Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

nen Augen sehen, daß dein Sohn recht hat,
und mit dir geplagt ist. Gehe mir im Au-
genblik aus der Stube, und halte dich, daß
er keine Klage über dich hat. -- Auf dem
Heimwege sagte dann der Hummel wohl
zwanzigmal zu seinem Vater: Du alter ver-
soffener Lump, wie ists izt gegangen? --
Wann willst' izt wieder mit mir ins Schloß?
-- Und so lange er lebte, war dies immer
seine Antwort, wenn sein Vater etwas
klagte.

Die Bekanntschaft mit dem alten Schrei-
ber ward indessen immer enger. Dieser zeig-
te ihm nach und nach die Form und Ord-
nung, wie man Land und Leute aussaugen
könne, ohne viel dabey zu gefahren. Sie
trieben diese Künste in Fried und Einigkeit
Jahre lang, und arbeiteten einander längst
in die Hände, noch ehe der alte Waibel,
auf dessen Dienst sie laureten, ihnen sterben
wollte.

Endlich that ers, und der Schreiber
schlug dem Junker den Hummel zu diesem
Amt vor; dieser nahm ihn dazu.

Jzt rieff ihn sein Amt in die Hütte des
Elendes. Die Gefangene kamen in seine
Hände. Treiben und Pfänden ward izt das
Handwerk, bey dem er sein Brod suchte;
und den Vater von dem hungernden Weibe,

die

nen Augen ſehen, daß dein Sohn recht hat,
und mit dir geplagt iſt. Gehe mir im Au-
genblik aus der Stube, und halte dich, daß
er keine Klage uͤber dich hat. — Auf dem
Heimwege ſagte dann der Hummel wohl
zwanzigmal zu ſeinem Vater: Du alter ver-
ſoffener Lump, wie iſts izt gegangen? —
Wann willſt' izt wieder mit mir ins Schloß?
— Und ſo lange er lebte, war dies immer
ſeine Antwort, wenn ſein Vater etwas
klagte.

Die Bekanntſchaft mit dem alten Schrei-
ber ward indeſſen immer enger. Dieſer zeig-
te ihm nach und nach die Form und Ord-
nung, wie man Land und Leute auſſaugen
koͤnne, ohne viel dabey zu gefahren. Sie
trieben dieſe Kuͤnſte in Fried und Einigkeit
Jahre lang, und arbeiteten einander laͤngſt
in die Haͤnde, noch ehe der alte Waibel,
auf deſſen Dienſt ſie laureten, ihnen ſterben
wollte.

Endlich that ers, und der Schreiber
ſchlug dem Junker den Hummel zu dieſem
Amt vor; dieſer nahm ihn dazu.

Jzt rieff ihn ſein Amt in die Huͤtte des
Elendes. Die Gefangene kamen in ſeine
Haͤnde. Treiben und Pfaͤnden ward izt das
Handwerk, bey dem er ſein Brod ſuchte;
und den Vater von dem hungernden Weibe,

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0288" n="270"/>
nen Augen &#x017F;ehen, daß dein Sohn recht hat,<lb/>
und mit dir geplagt i&#x017F;t. Gehe mir im Au-<lb/>
genblik aus der Stube, und halte dich, daß<lb/>
er keine Klage u&#x0364;ber dich hat. &#x2014; Auf dem<lb/>
Heimwege &#x017F;agte dann der Hummel wohl<lb/>
zwanzigmal zu &#x017F;einem Vater: Du alter ver-<lb/>
&#x017F;offener Lump, wie i&#x017F;ts izt gegangen? &#x2014;<lb/>
Wann will&#x017F;t' izt wieder mit mir ins Schloß?<lb/>
&#x2014; Und &#x017F;o lange er lebte, war dies immer<lb/>
&#x017F;eine Antwort, wenn &#x017F;ein Vater etwas<lb/>
klagte.</p><lb/>
          <p>Die Bekannt&#x017F;chaft mit dem alten Schrei-<lb/>
ber ward inde&#x017F;&#x017F;en immer enger. Die&#x017F;er zeig-<lb/>
te ihm nach und nach die Form und Ord-<lb/>
nung, wie man Land und Leute au&#x017F;&#x017F;augen<lb/>
ko&#x0364;nne, ohne viel dabey zu gefahren. Sie<lb/>
trieben die&#x017F;e Ku&#x0364;n&#x017F;te in Fried und Einigkeit<lb/>
Jahre lang, und arbeiteten einander la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
in die Ha&#x0364;nde, noch ehe der alte Waibel,<lb/>
auf de&#x017F;&#x017F;en Dien&#x017F;t &#x017F;ie laureten, ihnen &#x017F;terben<lb/>
wollte.</p><lb/>
          <p>Endlich that ers, und der Schreiber<lb/>
&#x017F;chlug dem Junker den Hummel zu die&#x017F;em<lb/>
Amt vor; die&#x017F;er nahm ihn dazu.</p><lb/>
          <p>Jzt rieff ihn &#x017F;ein Amt in die Hu&#x0364;tte des<lb/>
Elendes. Die Gefangene kamen in &#x017F;eine<lb/>
Ha&#x0364;nde. Treiben und Pfa&#x0364;nden ward izt das<lb/>
Handwerk, bey dem er &#x017F;ein Brod &#x017F;uchte;<lb/>
und den Vater von dem hungernden Weibe,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0288] nen Augen ſehen, daß dein Sohn recht hat, und mit dir geplagt iſt. Gehe mir im Au- genblik aus der Stube, und halte dich, daß er keine Klage uͤber dich hat. — Auf dem Heimwege ſagte dann der Hummel wohl zwanzigmal zu ſeinem Vater: Du alter ver- ſoffener Lump, wie iſts izt gegangen? — Wann willſt' izt wieder mit mir ins Schloß? — Und ſo lange er lebte, war dies immer ſeine Antwort, wenn ſein Vater etwas klagte. Die Bekanntſchaft mit dem alten Schrei- ber ward indeſſen immer enger. Dieſer zeig- te ihm nach und nach die Form und Ord- nung, wie man Land und Leute auſſaugen koͤnne, ohne viel dabey zu gefahren. Sie trieben dieſe Kuͤnſte in Fried und Einigkeit Jahre lang, und arbeiteten einander laͤngſt in die Haͤnde, noch ehe der alte Waibel, auf deſſen Dienſt ſie laureten, ihnen ſterben wollte. Endlich that ers, und der Schreiber ſchlug dem Junker den Hummel zu dieſem Amt vor; dieſer nahm ihn dazu. Jzt rieff ihn ſein Amt in die Huͤtte des Elendes. Die Gefangene kamen in ſeine Haͤnde. Treiben und Pfaͤnden ward izt das Handwerk, bey dem er ſein Brod ſuchte; und den Vater von dem hungernden Weibe, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/288
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/288>, abgerufen am 21.05.2024.