Mit dem nahm er seinen Carl, der neben ihm stand, auf den Schoos, und sagte ihm: gäll, die Frauen sind dir auch lieb, daß sie sich der armen Kinder so annehmen? ihnen so zu Kleidern helfen, und noch dazu Sorg tragen?
Ja gewiß Papa sind sie mir lieb; die ar- men Kinder haben nicht so eine Mama wie ich, die ihnen dafür sorget.
Dieses Wort lupfte die Reinoldin vom Stuhl auf, so freuete es sie, an dem Buben; sie gieng mit beyden Armen auf ihn zu, nahm ihn bey der Hand, und sagte: wenn du ein an- derer wärest, ich möchte dich für das küssen. Arner bot ihr ihn lachend; da erdrükte sie ihn fast; er schüttelte den Kopf als sie ihn so hielt und sagte, als sie endlich nachließ: du küssest doch doch auch gar hart!
Du magst es wohl erleiden, sagte die Rei- noldin, und bot ihn der Gertrud vor, die auch beyde Hände gegen ihn ausstrekte. Diese aber rührte ihn kaum an mit dem Mund; und er gab der Reinoldin, die ihn fragte: küßt jezt die auch hart? zur Antwort, nein: die küßt nicht hart.
Diese gab ihn dann dem Mareylj, und die Reinoldin fragte ihr wieder, wie ist dirs jezt bey der gegangen? und er antwortete ihr, einmal nicht so hart wie bey dir.
Die Weiber wurden nach und nach so traut
Mit dem nahm er ſeinen Carl, der neben ihm ſtand, auf den Schoos, und ſagte ihm: gaͤll, die Frauen ſind dir auch lieb, daß ſie ſich der armen Kinder ſo annehmen? ihnen ſo zu Kleidern helfen, und noch dazu Sorg tragen?
Ja gewiß Papa ſind ſie mir lieb; die ar- men Kinder haben nicht ſo eine Mama wie ich, die ihnen dafuͤr ſorget.
Dieſes Wort lupfte die Reinoldin vom Stuhl auf, ſo freuete es ſie, an dem Buben; ſie gieng mit beyden Armen auf ihn zu, nahm ihn bey der Hand, und ſagte: wenn du ein an- derer waͤreſt, ich moͤchte dich fuͤr das kuͤſſen. Arner bot ihr ihn lachend; da erdruͤkte ſie ihn faſt; er ſchuͤttelte den Kopf als ſie ihn ſo hielt und ſagte, als ſie endlich nachließ: du kuͤſſeſt doch doch auch gar hart!
Du magſt es wohl erleiden, ſagte die Rei- noldin, und bot ihn der Gertrud vor, die auch beyde Haͤnde gegen ihn ausſtrekte. Dieſe aber ruͤhrte ihn kaum an mit dem Mund; und er gab der Reinoldin, die ihn fragte: kuͤßt jezt die auch hart? zur Antwort, nein: die kuͤßt nicht hart.
Dieſe gab ihn dann dem Mareylj, und die Reinoldin fragte ihr wieder, wie iſt dirs jezt bey der gegangen? und er antwortete ihr, einmal nicht ſo hart wie bey dir.
Die Weiber wurden nach und nach ſo traut
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Mit dem nahm er ſeinen Carl, der neben
ihm ſtand, auf den Schoos, und ſagte ihm:
gaͤll, die Frauen ſind dir auch lieb, daß ſie ſich
der armen Kinder ſo annehmen? ihnen ſo zu
Kleidern helfen, und noch dazu Sorg tragen?
Ja gewiß Papa ſind ſie mir lieb; die ar-
men Kinder haben nicht ſo eine Mama wie
ich, die ihnen dafuͤr ſorget.
Dieſes Wort lupfte die Reinoldin vom
Stuhl auf, ſo freuete es ſie, an dem Buben;
ſie gieng mit beyden Armen auf ihn zu, nahm
ihn bey der Hand, und ſagte: wenn du ein an-
derer waͤreſt, ich moͤchte dich fuͤr das kuͤſſen.
Arner bot ihr ihn lachend; da erdruͤkte ſie ihn
faſt; er ſchuͤttelte den Kopf als ſie ihn ſo hielt
und ſagte, als ſie endlich nachließ: du kuͤſſeſt
doch doch auch gar hart!
Du magſt es wohl erleiden, ſagte die Rei-
noldin, und bot ihn der Gertrud vor, die auch
beyde Haͤnde gegen ihn ausſtrekte. Dieſe aber
ruͤhrte ihn kaum an mit dem Mund; und er
gab der Reinoldin, die ihn fragte: kuͤßt jezt
die auch hart? zur Antwort, nein: die kuͤßt
nicht hart.
Dieſe gab ihn dann dem Mareylj, und die
Reinoldin fragte ihr wieder, wie iſt dirs jezt
bey der gegangen? und er antwortete ihr,
einmal nicht ſo hart wie bey dir.
Die Weiber wurden nach und nach ſo traut
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/288>, abgerufen am 23.11.2024.
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