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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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"chen, und die noch nicht einmal wie du,
bekennen.

Renold. Gnädiger Herr! solche Umständ,
wie die unsern, nehmen einem Herz und
Sinnen.

Arner. Was für Umständ?

Renold. Sich schuldig zu wissen, und
vor Angst doch nicht bekennen dörffen.

Arner kehrte sich izt zörnend gegen die
Andern, und sagte: "Warum widersprechet
ihr izt dem Mann nicht, der wider euch
zeuget?"

Aber der Muth zu läugnen war izt ent-
sunken, sie warffen sich ihm zu Füßen, und
bathen um Gnade.

Als er sie so zu seinen Füßen sah, entsank
ihm eine Thräne; er troknete sie vor allem
Volk, und sagte: "Einen traurigern An-
blik kann ich mir fast nicht vorstellen."

Dann wandte er sich wieder an den Re-
nold, und sagte ihm: "Alter Mann! stehe
du auf -- Jch habe gegen dich keine Klage,
als daß du zu diesen Sachen allen geschwie-
gen: Aber warum hast du das gethan, und
deiner Obrigkeit solche Verbrechen, die dir
seit 20. und mehr Jahren bekannt seyn müs-
sen, so lange verheelt?"

Der Renold wollte zuerst mit der Spra-
che nicht heraus rüken, und antwortete: der

Jun-
L 3

„chen, und die noch nicht einmal wie du,
bekennen.

Renold. Gnaͤdiger Herr! ſolche Umſtaͤnd,
wie die unſern, nehmen einem Herz und
Sinnen.

Arner. Was fuͤr Umſtaͤnd?

Renold. Sich ſchuldig zu wiſſen, und
vor Angſt doch nicht bekennen doͤrffen.

Arner kehrte ſich izt zoͤrnend gegen die
Andern, und ſagte: „Warum widerſprechet
ihr izt dem Mann nicht, der wider euch
zeuget?“

Aber der Muth zu laͤugnen war izt ent-
ſunken, ſie warffen ſich ihm zu Fuͤßen, und
bathen um Gnade.

Als er ſie ſo zu ſeinen Fuͤßen ſah, entſank
ihm eine Thraͤne; er troknete ſie vor allem
Volk, und ſagte: „Einen traurigern An-
blik kann ich mir faſt nicht vorſtellen.“

Dann wandte er ſich wieder an den Re-
nold, und ſagte ihm: „Alter Mann! ſtehe
du auf — Jch habe gegen dich keine Klage,
als daß du zu dieſen Sachen allen geſchwie-
gen: Aber warum haſt du das gethan, und
deiner Obrigkeit ſolche Verbrechen, die dir
ſeit 20. und mehr Jahren bekannt ſeyn muͤſ-
ſen, ſo lange verheelt?“

Der Renold wollte zuerſt mit der Spra-
che nicht heraus ruͤken, und antwortete: der

Jun-
L 3
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[165/0183] „chen, und die noch nicht einmal wie du, bekennen. Renold. Gnaͤdiger Herr! ſolche Umſtaͤnd, wie die unſern, nehmen einem Herz und Sinnen. Arner. Was fuͤr Umſtaͤnd? Renold. Sich ſchuldig zu wiſſen, und vor Angſt doch nicht bekennen doͤrffen. Arner kehrte ſich izt zoͤrnend gegen die Andern, und ſagte: „Warum widerſprechet ihr izt dem Mann nicht, der wider euch zeuget?“ Aber der Muth zu laͤugnen war izt ent- ſunken, ſie warffen ſich ihm zu Fuͤßen, und bathen um Gnade. Als er ſie ſo zu ſeinen Fuͤßen ſah, entſank ihm eine Thraͤne; er troknete ſie vor allem Volk, und ſagte: „Einen traurigern An- blik kann ich mir faſt nicht vorſtellen.“ Dann wandte er ſich wieder an den Re- nold, und ſagte ihm: „Alter Mann! ſtehe du auf — Jch habe gegen dich keine Klage, als daß du zu dieſen Sachen allen geſchwie- gen: Aber warum haſt du das gethan, und deiner Obrigkeit ſolche Verbrechen, die dir ſeit 20. und mehr Jahren bekannt ſeyn muͤſ- ſen, ſo lange verheelt?“ Der Renold wollte zuerſt mit der Spra- che nicht heraus ruͤken, und antwortete: der Jun- L 3

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/183>, abgerufen am 22.11.2024.