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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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§. 15.
Des Kalberleders Versuch, den Sa-
chen zu helffen, und sein übler
Ausschlag.

Sie waren izt da, und thaten was nöthig,
und der junge Kalberleder gieng bald
zum Nußbaum, und fieng dann an, wie wenn
er einen halben Rausch hätte, den Kühreyen
zu singen. Das dunkte den Pfarrer gar lu-
stig, er lag unter das Fenster, und hörte dem
Holzhaker, der den Kühreyen sang zu. Auch
der Vogt gukte hinter dem Umhang hervor,
zu sehen, was das geben müße; denn er
merkte gleich, daß der Kalberleder nicht für
die lange Zeit den Baum umhaue, sonder
daß dahinter gewiß etwas stekte.

Es gieg nicht lang, so stellte des Pfarrers
Hans sich in seinen Garten-Eken zum Kalber-
leder und sagte: "Es ist fast Schade, daß
du den Baum umhauest, er trug ja alle Jah-
re so viel Nussen." Der Kalberleder antwor-
tete: "Er giebt gute Läden zu Flintenschäften,
und mein Vater hat einem Glarner einen gu-
ten Baum versprochen; zu dem treiben die
Nußbäume mit den Wurzeln gar weit, und
schaden mehrentheils am Gras mehr, als sie
an den Nussen abtragen. --

Hans.
§. 15.
Des Kalberleders Verſuch, den Sa-
chen zu helffen, und ſein uͤbler
Ausſchlag.

Sie waren izt da, und thaten was noͤthig,
und der junge Kalberleder gieng bald
zum Nußbaum, und fieng dann an, wie weñ
er einen halben Rauſch haͤtte, den Kuͤhreyen
zu ſingen. Das dunkte den Pfarrer gar lu-
ſtig, er lag unter das Fenſter, und hoͤrte dem
Holzhaker, der den Kuͤhreyen ſang zu. Auch
der Vogt gukte hinter dem Umhang hervor,
zu ſehen, was das geben muͤße; denn er
merkte gleich, daß der Kalberleder nicht fuͤr
die lange Zeit den Baum umhaue, ſonder
daß dahinter gewiß etwas ſtekte.

Es gieg nicht lang, ſo ſtellte des Pfarrers
Hans ſich in ſeinen Garten-Eken zum Kalber-
leder und ſagte: „Es iſt faſt Schade, daß
du den Baum umhaueſt, er trug ja alle Jah-
re ſo viel Nuſſen.“ Der Kalberleder antwor-
tete: „Er giebt gute Laͤden zu Flintenſchaͤften,
und mein Vater hat einem Glarner einen gu-
ten Baum verſprochen; zu dem treiben die
Nußbaͤume mit den Wurzeln gar weit, und
ſchaden mehrentheils am Gras mehr, als ſie
an den Nuſſen abtragen. —

Hans.
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[47/0065] §. 15. Des Kalberleders Verſuch, den Sa- chen zu helffen, und ſein uͤbler Ausſchlag. Sie waren izt da, und thaten was noͤthig, und der junge Kalberleder gieng bald zum Nußbaum, und fieng dann an, wie weñ er einen halben Rauſch haͤtte, den Kuͤhreyen zu ſingen. Das dunkte den Pfarrer gar lu- ſtig, er lag unter das Fenſter, und hoͤrte dem Holzhaker, der den Kuͤhreyen ſang zu. Auch der Vogt gukte hinter dem Umhang hervor, zu ſehen, was das geben muͤße; denn er merkte gleich, daß der Kalberleder nicht fuͤr die lange Zeit den Baum umhaue, ſonder daß dahinter gewiß etwas ſtekte. Es gieg nicht lang, ſo ſtellte des Pfarrers Hans ſich in ſeinen Garten-Eken zum Kalber- leder und ſagte: „Es iſt faſt Schade, daß du den Baum umhaueſt, er trug ja alle Jah- re ſo viel Nuſſen.“ Der Kalberleder antwor- tete: „Er giebt gute Laͤden zu Flintenſchaͤften, und mein Vater hat einem Glarner einen gu- ten Baum verſprochen; zu dem treiben die Nußbaͤume mit den Wurzeln gar weit, und ſchaden mehrentheils am Gras mehr, als ſie an den Nuſſen abtragen. — Hans.

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/65>, abgerufen am 23.11.2024.