

Sie faßten sie auch in Kopf, daß alles, was
ihnen dagegen vor Augen stuhnd, ihnen so zu
reden zu nichts war.

Es ist aber auch nichts, das mit dem Men-

Das iſt ſo lang die Welt ſteht, das Wort
geweſen, womit dumme und ſchlaue Leuthe
Hand in Hand einander geholfen, den Bogen
abzuſpannen, wenn etwas Gutes, das man
mit den Menſchen machen wollte, nicht in ih-
ren Kram diente; — und es iſt kein Wort in
der Welt, womit man ſicherer unter der Deke
alles hindern, und dem Menſchen in allem was
er Gutes thun ſollte, die Augen ausbohren kann,
als dieſes.

Der andere Grund iſt der gleiche, aber auf
eine andere Manier. Es brachte ihn ein Mann,
der die Waſſerſucht hatte, und in ſeiner Krank-
heit Jahre lang Zeit hatte, hinter dem Ofen
allem nachzuſinnen. Dieſer verglich das ganze
Weſen der Lufterſcheinung zu den Zeiten ihrer
Großvaͤter, da einmal drey Sonnen mit ein-
ander am Himmel geſchienen, aber in einer
Viertelſtunde darauf wieder zu einer einzigen
geworden.

Dieſe Erklaͤrung behagte ihnen ſo wohl, und
machte ſie ihre liebe Meynung ſo vernuͤnftig
finden, daß ſie glaubten und ſagten: ſieben
Pfarrer mit einander koͤnnten es ihnen nicht
beſſer erklaͤren.

Sie faßten ſie auch in Kopf, daß alles, was
ihnen dagegen vor Augen ſtuhnd, ihnen ſo zu
reden zu nichts war.

Es iſt aber auch nichts, das mit dem Men-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0394" n="372"/>
        <p>Das i&#x017F;t &#x017F;o lang die Welt &#x017F;teht, das Wort<lb/>
gewe&#x017F;en, womit dumme und &#x017F;chlaue Leuthe<lb/>
Hand in Hand einander geholfen, den Bogen<lb/>
abzu&#x017F;pannen, wenn etwas Gutes, das man<lb/>
mit den Men&#x017F;chen machen wollte, nicht in ih-<lb/>
ren Kram diente; &#x2014; und es i&#x017F;t kein Wort in<lb/>
der Welt, womit man &#x017F;icherer unter der Deke<lb/>
alles hindern, und dem Men&#x017F;chen in allem was<lb/>
er Gutes thun &#x017F;ollte, die Augen ausbohren kann,<lb/>
als die&#x017F;es.</p><lb/>
        <p>Der andere Grund i&#x017F;t der gleiche, aber auf<lb/>
eine andere Manier. Es brachte ihn ein Mann,<lb/>
der die Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht hatte, und in &#x017F;einer Krank-<lb/>
heit Jahre lang Zeit hatte, hinter dem Ofen<lb/>
allem nachzu&#x017F;innen. Die&#x017F;er verglich das ganze<lb/>
We&#x017F;en der Lufter&#x017F;cheinung zu den Zeiten ihrer<lb/>
Großva&#x0364;ter, da einmal drey Sonnen mit ein-<lb/>
ander am Himmel ge&#x017F;chienen, aber in einer<lb/>
Viertel&#x017F;tunde darauf wieder zu einer einzigen<lb/>
geworden.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Erkla&#x0364;rung behagte ihnen &#x017F;o wohl, und<lb/>
machte &#x017F;ie ihre liebe Meynung &#x017F;o vernu&#x0364;nftig<lb/>
finden, daß &#x017F;ie glaubten und &#x017F;agten: &#x017F;ieben<lb/>
Pfarrer mit einander ko&#x0364;nnten es ihnen nicht<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er erkla&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Sie faßten &#x017F;ie auch in Kopf, daß alles, was<lb/>
ihnen dagegen vor Augen &#x017F;tuhnd, ihnen &#x017F;o zu<lb/>
reden zu nichts war.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t aber auch nichts, das mit dem Men-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0394] Das iſt ſo lang die Welt ſteht, das Wort geweſen, womit dumme und ſchlaue Leuthe Hand in Hand einander geholfen, den Bogen abzuſpannen, wenn etwas Gutes, das man mit den Menſchen machen wollte, nicht in ih- ren Kram diente; — und es iſt kein Wort in der Welt, womit man ſicherer unter der Deke alles hindern, und dem Menſchen in allem was er Gutes thun ſollte, die Augen ausbohren kann, als dieſes. Der andere Grund iſt der gleiche, aber auf eine andere Manier. Es brachte ihn ein Mann, der die Waſſerſucht hatte, und in ſeiner Krank- heit Jahre lang Zeit hatte, hinter dem Ofen allem nachzuſinnen. Dieſer verglich das ganze Weſen der Lufterſcheinung zu den Zeiten ihrer Großvaͤter, da einmal drey Sonnen mit ein- ander am Himmel geſchienen, aber in einer Viertelſtunde darauf wieder zu einer einzigen geworden. Dieſe Erklaͤrung behagte ihnen ſo wohl, und machte ſie ihre liebe Meynung ſo vernuͤnftig finden, daß ſie glaubten und ſagten: ſieben Pfarrer mit einander koͤnnten es ihnen nicht beſſer erklaͤren. Sie faßten ſie auch in Kopf, daß alles, was ihnen dagegen vor Augen ſtuhnd, ihnen ſo zu reden zu nichts war. Es iſt aber auch nichts, das mit dem Men-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/394
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/394>, abgerufen am 12.05.2024.