Schulmstr. Es ist nicht mehr wie vor altem -- und denn nimmt sich meine Frau fast allein des Stalls an; ich habe in der Schul zu thun.
Junker. Du hättest also deine Frau sol- len angeben lassen, wie viel Vieh du hast.
Schulmstr. Es ist wahr -- aber -- --
Jkr. Jch brauche keine Aber -- -- du bist Schulmeister, und die Jugend des Dorfs ist in deinen Händen, und du hast mit kal- tem Blute eine Meyeid-Aussage zweymal bestätigt.
Schulmstr. Aber in Gottes Namen -- man kann doch auch etwas vergessen.
Jkr. Jnngehalten mit "Jn Gottes Na- men!" -- Kerl! wenn du nicht hättest be- triegen wollen, so hättest du in Stall gehen können, zu sehen, ob du eine oder zwo Küh habest; und ich meyne, du sollest wissen, daß man schuldig ist, seine Augen zu brau- chen, wenn du bey dem Eid ausreden willst.
Mann hätte meynen sollen, das wär izt für alle genug gewesen: Aber der Kühhänd- ler Stoffel meynte es nicht; Er trat auf, und sagte: "Aber ich, Junker! einmal ich bin völlig unschuldig; ich erwarte das Vieh, das ich angegeben, alle Tage."
Jkr. Aber man hat dich doch nicht ange- fragt, was für Vieh du erwartest, sonder was du habest?
Stof-
Schulmſtr. Es iſt nicht mehr wie vor altem — und denn nimmt ſich meine Frau faſt allein des Stalls an; ich habe in der Schul zu thun.
Junker. Du haͤtteſt alſo deine Frau ſol- len angeben laſſen, wie viel Vieh du haſt.
Schulmſtr. Es iſt wahr — aber — —
Jkr. Jch brauche keine Aber — — du biſt Schulmeiſter, und die Jugend des Dorfs iſt in deinen Haͤnden, und du haſt mit kal- tem Blute eine Meyeid-Auſſage zweymal beſtaͤtigt.
Schulmſtr. Aber in Gottes Namen — man kann doch auch etwas vergeſſen.
Jkr. Jnngehalten mit „Jn Gottes Na- men!“ — Kerl! wenn du nicht haͤtteſt be- triegen wollen, ſo haͤtteſt du in Stall gehen koͤnnen, zu ſehen, ob du eine oder zwo Kuͤh habeſt; und ich meyne, du ſolleſt wiſſen, daß man ſchuldig iſt, ſeine Augen zu brau- chen, wenn du bey dem Eid ausreden willſt.
Mann haͤtte meynen ſollen, das waͤr izt fuͤr alle genug geweſen: Aber der Kuͤhhaͤnd- ler Stoffel meynte es nicht; Er trat auf, und ſagte: „Aber ich, Junker! einmal ich bin voͤllig unſchuldig; ich erwarte das Vieh, das ich angegeben, alle Tage.“
Jkr. Aber man hat dich doch nicht ange- fragt, was fuͤr Vieh du erwarteſt, ſonder was du habeſt?
Stof-
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Schulmſtr. Es iſt nicht mehr wie vor
altem — und denn nimmt ſich meine Frau
faſt allein des Stalls an; ich habe in der
Schul zu thun.
Junker. Du haͤtteſt alſo deine Frau ſol-
len angeben laſſen, wie viel Vieh du haſt.
Schulmſtr. Es iſt wahr — aber — —
Jkr. Jch brauche keine Aber — — du
biſt Schulmeiſter, und die Jugend des Dorfs
iſt in deinen Haͤnden, und du haſt mit kal-
tem Blute eine Meyeid-Auſſage zweymal
beſtaͤtigt.
Schulmſtr. Aber in Gottes Namen —
man kann doch auch etwas vergeſſen.
Jkr. Jnngehalten mit „Jn Gottes Na-
men!“ — Kerl! wenn du nicht haͤtteſt be-
triegen wollen, ſo haͤtteſt du in Stall gehen
koͤnnen, zu ſehen, ob du eine oder zwo Kuͤh
habeſt; und ich meyne, du ſolleſt wiſſen,
daß man ſchuldig iſt, ſeine Augen zu brau-
chen, wenn du bey dem Eid ausreden willſt.
Mann haͤtte meynen ſollen, das waͤr izt
fuͤr alle genug geweſen: Aber der Kuͤhhaͤnd-
ler Stoffel meynte es nicht; Er trat auf,
und ſagte: „Aber ich, Junker! einmal ich
bin voͤllig unſchuldig; ich erwarte das Vieh,
das ich angegeben, alle Tage.“
Jkr. Aber man hat dich doch nicht ange-
fragt, was fuͤr Vieh du erwarteſt, ſonder
was du habeſt?
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/194>, abgerufen am 16.02.2025.
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