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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Sachen auf, von denen kein Mensch bey
uns nichts wußte. Zuker und Kaffee kam
allgemein bey uns auf. Leute, die keine
Furche Land, und nie nichts übernächtiges
hatten, waren schamlos genug, und trugen
Scharlachwams und Sammetbändel auf ih-
ren Kleidern.

Die, so Güter hatten, vermochten das
nicht, und hatten nicht Zeit, mit spinnen
Geld zu verdienen wie diese, wollten aber
doch auch nicht minder seyn als das Baum-
wollenvolk, das vor kurzem ihnen noch um
jede Handvoll Rüben oder Erdäpfel gute
Worte gab; und es giengen darum eine
Menge der ältesten besten Bauren-Haus-
haltungen zu Grunde, weil sie auf ihren
Höfen in den Baumwollenspinner-Leicht-
sinn hineinsezten, Kaffee und Zuker brauch-
ten, bey den Savoyern Tuchkonto auf-
schreiben ließen, und sich nicht mehr mit
dem, was ihnen wuchs, begnügten, dessen
sie freylich für sich, und Kinder und Kinds-
kinder genug gehabt hätten, wie ihre Vor-
fahren bey hundert Jahren genug davon
hatten, und glüklich dabey waren.

Der erste, der in unserm Dorf ein
Scharlachwams und Savoyertuch zum Kit-
tel trug, war der Hummel. Er hats zwar
freylich nicht mit Baumwollespinnen ver-

dient,
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Sachen auf, von denen kein Menſch bey
uns nichts wußte. Zuker und Kaffee kam
allgemein bey uns auf. Leute, die keine
Furche Land, und nie nichts uͤbernaͤchtiges
hatten, waren ſchamlos genug, und trugen
Scharlachwams und Sammetbaͤndel auf ih-
ren Kleidern.

Die, ſo Guͤter hatten, vermochten das
nicht, und hatten nicht Zeit, mit ſpinnen
Geld zu verdienen wie dieſe, wollten aber
doch auch nicht minder ſeyn als das Baum-
wollenvolk, das vor kurzem ihnen noch um
jede Handvoll Ruͤben oder Erdaͤpfel gute
Worte gab; und es giengen darum eine
Menge der aͤlteſten beſten Bauren-Haus-
haltungen zu Grunde, weil ſie auf ihren
Hoͤfen in den Baumwollenſpinner-Leicht-
ſinn hineinſezten, Kaffee und Zuker brauch-
ten, bey den Savoyern Tuchkonto auf-
ſchreiben ließen, und ſich nicht mehr mit
dem, was ihnen wuchs, begnuͤgten, deſſen
ſie freylich fuͤr ſich, und Kinder und Kinds-
kinder genug gehabt haͤtten, wie ihre Vor-
fahren bey hundert Jahren genug davon
hatten, und gluͤklich dabey waren.

Der erſte, der in unſerm Dorf ein
Scharlachwams und Savoyertuch zum Kit-
tel trug, war der Hummel. Er hats zwar
freylich nicht mit Baumwolleſpinnen ver-

dient,
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[261/0279] Sachen auf, von denen kein Menſch bey uns nichts wußte. Zuker und Kaffee kam allgemein bey uns auf. Leute, die keine Furche Land, und nie nichts uͤbernaͤchtiges hatten, waren ſchamlos genug, und trugen Scharlachwams und Sammetbaͤndel auf ih- ren Kleidern. Die, ſo Guͤter hatten, vermochten das nicht, und hatten nicht Zeit, mit ſpinnen Geld zu verdienen wie dieſe, wollten aber doch auch nicht minder ſeyn als das Baum- wollenvolk, das vor kurzem ihnen noch um jede Handvoll Ruͤben oder Erdaͤpfel gute Worte gab; und es giengen darum eine Menge der aͤlteſten beſten Bauren-Haus- haltungen zu Grunde, weil ſie auf ihren Hoͤfen in den Baumwollenſpinner-Leicht- ſinn hineinſezten, Kaffee und Zuker brauch- ten, bey den Savoyern Tuchkonto auf- ſchreiben ließen, und ſich nicht mehr mit dem, was ihnen wuchs, begnuͤgten, deſſen ſie freylich fuͤr ſich, und Kinder und Kinds- kinder genug gehabt haͤtten, wie ihre Vor- fahren bey hundert Jahren genug davon hatten, und gluͤklich dabey waren. Der erſte, der in unſerm Dorf ein Scharlachwams und Savoyertuch zum Kit- tel trug, war der Hummel. Er hats zwar freylich nicht mit Baumwolleſpinnen ver- dient, R 3

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/279>, abgerufen am 22.05.2024.