hundert, und säest du hunderte wieder, so hast du im zweyten Jahre von einem einzigen Aehre dein Viertel Frucht. -- Liebe Men- schen! wenn der Saame des Bösen in uns ist, so trägt er Frucht, und wie das einzige Aehre mit Zeit und Jahren ein Viertel Frucht wird, so wird deine Sünde mit Zeit und Jahren stark und schwer in dir, o Mensch! -- Darum halte den Unterschied des Saa- menkornes und der Frucht, die du mit Vier- teln missest, nicht größer, als er ist, und denke nicht, daß du nicht ob jeder Sünde werden könnest, was der arme Tropf, wenn du nicht mit Mühe und Arbeit ihren Saa- men in dir selber zu erstiken und auszurotten trachtest."
Ein ander Mal sagte Er:
"Meine Kinder! Sehet izt die Gerechtig- keit der Welt, und zittert! Die Gerechtig- keit der Erde zermalmet, zerknirschet und töd- tet! wainet über den Elenden, und über alle Menschen, die in die Hand der Gerechtigkeit fallen, und bittet Gott, daß sich die Fürsten je länger je mehr dieser Armen und Elenden erbarmen, und ihre Leiden nie größer machen, als die Noth es erfordert! -- Und, meine Kinder! werdet selber je länger je menschli- cher, schonender, gewissenhafter gegen solche Unglükliche, und glaubet, das Beyspiel der
Knech-
hundert, und ſaͤeſt du hunderte wieder, ſo haſt du im zweyten Jahre von einem einzigen Aehre dein Viertel Frucht. — Liebe Men- ſchen! wenn der Saame des Boͤſen in uns iſt, ſo traͤgt er Frucht, und wie das einzige Aehre mit Zeit und Jahren ein Viertel Frucht wird, ſo wird deine Suͤnde mit Zeit und Jahren ſtark und ſchwer in dir, o Menſch! — Darum halte den Unterſchied des Saa- menkornes und der Frucht, die du mit Vier- teln miſſeſt, nicht groͤßer, als er iſt, und denke nicht, daß du nicht ob jeder Suͤnde werden koͤnneſt, was der arme Tropf, wenn du nicht mit Muͤhe und Arbeit ihren Saa- men in dir ſelber zu erſtiken und auszurotten trachteſt.“
Ein ander Mal ſagte Er:
„Meine Kinder! Sehet izt die Gerechtig- keit der Welt, und zittert! Die Gerechtig- keit der Erde zermalmet, zerknirſchet und toͤd- tet! wainet uͤber den Elenden, und uͤber alle Menſchen, die in die Hand der Gerechtigkeit fallen, und bittet Gott, daß ſich die Fuͤrſten je laͤnger je mehr dieſer Armen und Elenden erbarmen, und ihre Leiden nie groͤßer machen, als die Noth es erfordert! — Und, meine Kinder! werdet ſelber je laͤnger je menſchli- cher, ſchonender, gewiſſenhafter gegen ſolche Ungluͤkliche, und glaubet, das Beyſpiel der
Knech-
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hundert, und ſaͤeſt du hunderte wieder, ſo
haſt du im zweyten Jahre von einem einzigen
Aehre dein Viertel Frucht. — Liebe Men-
ſchen! wenn der Saame des Boͤſen in uns
iſt, ſo traͤgt er Frucht, und wie das einzige
Aehre mit Zeit und Jahren ein Viertel Frucht
wird, ſo wird deine Suͤnde mit Zeit und
Jahren ſtark und ſchwer in dir, o Menſch!
— Darum halte den Unterſchied des Saa-
menkornes und der Frucht, die du mit Vier-
teln miſſeſt, nicht groͤßer, als er iſt, und
denke nicht, daß du nicht ob jeder Suͤnde
werden koͤnneſt, was der arme Tropf, wenn
du nicht mit Muͤhe und Arbeit ihren Saa-
men in dir ſelber zu erſtiken und auszurotten
trachteſt.“
Ein ander Mal ſagte Er:
„Meine Kinder! Sehet izt die Gerechtig-
keit der Welt, und zittert! Die Gerechtig-
keit der Erde zermalmet, zerknirſchet und toͤd-
tet! wainet uͤber den Elenden, und uͤber alle
Menſchen, die in die Hand der Gerechtigkeit
fallen, und bittet Gott, daß ſich die Fuͤrſten
je laͤnger je mehr dieſer Armen und Elenden
erbarmen, und ihre Leiden nie groͤßer machen,
als die Noth es erfordert! — Und, meine
Kinder! werdet ſelber je laͤnger je menſchli-
cher, ſchonender, gewiſſenhafter gegen ſolche
Ungluͤkliche, und glaubet, das Beyſpiel der
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/31>, abgerufen am 23.11.2024.
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