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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Vogt. Warum sollte es mir nicht besser
seyn, wenn ich heim könnte?

Pfarrer. Für einen Augenblik kanns wohl
seyn -- Aber, Vogt, um überall zu dir
selber und für dein ganzes künftiges Leben
in Ordnung zu kommen, werden diese 14.
Tage dir gewiß wohl thun, wenn du sie
recht brauchest.

Vogt. Ach! Jch bin eingesperrt!

Pfarrer. Aber, wofür?

Vogt. Ha -- was weiß ich!

Pfarrer. Wenn du es nicht weissest, so
weiß ichs, gewiß nur um deiner selber wil-
len, und damit du wieder recht werdest und
recht thuest, bist du eingesperrt.

So fieng der Pfarrer an, dem armen
Mann den Zustand seiner Gefangenschaft
auf eine vernünftige Art anzusehen zu ma-
chen; und er ward nach und nach in den 14.
Tagen, in denen er fast Tag und Nacht bey
ihm war, so vertraut mit ihm, daß sie fast
wie Brüder mit einander redeten.

Jch kann aber diese Gespräch nicht von
Wort zu Wort erzählen, sie würden zu
langweilig; Aber die Historie, in der ich
fortfahre, wird schon zeigen, was das wich-
tigste davon ware. --

Der Pfarrer gieng mit ihm in sein Ju-
gendleben -- in sein männliches Alter --

in

Vogt. Warum ſollte es mir nicht beſſer
ſeyn, wenn ich heim koͤnnte?

Pfarrer. Fuͤr einen Augenblik kañs wohl
ſeyn — Aber, Vogt, um uͤberall zu dir
ſelber und fuͤr dein ganzes kuͤnftiges Leben
in Ordnung zu kommen, werden dieſe 14.
Tage dir gewiß wohl thun, wenn du ſie
recht braucheſt.

Vogt. Ach! Jch bin eingeſperrt!

Pfarrer. Aber, wofuͤr?

Vogt. Ha — was weiß ich!

Pfarrer. Wenn du es nicht weiſſeſt, ſo
weiß ichs, gewiß nur um deiner ſelber wil-
len, und damit du wieder recht werdeſt und
recht thueſt, biſt du eingeſperrt.

So fieng der Pfarrer an, dem armen
Mann den Zuſtand ſeiner Gefangenſchaft
auf eine vernuͤnftige Art anzuſehen zu ma-
chen; und er ward nach und nach in den 14.
Tagen, in denen er faſt Tag und Nacht bey
ihm war, ſo vertraut mit ihm, daß ſie faſt
wie Bruͤder mit einander redeten.

Jch kann aber dieſe Geſpraͤch nicht von
Wort zu Wort erzaͤhlen, ſie wuͤrden zu
langweilig; Aber die Hiſtorie, in der ich
fortfahre, wird ſchon zeigen, was das wich-
tigſte davon ware. —

Der Pfarrer gieng mit ihm in ſein Ju-
gendleben — in ſein maͤnnliches Alter —

in
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[36/0054] Vogt. Warum ſollte es mir nicht beſſer ſeyn, wenn ich heim koͤnnte? Pfarrer. Fuͤr einen Augenblik kañs wohl ſeyn — Aber, Vogt, um uͤberall zu dir ſelber und fuͤr dein ganzes kuͤnftiges Leben in Ordnung zu kommen, werden dieſe 14. Tage dir gewiß wohl thun, wenn du ſie recht braucheſt. Vogt. Ach! Jch bin eingeſperrt! Pfarrer. Aber, wofuͤr? Vogt. Ha — was weiß ich! Pfarrer. Wenn du es nicht weiſſeſt, ſo weiß ichs, gewiß nur um deiner ſelber wil- len, und damit du wieder recht werdeſt und recht thueſt, biſt du eingeſperrt. So fieng der Pfarrer an, dem armen Mann den Zuſtand ſeiner Gefangenſchaft auf eine vernuͤnftige Art anzuſehen zu ma- chen; und er ward nach und nach in den 14. Tagen, in denen er faſt Tag und Nacht bey ihm war, ſo vertraut mit ihm, daß ſie faſt wie Bruͤder mit einander redeten. Jch kann aber dieſe Geſpraͤch nicht von Wort zu Wort erzaͤhlen, ſie wuͤrden zu langweilig; Aber die Hiſtorie, in der ich fortfahre, wird ſchon zeigen, was das wich- tigſte davon ware. — Der Pfarrer gieng mit ihm in ſein Ju- gendleben — in ſein maͤnnliches Alter — in

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/54>, abgerufen am 23.11.2024.