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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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ihm hin. -- "Jch bin ein armer alter ver-
lohrner Tropf, und der Welt zu nichts wei-
ter gut," war fast das erste Wort, das die-
ser zum Pfarrer sagte. -- "Das muß man
nie sagen; wenn man will, ist man immer
zu etwas gut --" erwiederte der Pfarrer.

Vogt. Ach! Jch will mich vor allen
Menschen verbergen, in einem Winkel, so
lang ich noch lebe, für mein ewiges Heil
bethen, bethen und seufzen.

Pfarrer. So lang wir leben, sind und
gehören wir zu den Leuten, und wir thun
nicht recht, und machen uns eben dadurch
zu unnüzen Ueberlasten in der Welt, wenn
wir uns von den Leuten absondern; Es ist
am lieben Gott, und nicht an uns, uns von
der Welt abzusöndern, und vor den Leuten
zu verbergen, wenn er uns verborgen haben
will; Und er thut das, Vogt, wenn er uns
ins Grab legt.

Vogt. Ach, wenn ers nur bald thäte!

Pfarrer. Machts dir Mühe, daß du wie-
der gefangen bist?

Vogt. Jch weiß nicht, wo mir der Kopf
steht.

Pfarrer. Es ist natürlich -- Aber wenn
man dich izt heimgelassen, meynst du, es
wär dir besser?

Vogt.
C 2

ihm hin. — „Jch bin ein armer alter ver-
lohrner Tropf, und der Welt zu nichts wei-
ter gut,“ war faſt das erſte Wort, das die-
ſer zum Pfarrer ſagte. — „Das muß man
nie ſagen; wenn man will, iſt man immer
zu etwas gut —“ erwiederte der Pfarrer.

Vogt. Ach! Jch will mich vor allen
Menſchen verbergen, in einem Winkel, ſo
lang ich noch lebe, fuͤr mein ewiges Heil
bethen, bethen und ſeufzen.

Pfarrer. So lang wir leben, ſind und
gehoͤren wir zu den Leuten, und wir thun
nicht recht, und machen uns eben dadurch
zu unnuͤzen Ueberlaſten in der Welt, wenn
wir uns von den Leuten abſondern; Es iſt
am lieben Gott, und nicht an uns, uns von
der Welt abzuſoͤndern, und vor den Leuten
zu verbergen, wenn er uns verborgen haben
will; Und er thut das, Vogt, wenn er uns
ins Grab legt.

Vogt. Ach, wenn ers nur bald thaͤte!

Pfarrer. Machts dir Muͤhe, daß du wie-
der gefangen biſt?

Vogt. Jch weiß nicht, wo mir der Kopf
ſteht.

Pfarrer. Es iſt natuͤrlich — Aber wenn
man dich izt heimgelaſſen, meynſt du, es
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Vogt.
C 2
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[35/0053] ihm hin. — „Jch bin ein armer alter ver- lohrner Tropf, und der Welt zu nichts wei- ter gut,“ war faſt das erſte Wort, das die- ſer zum Pfarrer ſagte. — „Das muß man nie ſagen; wenn man will, iſt man immer zu etwas gut —“ erwiederte der Pfarrer. Vogt. Ach! Jch will mich vor allen Menſchen verbergen, in einem Winkel, ſo lang ich noch lebe, fuͤr mein ewiges Heil bethen, bethen und ſeufzen. Pfarrer. So lang wir leben, ſind und gehoͤren wir zu den Leuten, und wir thun nicht recht, und machen uns eben dadurch zu unnuͤzen Ueberlaſten in der Welt, wenn wir uns von den Leuten abſondern; Es iſt am lieben Gott, und nicht an uns, uns von der Welt abzuſoͤndern, und vor den Leuten zu verbergen, wenn er uns verborgen haben will; Und er thut das, Vogt, wenn er uns ins Grab legt. Vogt. Ach, wenn ers nur bald thaͤte! Pfarrer. Machts dir Muͤhe, daß du wie- der gefangen biſt? Vogt. Jch weiß nicht, wo mir der Kopf ſteht. Pfarrer. Es iſt natuͤrlich — Aber wenn man dich izt heimgelaſſen, meynſt du, es waͤr dir beſſer? Vogt. C 2

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/53>, abgerufen am 09.05.2024.