wo er vor Herzklopfen und Maul aufthun, wie blind und taub ware, in Kopf gesezt, der Junker sey mit Fleiß, so lang bey der Gertrud geblieben, und habe aus keinem Grund, als aus diesem, so wider seine Ge- wohnheit, Leuth und Vieh, auf ihn warten gemacht, als weil er wohl denken können, er müsse denn hinkommen wo er sey; und es seye kein Wort geredt worden, das sie nicht mit einander abgeredt.
In diesem Wahn sagte er dann zu ihr: ich hätte nicht gemeynt, daß ich so eine Schwe- ster hätte. --
Was für eine Schwester? sagte die Meyerin, die gar nicht wußte was er meynte.
Es braucht sich nicht, daß du mich doppelt für einen Narren haltest, sagte er, und klagte fort, er habe doch nicht an ihr verdient, daß sie ihms so mache; -- bis sie zulezt überdrüßig ihm sagte: wenn er einen Rausch habe, und nicht reden könne, daß man ihn verstehe, so solle er heimgehen, und dann morn wieder- kommen.
Ich bin so nüchter als du, sagte der Vogt; und hatte Magenshalber recht, denn er hatte nicht einmal seinen Abend-Wein getrunken, da er von dem Ried heimgekommen, und zu ihr gelaufen.
Endlich kam es doch so weit, daß er sagte:
K 4
wo er vor Herzklopfen und Maul aufthun, wie blind und taub ware, in Kopf geſezt, der Junker ſey mit Fleiß, ſo lang bey der Gertrud geblieben, und habe aus keinem Grund, als aus dieſem, ſo wider ſeine Ge- wohnheit, Leuth und Vieh, auf ihn warten gemacht, als weil er wohl denken koͤnnen, er muͤſſe denn hinkommen wo er ſey; und es ſeye kein Wort geredt worden, das ſie nicht mit einander abgeredt.
In dieſem Wahn ſagte er dann zu ihr: ich haͤtte nicht gemeynt, daß ich ſo eine Schwe- ſter haͤtte. —
Was fuͤr eine Schweſter? ſagte die Meyerin, die gar nicht wußte was er meynte.
Es braucht ſich nicht, daß du mich doppelt fuͤr einen Narren halteſt, ſagte er, und klagte fort, er habe doch nicht an ihr verdient, daß ſie ihms ſo mache; — bis ſie zulezt uͤberdruͤßig ihm ſagte: wenn er einen Rauſch habe, und nicht reden koͤnne, daß man ihn verſtehe, ſo ſolle er heimgehen, und dann morn wieder- kommen.
Ich bin ſo nuͤchter als du, ſagte der Vogt; und hatte Magenshalber recht, denn er hatte nicht einmal ſeinen Abend-Wein getrunken, da er von dem Ried heimgekommen, und zu ihr gelaufen.
Endlich kam es doch ſo weit, daß er ſagte:
K 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0173"n="151"/>
wo er vor Herzklopfen und Maul aufthun,<lb/>
wie blind und taub ware, in Kopf geſezt,<lb/>
der Junker ſey mit Fleiß, ſo lang bey der<lb/>
Gertrud geblieben, und habe aus keinem<lb/>
Grund, als aus dieſem, ſo wider ſeine Ge-<lb/>
wohnheit, Leuth und Vieh, auf ihn warten<lb/>
gemacht, als weil er wohl denken koͤnnen, er<lb/>
muͤſſe denn hinkommen wo er ſey; und es<lb/>ſeye kein Wort geredt worden, das ſie nicht<lb/>
mit einander abgeredt.</p><lb/><p>In dieſem Wahn ſagte er dann zu ihr: ich<lb/>
haͤtte nicht gemeynt, daß ich ſo eine Schwe-<lb/>ſter haͤtte. —</p><lb/><p>Was fuͤr eine Schweſter? ſagte die Meyerin,<lb/>
die gar nicht wußte was er meynte.</p><lb/><p>Es braucht ſich nicht, daß du mich doppelt<lb/>
fuͤr einen Narren halteſt, ſagte er, und klagte<lb/>
fort, er habe doch nicht an ihr verdient, daß<lb/>ſie ihms ſo mache; — bis ſie zulezt uͤberdruͤßig<lb/>
ihm ſagte: wenn er einen Rauſch habe, und<lb/>
nicht reden koͤnne, daß man ihn verſtehe, ſo<lb/>ſolle er heimgehen, und dann morn wieder-<lb/>
kommen.</p><lb/><p>Ich bin ſo nuͤchter als du, ſagte der Vogt;<lb/>
und hatte Magenshalber recht, denn er hatte<lb/>
nicht einmal ſeinen Abend-Wein getrunken,<lb/>
da er von dem Ried heimgekommen, und zu<lb/>
ihr gelaufen.</p><lb/><p>Endlich kam es doch ſo weit, daß er ſagte:<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K 4</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[151/0173]
wo er vor Herzklopfen und Maul aufthun,
wie blind und taub ware, in Kopf geſezt,
der Junker ſey mit Fleiß, ſo lang bey der
Gertrud geblieben, und habe aus keinem
Grund, als aus dieſem, ſo wider ſeine Ge-
wohnheit, Leuth und Vieh, auf ihn warten
gemacht, als weil er wohl denken koͤnnen, er
muͤſſe denn hinkommen wo er ſey; und es
ſeye kein Wort geredt worden, das ſie nicht
mit einander abgeredt.
In dieſem Wahn ſagte er dann zu ihr: ich
haͤtte nicht gemeynt, daß ich ſo eine Schwe-
ſter haͤtte. —
Was fuͤr eine Schweſter? ſagte die Meyerin,
die gar nicht wußte was er meynte.
Es braucht ſich nicht, daß du mich doppelt
fuͤr einen Narren halteſt, ſagte er, und klagte
fort, er habe doch nicht an ihr verdient, daß
ſie ihms ſo mache; — bis ſie zulezt uͤberdruͤßig
ihm ſagte: wenn er einen Rauſch habe, und
nicht reden koͤnne, daß man ihn verſtehe, ſo
ſolle er heimgehen, und dann morn wieder-
kommen.
Ich bin ſo nuͤchter als du, ſagte der Vogt;
und hatte Magenshalber recht, denn er hatte
nicht einmal ſeinen Abend-Wein getrunken,
da er von dem Ried heimgekommen, und zu
ihr gelaufen.
Endlich kam es doch ſo weit, daß er ſagte:
K 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/173>, abgerufen am 13.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.