Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Es hängte zwar der eint und andere das
Maul ob dieser Ordnung als ob ihm unrecht
geschehen, aber sie nahmen die Bäume doch --
die andern lachten, daß ihnen so recht gesche-
hen -- und der Junker sagte dann -- als
sie ihre Bäum hatten, und alles wieder in ei-
nem Kreiß um ihn her stuhnd: --

Ich hätte gern, daß es auch der ärmsten Haus-
haltung nicht an der nöthigen Milch fehlte,
ihren jungen Kindern eine gute und ihrem Al-
ter angemessene, und für ihr Wachsen und Zu-
nehmen nothwendige Suppe machen zu können,
-- darum habe ich diese Geissen machen hie-
her kommen, und will denen, die das Geld
nicht haben für ihre Kinder eine zu kauffen, das-
selbe gern vorschiessen, und hiemit befahl er
denen, die einen solchen Vorschuß gern hätten,
näher zu ihm zu kommen.

Es kamen ihrer sieben und zwanzig; aber
sie sahen aus, daß es ihm durch Leib und Seel
fuhr, -- ohne Hut, -- ohne Kappe, --
ohne Schuh und Strümpf, und alles an ihren
Kleidern zerrissen.

Das war noch nicht ihr Elend; der Lump,
der Schlägler, der Tröhler, der Spieler und
Säuffer war nicht nur auf ihren Röken, war
auf ihren Gesichtern wie abgemahlt.

Es erschütterte Arner, da er sie ansah; mit
Ernst und Unwillen sagte er ihnen, ihr sehet
doch auch gar aus.


Es haͤngte zwar der eint und andere das
Maul ob dieſer Ordnung als ob ihm unrecht
geſchehen, aber ſie nahmen die Baͤume doch —
die andern lachten, daß ihnen ſo recht geſche-
hen — und der Junker ſagte dann — als
ſie ihre Baͤum hatten, und alles wieder in ei-
nem Kreiß um ihn her ſtuhnd: —

Ich haͤtte gern, daß es auch der aͤrmſten Haus-
haltung nicht an der noͤthigen Milch fehlte,
ihren jungen Kindern eine gute und ihrem Al-
ter angemeſſene, und fuͤr ihr Wachſen und Zu-
nehmen nothwendige Suppe machen zu koͤnnen,
— darum habe ich dieſe Geiſſen machen hie-
her kommen, und will denen, die das Geld
nicht haben fuͤr ihre Kinder eine zu kauffen, daſ-
ſelbe gern vorſchieſſen, und hiemit befahl er
denen, die einen ſolchen Vorſchuß gern haͤtten,
naͤher zu ihm zu kommen.

Es kamen ihrer ſieben und zwanzig; aber
ſie ſahen aus, daß es ihm durch Leib und Seel
fuhr, — ohne Hut, — ohne Kappe, —
ohne Schuh und Struͤmpf, und alles an ihren
Kleidern zerriſſen.

Das war noch nicht ihr Elend; der Lump,
der Schlaͤgler, der Troͤhler, der Spieler und
Saͤuffer war nicht nur auf ihren Roͤken, war
auf ihren Geſichtern wie abgemahlt.

