Der arme Ueli sagte unter dem Galgen: "Er habe nicht den Zehnden so viel gestohlen, als der Hummel ihm abgedrukt." Und es war wahr, er hatte ihm sein bestes Land mehr als um ein Drittel zu wohlfeil abgedrukt, und der arme Tropf hatte vorher um keinen Heller gestohlen, bis er von diesem gänzlich ausgesogen, und an den Bättelstab gebracht worden.
Auch die Lismergrithe ist in seinem Haus unglüklich worden, und als sie hernach, da sie ihr Kind umgebracht, in seinem Haus in Verhaft genommen worden, sagte sie in Gegenwart vieler von euch zum Vogt: "Wenn du mich nicht schon einmal hier ein- gesperrt hättest, so wäre ich izt nicht da:" -- Er hat nämlich mit eigner Hand den Schlüssel von der Kammerthür genohmen, in welcher der Muthwille mit ihr getrieben worden, der sie izt das Leben kostete. "Was eingesperrt?" erwiederte ihr der Hummel, da sie ihm diesen Vorwurf machte. Sie antwortete ihm: "Du bist an meinem Un- glük schuldig -- das könnte eine Jede sa- gen, die bey mir tanzt und trinkt, wenn sie dann hintennach thät' was du" -- erwiederte dieser, riegelte die Thür, und gieng fort.
Auch
ausgeſaͤet — auch klagten ihn viele daruͤ- ber an.
Der arme Ueli ſagte unter dem Galgen: „Er habe nicht den Zehnden ſo viel geſtohlen, als der Hummel ihm abgedrukt.“ Und es war wahr, er hatte ihm ſein beſtes Land mehr als um ein Drittel zu wohlfeil abgedrukt, und der arme Tropf hatte vorher um keinen Heller geſtohlen, bis er von dieſem gaͤnzlich ausgeſogen, und an den Baͤttelſtab gebracht worden.
Auch die Lismergrithe iſt in ſeinem Haus ungluͤklich worden, und als ſie hernach, da ſie ihr Kind umgebracht, in ſeinem Haus in Verhaft genommen worden, ſagte ſie in Gegenwart vieler von euch zum Vogt: „Wenn du mich nicht ſchon einmal hier ein- geſperrt haͤtteſt, ſo waͤre ich izt nicht da:“ — Er hat naͤmlich mit eigner Hand den Schluͤſſel von der Kammerthuͤr genohmen, in welcher der Muthwille mit ihr getrieben worden, der ſie izt das Leben koſtete. „Was eingeſperrt?“ erwiederte ihr der Hummel, da ſie ihm dieſen Vorwurf machte. Sie antwortete ihm: „Du biſt an meinem Un- gluͤk ſchuldig — das koͤnnte eine Jede ſa- gen, die bey mir tanzt und trinkt, wenn ſie dann hintennach thaͤt' was du“ — erwiederte dieſer, riegelte die Thuͤr, und gieng fort.
Auch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0295"n="277"/>
ausgeſaͤet — auch klagten ihn viele daruͤ-<lb/>
ber an.</p><lb/><p>Der arme Ueli ſagte unter dem Galgen:<lb/>„Er habe nicht den Zehnden ſo viel geſtohlen,<lb/>
als der Hummel ihm abgedrukt.“ Und es war<lb/>
wahr, er hatte ihm ſein beſtes Land mehr<lb/>
als um ein Drittel zu wohlfeil abgedrukt,<lb/>
und der arme Tropf hatte vorher um keinen<lb/>
Heller geſtohlen, bis er von dieſem gaͤnzlich<lb/>
ausgeſogen, und an den Baͤttelſtab gebracht<lb/>
worden.</p><lb/><p>Auch die Lismergrithe iſt in ſeinem Haus<lb/>
ungluͤklich worden, und als ſie hernach, da<lb/>ſie ihr Kind umgebracht, in ſeinem Haus<lb/>
in Verhaft genommen worden, ſagte ſie in<lb/>
Gegenwart vieler von euch zum Vogt:<lb/>„Wenn du mich nicht ſchon einmal hier ein-<lb/>
geſperrt haͤtteſt, ſo waͤre ich izt nicht da:“<lb/>— Er hat naͤmlich mit eigner Hand den<lb/>
Schluͤſſel von der Kammerthuͤr genohmen,<lb/>
in welcher der Muthwille mit ihr getrieben<lb/>
worden, der ſie izt das Leben koſtete. „Was<lb/>
eingeſperrt?“ erwiederte ihr der Hummel,<lb/>
da ſie ihm dieſen Vorwurf machte. Sie<lb/>
antwortete ihm: „Du biſt an meinem Un-<lb/>
gluͤk ſchuldig — das koͤnnte eine Jede ſa-<lb/>
gen, die bey mir tanzt und trinkt, wenn ſie<lb/>
dann hintennach thaͤt' was du“— erwiederte<lb/>
dieſer, riegelte die Thuͤr, und gieng fort.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Auch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[277/0295]
ausgeſaͤet — auch klagten ihn viele daruͤ-
ber an.
Der arme Ueli ſagte unter dem Galgen:
„Er habe nicht den Zehnden ſo viel geſtohlen,
als der Hummel ihm abgedrukt.“ Und es war
wahr, er hatte ihm ſein beſtes Land mehr
als um ein Drittel zu wohlfeil abgedrukt,
und der arme Tropf hatte vorher um keinen
Heller geſtohlen, bis er von dieſem gaͤnzlich
ausgeſogen, und an den Baͤttelſtab gebracht
worden.
Auch die Lismergrithe iſt in ſeinem Haus
ungluͤklich worden, und als ſie hernach, da
ſie ihr Kind umgebracht, in ſeinem Haus
in Verhaft genommen worden, ſagte ſie in
Gegenwart vieler von euch zum Vogt:
„Wenn du mich nicht ſchon einmal hier ein-
geſperrt haͤtteſt, ſo waͤre ich izt nicht da:“
— Er hat naͤmlich mit eigner Hand den
Schluͤſſel von der Kammerthuͤr genohmen,
in welcher der Muthwille mit ihr getrieben
worden, der ſie izt das Leben koſtete. „Was
eingeſperrt?“ erwiederte ihr der Hummel,
da ſie ihm dieſen Vorwurf machte. Sie
antwortete ihm: „Du biſt an meinem Un-
gluͤk ſchuldig — das koͤnnte eine Jede ſa-
gen, die bey mir tanzt und trinkt, wenn ſie
dann hintennach thaͤt' was du“ — erwiederte
dieſer, riegelte die Thuͤr, und gieng fort.
Auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/295>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.