du; Er giebt in der Kirche Achtung wie ein Sperber, und ist im Stand, er zählt dem Pfarrer die Hauptwörter des Christenthums an den Fingern nach.
Michel. Das ist eine erbauliche Arbeit.
Marx. Man kann mehr daraus ziehen als du glaubst: Denk izt nur, er verflucht sich, der Pfarrer habe in der lezten Predigt das Wort Christus kein einiges Mal in dem Mund gehabt.
Michel. Das ist eine Fantastenrede -- Und der Pfarrer hat recht, daß er seine Wort nicht so ausspizt, daß alle Sylben dran frömmeln.
Der Marx hängte das Maul, und der Michel fuhr fort:
Michel. Mit euerm Wörter-zählen und Sylben-drehen macht ihr just auch die Leut selbst so verdrehet, daß sie die Augen verkeh- ren, wenn sie das Hirn brauchen sollten -- und das Maul aufthun, wenn sie die Hände brauchen sollten. --
Marx. So?
Michel. Ja, eben so! -- Es ist Liebe und Verstand in dem, was der Pfarrer sagt, und es giebt Leut, sie sollten sich schämen, wie sie ihms machen.
Marx. So!
Michel. Bist du ein Narr, Marx?
Kie-
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du; Er giebt in der Kirche Achtung wie ein Sperber, und iſt im Stand, er zaͤhlt dem Pfarrer die Hauptwoͤrter des Chriſtenthums an den Fingern nach.
Michel. Das iſt eine erbauliche Arbeit.
Marx. Man kann mehr daraus ziehen als du glaubſt: Denk izt nur, er verflucht ſich, der Pfarrer habe in der lezten Predigt das Wort Chriſtus kein einiges Mal in dem Mund gehabt.
Michel. Das iſt eine Fantaſtenrede — Und der Pfarrer hat recht, daß er ſeine Wort nicht ſo ausſpizt, daß alle Sylben dran froͤmmeln.
Der Marx haͤngte das Maul, und der Michel fuhr fort:
Michel. Mit euerm Woͤrter-zaͤhlen und Sylben-drehen macht ihr juſt auch die Leut ſelbſt ſo verdrehet, daß ſie die Augen verkeh- ren, wenn ſie das Hirn brauchen ſollten — und das Maul aufthun, wenn ſie die Haͤnde brauchen ſollten. —
Marx. So?
Michel. Ja, eben ſo! — Es iſt Liebe und Verſtand in dem, was der Pfarrer ſagt, und es giebt Leut, ſie ſollten ſich ſchaͤmen, wie ſie ihms machen.
Marx. So!
Michel. Biſt du ein Narr, Marx?
Kie-
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du; Er giebt in der Kirche Achtung wie ein
Sperber, und iſt im Stand, er zaͤhlt dem
Pfarrer die Hauptwoͤrter des Chriſtenthums
an den Fingern nach.
Michel. Das iſt eine erbauliche Arbeit.
Marx. Man kann mehr daraus ziehen als
du glaubſt: Denk izt nur, er verflucht ſich,
der Pfarrer habe in der lezten Predigt das
Wort Chriſtus kein einiges Mal in dem
Mund gehabt.
Michel. Das iſt eine Fantaſtenrede —
Und der Pfarrer hat recht, daß er ſeine
Wort nicht ſo ausſpizt, daß alle Sylben
dran froͤmmeln.
Der Marx haͤngte das Maul, und der
Michel fuhr fort:
Michel. Mit euerm Woͤrter-zaͤhlen und
Sylben-drehen macht ihr juſt auch die Leut
ſelbſt ſo verdrehet, daß ſie die Augen verkeh-
ren, wenn ſie das Hirn brauchen ſollten —
und das Maul aufthun, wenn ſie die Haͤnde
brauchen ſollten. —
Marx. So?
Michel. Ja, eben ſo! — Es iſt Liebe
und Verſtand in dem, was der Pfarrer
ſagt, und es giebt Leut, ſie ſollten ſich
ſchaͤmen, wie ſie ihms machen.
Marx. So!
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/39>, abgerufen am 16.02.2025.
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