Es erſchuͤtterte Arner, da er ſie anſah; mit
Ernſt und Unwillen ſagte er ihnen, ihr ſehet
doch auch gar aus.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0130" n="108"/>
        <p>Es ha&#x0364;ngte zwar der eint und andere das<lb/>
Maul ob die&#x017F;er Ordnung als ob ihm unrecht<lb/>
ge&#x017F;chehen, aber &#x017F;ie nahmen die Ba&#x0364;ume doch &#x2014;<lb/>
die andern lachten, daß ihnen &#x017F;o recht ge&#x017F;che-<lb/>
hen &#x2014; und der Junker &#x017F;agte dann &#x2014; als<lb/>
&#x017F;ie ihre Ba&#x0364;um hatten, und alles wieder in ei-<lb/>
nem Kreiß um ihn her &#x017F;tuhnd: &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich ha&#x0364;tte gern, daß es auch der a&#x0364;rm&#x017F;ten Haus-<lb/>
haltung nicht an der no&#x0364;thigen Milch fehlte,<lb/>
ihren jungen Kindern eine gute und ihrem Al-<lb/>
ter angeme&#x017F;&#x017F;ene, und fu&#x0364;r ihr Wach&#x017F;en und Zu-<lb/>
nehmen nothwendige Suppe machen zu ko&#x0364;nnen,<lb/>
&#x2014; darum habe ich die&#x017F;e Gei&#x017F;&#x017F;en machen hie-<lb/>
her kommen, und will denen, die das Geld<lb/>
nicht haben fu&#x0364;r ihre Kinder eine zu kauffen, da&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elbe gern vor&#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en, und hiemit befahl er<lb/>
denen, die einen &#x017F;olchen Vor&#x017F;chuß gern ha&#x0364;tten,<lb/>
na&#x0364;her zu ihm zu kommen.</p><lb/>
        <p>Es kamen ihrer &#x017F;ieben und zwanzig; aber<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ahen aus, daß es ihm durch Leib und Seel<lb/>
fuhr, &#x2014; ohne Hut, &#x2014; ohne Kappe, &#x2014;<lb/>
ohne Schuh und Stru&#x0364;mpf, und alles an ihren<lb/>
Kleidern zerri&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Das war noch nicht ihr Elend; der Lump,<lb/>
der Schla&#x0364;gler, der Tro&#x0364;hler, der Spieler und<lb/>
Sa&#x0364;uffer war nicht nur auf ihren Ro&#x0364;ken, war<lb/>
auf ihren Ge&#x017F;ichtern wie abgemahlt.</p><lb/>
        <p>Es er&#x017F;chu&#x0364;tterte Arner, da er &#x017F;ie an&#x017F;ah; mit<lb/>
Ern&#x017F;t und Unwillen &#x017F;agte er ihnen, ihr &#x017F;ehet<lb/>
doch auch gar aus.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0130] Es haͤngte zwar der eint und andere das Maul ob dieſer Ordnung als ob ihm unrecht geſchehen, aber ſie nahmen die Baͤume doch — die andern lachten, daß ihnen ſo recht geſche- hen — und der Junker ſagte dann — als ſie ihre Baͤum hatten, und alles wieder in ei- nem Kreiß um ihn her ſtuhnd: — Ich haͤtte gern, daß es auch der aͤrmſten Haus- haltung nicht an der noͤthigen Milch fehlte, ihren jungen Kindern eine gute und ihrem Al- ter angemeſſene, und fuͤr ihr Wachſen und Zu- nehmen nothwendige Suppe machen zu koͤnnen, — darum habe ich dieſe Geiſſen machen hie- her kommen, und will denen, die das Geld nicht haben fuͤr ihre Kinder eine zu kauffen, daſ- ſelbe gern vorſchieſſen, und hiemit befahl er denen, die einen ſolchen Vorſchuß gern haͤtten, naͤher zu ihm zu kommen. Es kamen ihrer ſieben und zwanzig; aber ſie ſahen aus, daß es ihm durch Leib und Seel fuhr, — ohne Hut, — ohne Kappe, — ohne Schuh und Struͤmpf, und alles an ihren Kleidern zerriſſen. Das war noch nicht ihr Elend; der Lump, der Schlaͤgler, der Troͤhler, der Spieler und Saͤuffer war nicht nur auf ihren Roͤken, war auf ihren Geſichtern wie abgemahlt. Es erſchuͤtterte Arner, da er ſie anſah; mit Ernſt und Unwillen ſagte er ihnen, ihr ſehet doch auch gar aus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/130
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/130>, abgerufen am 13.10.2024.