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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Trinkgeld gegeben, und er wollte doch seinen
Kopf dran sezen, daß er es der Herrschaft
verrechnet.

So war's in allen Fällen, er möchte
zu thun haben, mit wem er wollte, so
war immer sein Wort: er ist der u. der,
-- wenn er mich unter den Händen hätte,
er würde noch anderst mit mir fahren --
ja, wenn's ein andrer wäre, ich würde mir
ein Gewissen machen, so mit ihm umzuge-
hen: aber mit diesem da, mache ich mir kein's.
-- Kurz, wenn er einen haßte, so ware im
Augenblik kein größerer Schelm zwischen
Himmel und Erden, und wenn er einen aus-
saugen wollte, so hatte er auch allemal wie-
der hundert Gründe, dem Lumpen u. Schel-
men nicht zu schonen, weil's nur der sey.

Mit allem dem hatte er dennoch mit Lum-
pen und Schelmen noch am wenigsten Streit.

Zwar muß ich bekennen, er hat auch mit
einigen redlichen Leuten ohne Streit auskom-
men können; aber wenn man näher erforschte,
was das für Leute gewesen, so fand sich,
daß es schwache nachgebende Menschen, und
einige davon wirklich etwas liederlich, oder
wenigstens nicht genaue Haushalter gewesen;
-- Er hatte es mit diesem doppelt gut --
er sog sie aus, und machte sich dann doch
groß, daß er mit ihnen so und so lang ohne

Streit

Trinkgeld gegeben, und er wollte doch ſeinen
Kopf dran ſezen, daß er es der Herrſchaft
verrechnet.

So war's in allen Faͤllen, er moͤchte
zu thun haben, mit wem er wollte, ſo
war immer ſein Wort: er iſt der u. der,
— wenn er mich unter den Haͤnden haͤtte,
er wuͤrde noch anderſt mit mir fahren —
ja, wenn's ein andrer waͤre, ich wuͤrde mir
ein Gewiſſen machen, ſo mit ihm umzuge-
hen: aber mit dieſem da, mache ich mir kein's.
— Kurz, wenn er einen haßte, ſo ware im
Augenblik kein groͤßerer Schelm zwiſchen
Himmel und Erden, und wenn er einen aus-
ſaugen wollte, ſo hatte er auch allemal wie-
der hundert Gruͤnde, dem Lumpen u. Schel-
men nicht zu ſchonen, weil's nur der ſey.

Mit allem dem hatte er dennoch mit Lum-
pen und Schelmen noch am wenigſten Streit.

Zwar muß ich bekennen, er hat auch mit
einigen redlichen Leuten ohne Streit auskom-
men koͤñen; aber weñ man naͤher erforſchte,
was das fuͤr Leute geweſen, ſo fand ſich,
daß es ſchwache nachgebende Menſchen, und
einige davon wirklich etwas liederlich, oder
wenigſtens nicht genaue Haushalter geweſen;
— Er hatte es mit dieſem doppelt gut —
er ſog ſie aus, und machte ſich dann doch
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[308/0326] Trinkgeld gegeben, und er wollte doch ſeinen Kopf dran ſezen, daß er es der Herrſchaft verrechnet. So war's in allen Faͤllen, er moͤchte zu thun haben, mit wem er wollte, ſo war immer ſein Wort: er iſt der u. der, — wenn er mich unter den Haͤnden haͤtte, er wuͤrde noch anderſt mit mir fahren — ja, wenn's ein andrer waͤre, ich wuͤrde mir ein Gewiſſen machen, ſo mit ihm umzuge- hen: aber mit dieſem da, mache ich mir kein's. — Kurz, wenn er einen haßte, ſo ware im Augenblik kein groͤßerer Schelm zwiſchen Himmel und Erden, und wenn er einen aus- ſaugen wollte, ſo hatte er auch allemal wie- der hundert Gruͤnde, dem Lumpen u. Schel- men nicht zu ſchonen, weil's nur der ſey. Mit allem dem hatte er dennoch mit Lum- pen und Schelmen noch am wenigſten Streit. Zwar muß ich bekennen, er hat auch mit einigen redlichen Leuten ohne Streit auskom- men koͤñen; aber weñ man naͤher erforſchte, was das fuͤr Leute geweſen, ſo fand ſich, daß es ſchwache nachgebende Menſchen, und einige davon wirklich etwas liederlich, oder wenigſtens nicht genaue Haushalter geweſen; — Er hatte es mit dieſem doppelt gut — er ſog ſie aus, und machte ſich dann doch groß, daß er mit ihnen ſo und ſo lang ohne Streit

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/326>, abgerufen am 22.11.2024.