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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Knechte, die mit ihren Mitknechten, welche
im Unglük sind, Mitleide zeigen, muß auch
auf die Herren der Erde wirken, daß auch
sie mitleidig und schonend gegen Unglükliche
werden."

§. 6.
Wenn so ein Pfarrer in die Gefäng-
nisse und Zuchthäuser eines Reichs
Einfluß hätte, er würde die
Grundsäze mit den Gefangnen
umzugehen, in ein Licht sezen, das
himmelrein leuchtete.

Da er ausgeredet hatte, stieg er dann von
der Kanzel, saß noch eine Weile bey
dem Unglüklichen, redete mit ihm brüderlich,
wie er es heute den ganzen Tag gethan hatte.

Da der arme Mensch izt bald fort sollte,
sah er ihm an, daß er vor Ermattung und
Schwäche fast einsank, und vernahm, daß
er noch ganz nüchtern sey. "Du must nicht
also an deinen Ort hin", sagte er alsobald,
und ließ ihm sogleich aus dem Pfarrhaus
etwas zu essen und zu trinken in die Kirche
hinunter bringen. -- Der Hans, der es
brachte, stellte es gerade auf den Taufstein,

bey

Knechte, die mit ihren Mitknechten, welche
im Ungluͤk ſind, Mitleide zeigen, muß auch
auf die Herren der Erde wirken, daß auch
ſie mitleidig und ſchonend gegen Ungluͤkliche
werden.“

§. 6.
Wenn ſo ein Pfarrer in die Gefaͤng-
niſſe und Zuchthaͤuſer eines Reichs
Einfluß haͤtte, er wuͤrde die
Grundſaͤze mit den Gefangnen
umzugehen, in ein Licht ſezen, das
himmelrein leuchtete.

Da er ausgeredet hatte, ſtieg er dann von
der Kanzel, ſaß noch eine Weile bey
dem Ungluͤklichen, redete mit ihm bruͤderlich,
wie er es heute den ganzen Tag gethan hatte.

Da der arme Menſch izt bald fort ſollte,
ſah er ihm an, daß er vor Ermattung und
Schwaͤche faſt einſank, und vernahm, daß
er noch ganz nuͤchtern ſey. „Du muſt nicht
alſo an deinen Ort hin“, ſagte er alſobald,
und ließ ihm ſogleich aus dem Pfarrhaus
etwas zu eſſen und zu trinken in die Kirche
hinunter bringen. — Der Hans, der es
brachte, ſtellte es gerade auf den Taufſtein,

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[14/0032] Knechte, die mit ihren Mitknechten, welche im Ungluͤk ſind, Mitleide zeigen, muß auch auf die Herren der Erde wirken, daß auch ſie mitleidig und ſchonend gegen Ungluͤkliche werden.“ §. 6. Wenn ſo ein Pfarrer in die Gefaͤng- niſſe und Zuchthaͤuſer eines Reichs Einfluß haͤtte, er wuͤrde die Grundſaͤze mit den Gefangnen umzugehen, in ein Licht ſezen, das himmelrein leuchtete. Da er ausgeredet hatte, ſtieg er dann von der Kanzel, ſaß noch eine Weile bey dem Ungluͤklichen, redete mit ihm bruͤderlich, wie er es heute den ganzen Tag gethan hatte. Da der arme Menſch izt bald fort ſollte, ſah er ihm an, daß er vor Ermattung und Schwaͤche faſt einſank, und vernahm, daß er noch ganz nuͤchtern ſey. „Du muſt nicht alſo an deinen Ort hin“, ſagte er alſobald, und ließ ihm ſogleich aus dem Pfarrhaus etwas zu eſſen und zu trinken in die Kirche hinunter bringen. — Der Hans, der es brachte, ſtellte es gerade auf den Taufſtein, bey

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/32>, abgerufen am 23.11.2024.