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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Da der Junker Morndeß den Schreiber
fragte: Jst das die gleiche Elsbeth Müller?
-- antwortete dieser: Ja -- und des Vogts
Bub mußte nun der klagenden Tochter nicht
das halbe zahlen, was der Junker ihr zuge-
sprochen hatte, wenn er keine andre Elsbeth
Müller im Dorf, oder vielmehr keine mein-
eide Beamtete an seiner Seite gehabt hätte.

So lenkte der Vogt fast alles -- und das
am meisten und stärksten, von dem er bey
dem Junker das Maul nicht aufthat. --
Wenn dieser fast mit Haaren dazu gezogen
worden, zu sehen, was da und dort wahr
war, so wußte er ihn dennoch wieder seit-
werts zu lenken.

Er verläugnete ihm Sachen, die er selber
gesehen, und machte ihm glauben, er habe
Unrecht verstanden, was er mit seinen eige-
nen Ohren gehört, und wenn die Wahrheit
so zu reden vor ihm zustuhnd, so wußte er
ihn dahin zu bringen, daß er ihr den Ru-
ken kehrte.

Aber er hütete ihm oft auch Jahr u. Tag,
daß er dieß oder jenes nicht vernehme, und
da und dort nicht hinkomme, wo er etwas
hören oder sehen konnte, das ihm nicht
in Kram diente.

Es ist izt 5. Jahr, daß ich im Herbst an
einem Abend von Hirzau über den Berg

heim

Da der Junker Morndeß den Schreiber
fragte: Jſt das die gleiche Elsbeth Muͤller?
— antwortete dieſer: Ja — und des Vogts
Bub mußte nun der klagenden Tochter nicht
das halbe zahlen, was der Junker ihr zuge-
ſprochen hatte, wenn er keine andre Elsbeth
Muͤller im Dorf, oder vielmehr keine mein-
eide Beamtete an ſeiner Seite gehabt haͤtte.

So lenkte der Vogt faſt alles — und das
am meiſten und ſtaͤrkſten, von dem er bey
dem Junker das Maul nicht aufthat. —
Wenn dieſer faſt mit Haaren dazu gezogen
worden, zu ſehen, was da und dort wahr
war, ſo wußte er ihn dennoch wieder ſeit-
werts zu lenken.

Er verlaͤugnete ihm Sachen, die er ſelber
geſehen, und machte ihm glauben, er habe
Unrecht verſtanden, was er mit ſeinen eige-
nen Ohren gehoͤrt, und wenn die Wahrheit
ſo zu reden vor ihm zuſtuhnd, ſo wußte er
ihn dahin zu bringen, daß er ihr den Ru-
ken kehrte.

Aber er huͤtete ihm oft auch Jahr u. Tag,
daß er dieß oder jenes nicht vernehme, und
da und dort nicht hinkomme, wo er etwas
hoͤren oder ſehen konnte, das ihm nicht
in Kram diente.

Es iſt izt 5. Jahr, daß ich im Herbſt an
einem Abend von Hirzau uͤber den Berg

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[292/0310] Da der Junker Morndeß den Schreiber fragte: Jſt das die gleiche Elsbeth Muͤller? — antwortete dieſer: Ja — und des Vogts Bub mußte nun der klagenden Tochter nicht das halbe zahlen, was der Junker ihr zuge- ſprochen hatte, wenn er keine andre Elsbeth Muͤller im Dorf, oder vielmehr keine mein- eide Beamtete an ſeiner Seite gehabt haͤtte. So lenkte der Vogt faſt alles — und das am meiſten und ſtaͤrkſten, von dem er bey dem Junker das Maul nicht aufthat. — Wenn dieſer faſt mit Haaren dazu gezogen worden, zu ſehen, was da und dort wahr war, ſo wußte er ihn dennoch wieder ſeit- werts zu lenken. Er verlaͤugnete ihm Sachen, die er ſelber geſehen, und machte ihm glauben, er habe Unrecht verſtanden, was er mit ſeinen eige- nen Ohren gehoͤrt, und wenn die Wahrheit ſo zu reden vor ihm zuſtuhnd, ſo wußte er ihn dahin zu bringen, daß er ihr den Ru- ken kehrte. Aber er huͤtete ihm oft auch Jahr u. Tag, daß er dieß oder jenes nicht vernehme, und da und dort nicht hinkomme, wo er etwas hoͤren oder ſehen konnte, das ihm nicht in Kram diente. Es iſt izt 5. Jahr, daß ich im Herbſt an einem Abend von Hirzau uͤber den Berg heim

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/310>, abgerufen am 22.11.2024.