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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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könne es nicht anderst seyn, es müsse noch viel
unerhörter geschienen haben, den ersten Pflug
ins Feld zu stellen, und den ersten Baum zu
zweyen, als alles was der Junker bis jezt an-
gefangen habe. Und nun ohne Gleichniß und
Sprüchworte zu reden, so müsse eine Oberkeit
entweders die Leuthe überall laufen lassen, wie
sie laufen, oder könne sich unmöglich, wenn sie
ein Land von der Liederlichkeit und Unordnung
abgewöhnen wolle, damit abspeisen lassen, es
sey unerhört, die Leuthe arbeiten und in der
Ordnung leben zu lassen; eben so wenig als mit
dem, es sey ein böser Traum, etwas mit den
Menschen auszurichten.

So deutlich das war, so blieben dennoch
immer viele Leuthe auf der alten Meynung.

Einige, die gestehen mußten, die neue Ord-
nung griff wirklich mehr Fuß, kamen jezt mit
dem "sie können nicht begreifen, wie es komme,
"daß es ihm so gehe wie er wolle! --" Und
es war nur niemand, der ihnen sagte, es sey
nichts daran gelegen, ob sie es begreifen oder
nicht. Hingegen sagte ein Kienholzer, er be-
greife es gar wohl, der Junker brauche die
zwo Pfeifen, mit denen man seitdem die Welt
steht, alles ausgerichtet: die Brodpfeife und die
Freundlichkeitspfeife. Wer da war, rühmte
die zwo Pfeifen, und sagte, es sey wahr, der
Junker brauche sie wie ein Meister.


koͤnne es nicht anderſt ſeyn, es muͤſſe noch viel
unerhoͤrter geſchienen haben, den erſten Pflug
ins Feld zu ſtellen, und den erſten Baum zu
zweyen, als alles was der Junker bis jezt an-
gefangen habe. Und nun ohne Gleichniß und
Spruͤchworte zu reden, ſo muͤſſe eine Oberkeit
entweders die Leuthe uͤberall laufen laſſen, wie
ſie laufen, oder koͤnne ſich unmoͤglich, wenn ſie
ein Land von der Liederlichkeit und Unordnung
abgewoͤhnen wolle, damit abſpeiſen laſſen, es
ſey unerhoͤrt, die Leuthe arbeiten und in der
Ordnung leben zu laſſen; eben ſo wenig als mit
dem, es ſey ein boͤſer Traum, etwas mit den
Menſchen auszurichten.

So deutlich das war, ſo blieben dennoch
immer viele Leuthe auf der alten Meynung.

Einige, die geſtehen mußten, die neue Ord-
nung griff wirklich mehr Fuß, kamen jezt mit
dem “ſie koͤnnen nicht begreifen, wie es komme,
„daß es ihm ſo gehe wie er wolle! —„ Und
es war nur niemand, der ihnen ſagte, es ſey
nichts daran gelegen, ob ſie es begreifen oder
nicht. Hingegen ſagte ein Kienholzer, er be-
greife es gar wohl, der Junker brauche die
zwo Pfeifen, mit denen man ſeitdem die Welt
ſteht, alles ausgerichtet: die Brodpfeife und die
Freundlichkeitspfeife. Wer da war, ruͤhmte
die zwo Pfeifen, und ſagte, es ſey wahr, der
Junker brauche ſie wie ein Meiſter.


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[374/0396] koͤnne es nicht anderſt ſeyn, es muͤſſe noch viel unerhoͤrter geſchienen haben, den erſten Pflug ins Feld zu ſtellen, und den erſten Baum zu zweyen, als alles was der Junker bis jezt an- gefangen habe. Und nun ohne Gleichniß und Spruͤchworte zu reden, ſo muͤſſe eine Oberkeit entweders die Leuthe uͤberall laufen laſſen, wie ſie laufen, oder koͤnne ſich unmoͤglich, wenn ſie ein Land von der Liederlichkeit und Unordnung abgewoͤhnen wolle, damit abſpeiſen laſſen, es ſey unerhoͤrt, die Leuthe arbeiten und in der Ordnung leben zu laſſen; eben ſo wenig als mit dem, es ſey ein boͤſer Traum, etwas mit den Menſchen auszurichten. So deutlich das war, ſo blieben dennoch immer viele Leuthe auf der alten Meynung. Einige, die geſtehen mußten, die neue Ord- nung griff wirklich mehr Fuß, kamen jezt mit dem “ſie koͤnnen nicht begreifen, wie es komme, „daß es ihm ſo gehe wie er wolle! —„ Und es war nur niemand, der ihnen ſagte, es ſey nichts daran gelegen, ob ſie es begreifen oder nicht. Hingegen ſagte ein Kienholzer, er be- greife es gar wohl, der Junker brauche die zwo Pfeifen, mit denen man ſeitdem die Welt ſteht, alles ausgerichtet: die Brodpfeife und die Freundlichkeitspfeife. Wer da war, ruͤhmte die zwo Pfeifen, und ſagte, es ſey wahr, der Junker brauche ſie wie ein Meiſter.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/396>, abgerufen am 12.05.2024.