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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Gertrud. Weil es zur guten Hausord-
nung gehört, nie nichts von einem Nagel
an den andern zu hängen, und weil unter
hunderten, die liehen, nicht zehn sind, die
nicht wieder dafür brandschazen, und son-
derbar dich -- du bist zu gut -- es wür-
den sich geschwind genug Blutsauger an dich
machen, und dich in allen Eken rupfen.

Rudi. Gottlob, daß sie etwas zu rupfen
finden!

Gertrud. Jch möchte darüber nicht spas-
sen. Du must dich im Ernst achten, auf
alle Weise, damit du behaltest, was Gott
dir und deinen Kindern nach so langem Lei-
den wieder gegeben.

Der Rudi stuzte eine Weile, u. sagte dann:
"Du wirst doch dawider nicht seyn --
Jch theile einmal die Matte mit dem Vogt,
so lang er lebt?

Gertrud. Was ist izt das?

Rudi. Jch habs in Gottes Namen
dem Pfarrer versprochen, so lang er lebe,
ihm für eine Kuh Heufuter ab der Matten
zu geben. Er ist izt ein armer alter Tropf,
und ich konnte ihn nicht in dem Elend sehen,
in dem ich selber war. --

Gertrud. Es kommt doch noch besser
heraus, als es thönte: Jch meynte, du woll-
test die Matten mit ihm theilen -- izt blei-
best du doch beym Futter.


Ru-

Gertrud. Weil es zur guten Hausord-
nung gehoͤrt, nie nichts von einem Nagel
an den andern zu haͤngen, und weil unter
hunderten, die liehen, nicht zehn ſind, die
nicht wieder dafuͤr brandſchazen, und ſon-
derbar dich — du biſt zu gut — es wuͤr-
den ſich geſchwind genug Blutſauger an dich
machen, und dich in allen Eken rupfen.

Rudi. Gottlob, daß ſie etwas zu rupfen
finden!

Gertrud. Jch moͤchte daruͤber nicht ſpaſ-
ſen. Du muſt dich im Ernſt achten, auf
alle Weiſe, damit du behalteſt, was Gott
dir und deinen Kindern nach ſo langem Lei-
den wieder gegeben.

Der Rudi ſtuzte eine Weile, u. ſagte dann:
„Du wirſt doch dawider nicht ſeyn —
Jch theile einmal die Matte mit dem Vogt,
ſo lang er lebt?

Gertrud. Was iſt izt das?

Rudi. Jch habs in Gottes Namen
dem Pfarrer verſprochen, ſo lang er lebe,
ihm fuͤr eine Kuh Heufuter ab der Matten
zu geben. Er iſt izt ein armer alter Tropf,
und ich konnte ihn nicht in dem Elend ſehen,
in dem ich ſelber war. —

Gertrud. Es kommt doch noch beſſer
heraus, als es thoͤnte: Jch meynte, du woll-
teſt die Matten mit ihm theilen — izt blei-
beſt du doch beym Futter.


Ru-
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[28/0046] Gertrud. Weil es zur guten Hausord- nung gehoͤrt, nie nichts von einem Nagel an den andern zu haͤngen, und weil unter hunderten, die liehen, nicht zehn ſind, die nicht wieder dafuͤr brandſchazen, und ſon- derbar dich — du biſt zu gut — es wuͤr- den ſich geſchwind genug Blutſauger an dich machen, und dich in allen Eken rupfen. Rudi. Gottlob, daß ſie etwas zu rupfen finden! Gertrud. Jch moͤchte daruͤber nicht ſpaſ- ſen. Du muſt dich im Ernſt achten, auf alle Weiſe, damit du behalteſt, was Gott dir und deinen Kindern nach ſo langem Lei- den wieder gegeben. Der Rudi ſtuzte eine Weile, u. ſagte dann: „Du wirſt doch dawider nicht ſeyn — Jch theile einmal die Matte mit dem Vogt, ſo lang er lebt? Gertrud. Was iſt izt das? Rudi. Jch habs in Gottes Namen dem Pfarrer verſprochen, ſo lang er lebe, ihm fuͤr eine Kuh Heufuter ab der Matten zu geben. Er iſt izt ein armer alter Tropf, und ich konnte ihn nicht in dem Elend ſehen, in dem ich ſelber war. — Gertrud. Es kommt doch noch beſſer heraus, als es thoͤnte: Jch meynte, du woll- teſt die Matten mit ihm theilen — izt blei- beſt du doch beym Futter. Ru-

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/46>, abgerufen am 28.03.2024.